Digitale Transformation: Top 7 Auswirkungen auf ökonomische und gesellschaftliche Systeme

First Aid — Lösungsansätze für Unternehmen zur Orientierung in der digitalen Transformation

Marius Goebel
5 min readSep 8, 2019
Kontik, Digitale Transformation: Eine neue Gesellschaft? — Photo by Markus Spiske

„The speed and scale of the Fourth Industrial Revolution mean the world can not afford delay — we must work hard, together, to establish the norms, standards, regulations and business practices that will serve all humanity in a future filled with the mature capabilities of AI“.

Klaus Schwab verdeutlicht die Notwendigkeit des gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Handlungsdrangs, welcher bedingt durch die Implikationen der digitalen Transformation unumgänglich ist. Neben Schwab identifizieren weitere Experten die Einflüsse künstlicher Intelligenz als eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre.

Die Alternativlosigkeit des technologischen Fortschritts in diskrepanz daraus entstehender gesellschaftlicher Herausforderungen

Robert M. Solow beschrieb mit der Theory of Economic Growth, dass technologischer Fortschritt unabdingbar ist für das Wirtschaftswachstum in kapitalistisch geprägten Volkswirtschaften. Er stellte heraus, dass die Schwankung der Nachfrage nicht alles ist, was die Volkswirtschaft beeinflusst. Solow ist sich den möglichen Verwerfungen von kapitalistisch geprägten Systemen bewusst, macht jedoch deutlich, dass diese eine Tendenz zur Stabilität vorweisen. Als eigentlichen ökonomischen
Wachstumsmotor beschreibt Solow die Verbesserung der Produktionstechnologien — somit den technischen Fortschritt — um langfristig ein steigendes volkswirtschaftliches Gesamteinkommen zu gewährleisten. Er spricht sogar von der „assumption of full employment of the available stock of capital“.

Mit seinem im The Review of Economics and Statistics erschienen Paper “Technical Change and the Aggregate Production Function” bestätigte Solow die Theory of Economic Growth indem er nachwies, dass seit 1900 sieben Achtel des US-Amerikanischen volkswirtschaftlichen Wachstums auf den technologischen Fortschritt zurückzuführen sind.

Solows Theorie wurde in Fachkreisen durchaus kontrovers betrachtet, Gegenwind erhielt er vor allem aus luddistisch geprägten Lagern. Beispielsweise steht der Ökonom Jeremy Rifkin, Solows These kritisch gegenüber. Vielmehr stellt Rifkin die der Theory of Economic Growth zugrunde liegenden These des französischen Ökonomen Jean-Baptiste Says in Frage, wonach „.. jedes Product vom Augenblick seiner Erzeugung an für den ganze Betrag seines Werthes … für anderen Producten einen Absatz herbeyführt“, welche später durch neoklassische Ökonomen wie beispielsweise Solow in der Aussage präzisiert wurde, dass neue Technik zur erhöhten Produktion führe, Stückkosten senke, neue günstige Angebote schüfe, welche den Wettbewerb zur Innovation zwänge, um die eigenen Güter noch billiger veräußern zu können.

Rifkin begründet seine Zweifel indem er anführt, dass der Wettbewerb und
die fortschreitende technologische Entwicklung zu „extremer Produktivität [und] optimalem gesellschaftlichen Wohlstand“ führe. Rifkin erklärt, dass der Einsatz und die Synergie von technischen Innovationen es zulasse, Produkte zu nahezu null Grenzkosten herzustellen, was wiederum dazu führe, das Produkte in der Herstellung — ausgenommen der Fixkosten — annähernd kostenlos seien. Sollte es dazu kommen, so Rifkin, „bliebe der Profit und damit der Lebenssaft des Kapitalismus aus“.

Rifkin postuliert mit der Theorie der Zero Marginal Cost Society gar den Niedergang des Kapitalismus. Er zweifelt an Adam Smiths Theorie der Wealth of Nations, welche besagt, dass der kapitalistische Markt auf Dauer funktioniere, wie Isaac Newtons Gesetz der Schwerkraft.

Als Bereiche, welche heute bereits die Null-Grenzkosten-Revolution nach Rifkin vollziehen, seien an dieser Stelle beispielhaft das Verlagswesen in Form von eBooks, Audio- und Video-Entertainment in Form von Spotify und Netflix, Stromproduktion durch Prosumenten mittels erneuerbare Energie-Technologien sowie das Ausschalten der Zulieferindustrie durch den industriellen 3D Druck genannt.

Gleichzeitig macht Rifkin deutlich, dass in nahezu allen wirtschaftlichen Bereichen technologische Innovationen, menschliche Arbeitskraft mit hoher Wahrscheinlichkeit noch in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts größtenteils ersetzten und somit Millionen Menschen von der Arbeit in der Marktwirtschaft freisetzen werden.

Bald ersetzt durch Algorithmen? — Photo by Alex Kotliarskyi

Der Bevölkerungsforscher Reiner Klingholz zeigt gar auf, dass sich die Gesellschaft am Anfang einer Epoche befinde, in welcher die Wachstumsprozesse, welche seit Jahrhunderten vorherrschen, zunehmend an Bedeutung verlieren. Letzten Endes kommen diese zum Stillstand oder kehren sich sogar in einen Schrumpfprozess um. Klingholz spricht davon, dass die Jahre 2000 bis 2099 wohl als erstes Jahrhundert der Epoche des Postwachstums in die Geschichte eingehen werden.

Doch Hoffnung gibt es, dass dieses durchaus pessimistische Szenario in dieser Form nicht eintrifft. Schönberger und Ramge beschreiben in ihrem Werk Das Digital die Entstehung neuer, vollkommen datengetriebener Märkte, welche letztendlich in einem neuen volkswirtschaftlichen System münden, basierend auf „Datenreichtum“: dem Datenkapitalismus.

Dieser Markt soll es jedem Teilnehmer ermöglichen, mittels lernender KI-Systeme auf effizientem Weg intelligentere Entscheidungen zu treffen, den passenden Transaktionspartner zu finden sowie einen kostengünstigen und vielfältigen Informationsfluss zu schaffen. Ein vollkommen datengetriebener Markt soll der Gesellschaft ein erhebliches Optimierungspotenzial bieten, Ressourcen und Zeit sparen sowie die Möglichkeit schaffen, es sich erlauben zu können, sich lediglich auf die Entscheidungen zu konzentrieren, die am meisten „Genuss und Freude“ vorhalten.

Industrieromantik vs. Megatrend Nachhaltigkeit — Photo by Viktor Kiryanov

Die vierten Industriellen Revolution birgt noch viele ungelöste Fragestellungen — beispielsweise in Bezug auf die drohende Massenarbeitslosigkeit oder die Sicherheit von privaten Daten. Jedoch lassen sich bereits kurzfristig große Potenziale und Chancen erkennen, welche Technologien eröffnen werden: Vor allem die durch die Vernetzung getriebene größere Teilhabe der Gesellschaft sowie das Voranschreiten der Sharing Economy, welche neben umweltfreundlichen Materialien, Recycling-Methoden und erneuerbaren Energien einen großen Faktor für eine nachhaltige Gesellschaft spielen wird.

Lösungsansätze

Unternehmen stehen hierbei vor der Herausforderung, neben künstlicher Intelligenz, das gesamte Technologiespektrum der vierten industriellen Revolution grundlegend zu verstehen und die oftmals vorherrschende Angst der Veränderung zu überwinden. Des Weiteren muss im Zuge dessen, internes Know-How und Technologieverständnis aufgebaut werden, um die Auswirkungen der digitalen Transformation auf die eigene Organisation identifizieren, bewerten sowie verstehen zu können.

Ferner gilt es zu durchdringen, ob die bisherigen Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle in der Lage sind, ein Fortbestehen der Unternehmung im Zuge der digitalen Transformation gewährleisten zu können. Als Basis müssen Fähigkeiten geschaffen werden, zu verstehen, wie die Technologien in Prozesse oder Produkte implementiert werden können, um notwendige Transformationsprozesse aufzusetzen sowie erfolgreich durchzuführen, mit dem Ziel, das Fortbestehen der Unternehmung in einem sich wandelnden Markt zu gewährleisten. Der fortwährende Wandel des Gesellschaftsbildes sowie die möglichen Herausforderungen eines gänzlich neuen ökonomischen Systems konfrontieren Unternehmen ferner mit unbekannten Herausforderungen.

Für Unternehmen, die diesen Wandel überleben, erleben oder sogar mitgestalten wollen, ist es von allerhöchster Wichtigkeit, in erster Linie zu verstehen, welche individuellen Möglichkeiten und Chancen die vierte industrielle Revolution mit ihren verschiedenen Technologien für sie bereithält.

Jedes Unternehmen, überall auf der Welt, sei dazu angehalten, die bisherigen Geschäftsprozesse und Modelle zu überdenken, um mit der nun begonnen rapiden Entwicklung von Technologie sowie der wachsenden Customer Expectations mithalten zu können.

Um zu lernen müssen Unternehmen beginnen, Projekte oder vielmehr Experimente durchzuführen, die einen Wert für Angestellte, Kunden und die Gesellschaft gleichermaßen haben.

Aus den vorherschenden Expertenmeinungen sind allen voran drei Haupthandlungsfelder zu identifizieren, in denen Unternehmen dringend Kompetenzen aufbauen und eine führende Rolle einnehmen sollten:

  1. Technologie
  2. Governance
  3. Wertebewusstes und nachhaltiges Handeln

Nun gilt es die Frage zu stellen: An welchem Punkt steht in diesem Kontext Ihre Unternehmung?

Gedankenanstöße oder Fragen gerne über www.kontik.de oder Linkedin ;-)

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Marius Goebel

Freelance Marketing & Digital Strategy Consultant — Creating meaningful brands — www.kontik.de