Omni-Channel Strategien im B2C Handel
Einfluss einer Mehrkanal-Strategie auf den Unternehmenserfolg im B2C-Sektor
--
Das Konsumverhalten hat sich verändert — darüber muss an dieser Stelle nicht mehr diskutiert werden. Passé sind die Zeiten der Kataloge, statischer Preise oder des begrenzten Produktangebotes im stationären Handel — jedenfalls theoretisch. Seit Jahren diskutieren wir über das nutzen von Synergieeffekten zwischen on- und offline Kanälen oder gar der totalitären Digitalisierung des Handels — die Prophezeiungen verheißen Innenstädte à la Walking Dead …
Doch aus meinem Berateralltag als Digitalstratege weiß ich, dass die Realität durchaus eine andere ist. Hier sind vor allem vier Digitalisierungs-Typen im B2C Handel auszumachen:
- Das Unternehmen befinden sich gerade in den ersten Schritten, diese Thematik zu entdecken und erforschen
- Teilbereiche sind bereit durchdigitalisiert oder funktionieren vielmehr optimal in der Symbiose Online- / Offline-Welt — hier entstehen oft Bauchschmerzen bei der Digitalisierung & Implementierung weiterer Teilbereiche (bspw. physischer Services)
- Skalierungs-Schmerzen der digitalen Prozesse
- Digitalisierungs-Verweigerer oder -Verschläfer wachen plötzlich auf
Die Gründe hierfür können vielseitig sein, deren Ergründung jedoch nicht der Zweck dieses Artikels sein soll — vielmehr soll ein möglicher Lösungsansatz aufgezeigt werden, digitale Prozesse zu orchestrieren. Fakt ist, wir befinden uns augenblicklich in einer sehr spannenden Dekade der Digitalisierung: Generation Digital Late Adopter trifft auf Digital Natives trifft auf Digital Deniers. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier — der Wandel braucht Zeit und das hat höchst wahrscheinlich auch nicht nur Nachteile. Natürlich hat ein Wandel auch Schattenseiten (Der aktuelle Wandel ist vergleichbar mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert): In diesem Kontext sind es Leerstände in den Innenstädten — zumindest Oberflächlich betrachtet, mögen einige stationäre Geschäfte der Digitalisierung zum Opfer gefallen sein — doch genauer betrachtet, doch wohl nur aufgrund des Gesetztes der Trägheit. Denn der stationäre Handel wird uns sicherlich noch einige Zeit erhalten bleiben — vielmehr ist zu beobachten, dass das Erlebnis beim Einkaufen in der Innenstadt zunehmen an Wert gewinnt.
Die Vordenker der Branche sind hierbei jedoch schon ein ganzes Stück weiter–so bemerkte Marc Schumacher (Gschäftsführer Liganova und Zeitgeist) noch auf der diesjährigen @TOABerlin: “The Future of retail will be location first — I am not talking about retail stores here!”
Heutzutage agiert der Konsument frei, unabhängig und greift auf eine Vielzahl an Produktangeboten und Informationen zurück — anytime & anywhere & anyhow.
Die Kommerzialisierung des Internets ab den 90er Jahren ermöglicht es dem Konsumenten heute eine Vielzahl an Produkten online aufzurufen, Bewertungen zu lesen, Preise zu vergleichen und das für sich persönlich beste Angebot auszuwählen.
Heute kaufen 50% der Konsumenten online und bescheren dem stationären Handel somit einen massiven Umsatzverlust, zum anderen wurde so die Entstehung neuartiger Geschäfts- und Servicemodelle möglich.
Dennoch ist der Handel nicht ausschließlich auf das Internet ausgelagert — vielmehr nutzen 55 % der Konsumenten parallel online die Möglichkeiten der mobilen Internetnutzung und vergleichen während ihres Besuchs im Einzelhandel Preise. Im Jahr 2011 waren es lediglich 20 % der Konsumenten. Die Fachwelt nennt dieses Phänomen ROPO-Prinzip: research online, purchase offline –vice versa– research offline, purchase online
Die Evolution des Multi-Channeling
Die Begrifflichkeit Mehrkanal-Strategie hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt und machte in eben dieser Zeitspanne eine genau so rasante Entwicklung wie das Internet selbst mit.
Während bis 1990 noch das Single-Channeling aktuell war,
[• Vertrieb sowie Kommunikation lediglich über einen Kanal]
[• Stark frequentierter Einzelhandel]
[• Persönlicher Kontakt & Beratung]
entstand ab 1991 das Konzept des Multi-Channeling.
[• Launch erster Online-Shops]
[• Stationäre Händler begannen, ihre Produkte auch online anzubieten]
Offline und Online waren zur damaligen Zeit jedoch noch strikt voneinander getrennt zu bewerten und schürten vielmehr Budget-Konflikte zwischen den Verantwortlichen innerhalb eines Unternehmens.
Im Jahr 2000 begannen Unternehmen zu verstehen, dass die strategische Zusammenarbeit zwischen Kanälen durchaus Potenziale bereit hält und ermöglichten es dem Kunden daraufhin im Transaktionsprozess zwischen den Kanälen zu wechseln — Die Strategie des Cross-Channeling war geboren. Dieses neuartige Konzept, ermöglichte es Unternehmen nunmehr, Werbebotschaften über diverse Kanäle effizienter und gezielter zu verbreiten, gleichzeitig kam dem Internet jedoch auch eine enorme Relevanz als Entscheidungsparameter zu.
Seit 2010 findet der Begriff des Omni-Channeling immer stärkere Verbreitung und denkt das Prinzip des Cross-Channeling noch einmal eine Stufe weiter. Omni-Channeling sieht eine Verschmelzung der Absatzkanäle zu Touchpoints in einer Customer Journey vor und verfolgen das Ziel, den vernetzten Kunden, der jederzeit die Möglichkeit hätte, sich für ein anderes Produkt zu entscheiden, an das Unternehmen zu binden.
Im Kontext von Big Data sammeln Unternehmen dafür zentralisiert eine Vielzahl an Kundendaten, um diese in strategische Entscheidungen einzubeziehen. Die Absicht liegt hier u. a. in der optimierung der Customer Experience, also das Erlebnis eines Kunden während der gesamten Customer Journey.
Omni-Channel Marketing
Um erfolgreiches Omni-Channel Marketing zu betreiben gilt es, die Grundinstrumente des Marketing Mixes strategisch auf die (gewünschte) Positionierung des Unternehmens abzustimmen und Tools sowie Channels über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu implementieren. Unternehmen sind dabei angehalten, ihre Kunden an allen Touchpoints integriert und kontextbezogen zu erreichen — Social Media Marketing, Cross-Channel Kampagnen, in denen Print und Online verknüpft werden, Community Driven Shopping, Gamification …
Ein gutes Beispiel stellt hier die Nike+ App dar. Der Sportartikelhersteller beabsichtigt mit diesem Tool eine Rolle im digitalen Alltag der Nutzer einzunehmen. Dem Nutzer beim erreichen seiner sportlichen Ziele zu unterstützen. Erfolgserlebnisse zu kreieren. Ein Wir-Gefühl im Zentrum der Marke zu schaffen.
Klassische Sales-Kampagnen können dies wohl kaum leisten, jedoch dennoch als sinnvolle Unterstützung zum Einsatz kommen (bspw. den Nutzer zu triggern).
Im Optimalfall schafft es eine Marke den Großteil seiner Werbemaßnahmen nicht offensichtlich als solche erkennen zu lassen, indem wie in zuvor erwähnten Beispiel der Werbe-Charakter entnommen wird. Content sowie Kanal so gewählt, dass der Kunde nur unterschwellig mit dem eigentlichen Produkt in Verbindung kommt und vielmehr, mit der Marke agierend, seine persönlichen Ziele erreicht.
Individualisierung und CRM
Ein deutlich zu erkennender Trend der letzten Jahre ist die Umkehrung des Fokus von massenproduzierten Einheitsgütern zurück auf den Kunden, vielmehr ein Schritt zurück zur ursprünglichen persönlichen Beratung und dem persönlichen Kontakt zwischen Kunde und dem Verkäufer im Krämerladen. Personalisierung, Individualisierung und das Eingehen auf die Wünsche der Nutzer stehen nun im Vordergrund. Mass Customiziation oder One-to-One Marketing Konzepte sind hier das vermeintliche Zauberwort.
Auf welcher Basis dies heute ermöglicht wird, ist klar: Daten. Unternehmen sammeln eine Menge an (Big) Data und nutzen diese, um ihre Kunden zu verstehen, ihre Wünsche zu kennen und ihnen auf Basis dessen tatsächlich das anzubieten, was für sie individuell relevant ist. Diese Maßnahmen dienen im Customer Relationship Management dazu, Kunden zu gewinnen, an das Unternehmen zu binden, Maßnahmen so zu gestalten, dass Kunden auch tatsächlich eine Conversion erzielen oder Kunden auch gezielt abstoßen zu können, sobald diese keinen Mehrwert mehr für das Unternehmen bieten (Customer Centricity).
Apple hat Channeling verstanden
Flagshipstores, App-Store, iTunes-Store, Online-Shop und Shop-in-Shop, iPad, iPhone oder Apple Watch und unzählige Apps – Apple scheint eines der besten Beispiele zu sein, wie eine Omni-Channel Strategie erfolgreich umgesetzt werden kann: Apple steigerte seinen Umsatz von 8,3 Mrd. US Dollar in 2004 auf 233,7 Mrd US Dollar in 2015. Hierfür sind wiederum gewiss eine Bandbreite an Faktoren zu berücksichtigen — Kanalexzellenz wird jedoch einer derer sein.
What’s in for me?
Eine Omni-Channel Strategie ermöglicht es mit der Kommunikation und dem Vertrieb über mehrere Kanäle, eine größere Reichweite zu erzielen, somit einen breiteren Markt abzudecken und ferner mögliche Synergieeffekte zwischen den Kanälen zu schaffen. Auch können besonders innovative Kanäle dazu beitragen, dass ein Unternehmen in seiner Außendarstellung jünger wirkt und somit einen Imagetransfer erfährt. Die Distribution über verschiedene Kanäle ermöglicht es auf verschiedene Kundenbedürfnisse einzugehen und somit oftmals eine Steigerung der Kundenzufriedenheit.
Nichtsdestotrotz sollte bedacht werden, …
… dass der Kunde mit einer zu großen Auswahl an Kanälen überfordert sein kann.
… dass mögliche Kannibalisierungseffekte und Spannungen zwischen den Kanälen vermieden werden.
… dass trotz Datenerfassung die Wahrung der Privatsphäre sowie Datensicherheit gewährleistet ist.
… dass insbesondere Online, eine sichere Paymentmethode Verwendung findet.
Six Rules to Omni
Für die erfolgreiche Implementierung und Umsetzung einer Omni-Channel Strategie seien sechs magische Regeln gennant:
1. Multi-Channeling ist eine Strategie, die als Gedanke in das Unternehmen implementiert und dort gelebt werden muss.
2. Ermutigen Sie den Kunden, zwischen den Kanälen zu wechseln.
3. Garantieren Sie dafür, dass die Kanäle eine Einheit bilden.
4. Sorgen Sie für eine optimale Customer Experience.
5. Begleiten Sie den Kunden auf allen Kanälen über die gesamte Customer Journey hinweg.
6. Wählen Sie die Kanäle, die für Ihr Unternehmen, Ihre Zielgruppe und Ihren Zweck geeignet sind.
Hausaufgaben machen!
Vor der Planung und Umsetzung einer Omni-Channel Strategie sind jedoch unbedingt folgende Fragen zu beantworten:
- Welche Absatzkanäle stehen zur Verfügung?
- Welche Absatzkanäle erreichen unsere Konsumenten?
- Welche Produkte werden über die Kanäle angeboten?
- Welche Prozesse müssen neu gestaltet werden, um einen Erfolg zu garantieren?
- Wie können wir eine Konsistenz zwischen den einzelnen Kanälen sicherstellen?
- Wie gelingt es uns, dem Kunden eine gute Customer Experience zu bieten?
- Welche Anreizsysteme bestehen in den einzelnen Kanälen?
- Welche Systeme werden zur Realisierung der Strategie benötigt?
- Wie werden Aktivitäten auf verschiedenen Kanälen an Kunden kommuniziert?
Jetzt könnte es eigentlich losgehen! Oder? ;-)
Was sind Deine Erfahrungen und Gedanken? Wie wird in Deinem Unternehmen Omni-Channel gelebt?