Remix Regional

Publikumszentrierte News mit KI

Wie Künstliche Intelligenz uns hilft, Regionalnachrichten neu zu denken

Max Brandl
BR Next

--

Was wäre, wenn die Radio-Nachrichten auf einen persönlich zugeschnitten wären? Zum Skippen und on demand? Das AI + Automation Lab arbeitet an genau solchen User-zentrierten Regionalnachrichten: Probiert das BR Regional-Update live aus. In diesem Beitrag zeichnen wir Idee, Methode und Learnings des Projekts nach.

Read this in english

Ein Bild aus Elementen des User-Interface von Remix Regional (Karte, Marker, Audio-Spektrum etc.) und einer jungen Userin im Vordergrund

Regionalnachrichten sind integraler Bestandteil der DNA des Bayerischen Rundfunks und schon lange in dessen linearem Hörfunk-Programm verankert:

Kurze Nachrichten-Blöcke, die sich jeweils zur vollen und halben Stunde individuell an fünf bayerische Regionen richten — Niederbayern & Oberpfalz, Schwaben, Oberbayern, Franken und Mainfranken.

Auf diese Weise versorgt der BR seine Hörer:innen mehrfach täglich gezielt mit Meldungen und dem Wetter aus diesen Gegenden.

Unser Projekt “Remix Regional”, das als Idee Ende 2020 im Rahmen eines BBC Hackathon entstanden ist, hat sich zum Ziel gesetzt, dieses lineare Angebot in drei wesentlichen Punkten zu ergänzen:

  • Durch eine noch granularere Regionalisierung
  • Durch bessere Individualisierung mit Metadaten
  • Durch eine nonlineare und On-demand-Verfügbarkeit

Mit anderen Worten: Eine digitale Nachrichtensendung, deren Aufbau sich individuell am eigenen Aufenthaltsort ausrichtet — immer dann, wann man es möchte. Ein stündlich aktualisiertes News-Update, zugeschnitten auf die individuell empfundene “Heimatregion”.

Eine Grafik, die die bisherigen linearen Ausspielwege und den neuen, modularen Remix-Regional-Stream im Vergleich darstellt. Zusätzlich eine Grafik, die eine Person an den Grenzen von drei Regierungsbezirken darstellt — hier kann Remix Regional einen idealen Mix anbieten.
Zusätzlich zu den fünf bisherigen, linearen “Regionalfenstern” bietet Remix Regional Audio-News nach eigenen geografischen Präferenzen neu zusammengestellt, navigierbar und on demand an.

Remix Regional ist damit zentraler Baustein unserer “Data Driven Publishing”-Strategie im AI + Automation Lab: Wir nutzen Technologie und (Meta-)Daten, um unserem Publikum ein passgenaues Angebot zu bieten — gleichzeitig helfen uns Projekte wie dieses dabei, Prozesse im BR zu entlasten und zu digitalisieren.

Was sagen die User:innen?

Ein qualitativer Usertest Mitte 2021 mit unserem ersten, statischen Prototypen lieferte folgende Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung:

  • Die Idee ist gut, aber bitte keine
    weitere separate App
  • Regionale News sind im Schnitt zwei,
    maximal drei Tage lang relevant
  • Die Möglichkeit, durch die News
    navigieren zu können, wird begrüßt
  • Die zusätzliche Karten-Ansicht
    wird als Mehrwert empfunden
  • Der geografische Interessensbereich
    variiert von Person zu Person sehr stark
  • Häufig sind mehrere Orte von Interesse
    (aktueller Wohnort, Herkunftsort, etc.)

Zusätzlich zu diesem Usertest fanden wir mithilfe einer quantitativen Umfrage heraus, dass sich 40 bis 50% der 732 Teilnehmenden stark bis sehr stark für Nachrichten-Beiträge aus ihrer unmittelbaren Umgebung oder ihrem Landkreis interessieren und sich mehr Nachrichten des BR aus ihrer Umgebung wünschen.

Für den Kontext: Allein der Regierungsbezirk Niederbayern hat neun Landkreise.

Eine Produkt-Heimat

Entsprechend dem User-Feedback “Bitte keine eigene App!”, brauchte Remix also möglichst eine Heimat in der etablierten BR-Welt: Die BR Radio-App bringt als native App alles mit, um als Zuhause für Remix Regional zu dienen und verfügt vor allen Dingen bereits über eine gewachsene, aktive Nutzerschaft, die sich für Audio-Inhalte interessiert.

Eine Darstellung von Remix Regional, wie es in der fiktiven Radio-App-Version für den zweiten Usertest ausgesehen hat.
Remix Regional als fiktives Produkt-Feature für den Usertest in der BR Radio-App (als Webdummy)

Wir entwickelten daher einen täuschend echten Webdummy der BR Radio-App, um die Idee in einen zweiten und sehr viel konkreteren Usertest zu schicken:

Würde ein Feature wie Remix Regional die Radio-App für bestehende User:innen der App attraktiver machen? Und stimmt unsere These, dass segmentierter, modularer Audio-Content einen Mehrwert für den BR und sein Publikum generiert? (Spoiler-Alert: Ja und ja.)

Hinter den Kulissen

Die größte Herausforderung war dabei im Hintergrund zu stemmen: Während wir für den ersten Prototypen noch manuell zugeschnittene und getaggte Audio-Schnipsel aus dem Archiv als Beispiel-Content nutzten, war unser Anspruch nun, mit aktuellen Live-Daten und vollautomatisierter Segmentierung zu arbeiten. Dazu brauchten wir eine Technologie — kurz “Segmenter” genannt — die in der Lage ist,

  1. zigmal täglich automatisiert und ohne
    Störung des Hörfunk-Livebetriebs
  2. jede neue Regionalnachrichten-Sendung bei
    Erscheinen automatisiert zu erfassen,
  3. sie mit den dazugehörigen Infos aus dem
    BR-Sendeplanungs-Tool abzugleichen,
  4. darauf basierend jeweils Beginn und Ende der
    einzelnen Meldungen zu erkennen und
  5. die Mitschnitte anschließend in einzelne
    kurze Audio-Clips zu schneiden,
  6. mit automatisch erkannten Orts- und
    Metadaten zu versehen und diese Datenpakete
  7. in einem Online-Speicher abzulegen und
    dort abrufbar vorzuhalten.

Das ist uns — über den Status eines reinen proof of concept hinaus — gelungen. Der kritischste Teil des Vorhabens war dabei die korrekte Erkennung der Schnittmarken in den Audio-Files, denn: Je genauer die Zuschnitte, desto besser am Ende die User Experience. Zwei Aspekte haben hierauf maßgeblichen Einfluss:

  1. Der Code des Segmenters selbst: Je mehr Trainingsdaten in Form von Sendematerial wir dem Modell zur Verfügung stellen und je mehr Feintuning stattfindet, desto besser lernt der Algorithmus, die einzelnen Meldungen optimal zuzuschneiden.
  2. Die Workflows in den Regionalstudios: Je einheitlicher und vollständiger die Regional-Studios das Sendeplanungs-Tool befüllen, desto besser ist der Algorithmus in der Lage, Anfang und Ende einer einzelnen Meldung zu erkennen.

So konnten wir die Qualität des Segmenters durch eine Kombination aus technischer und kultureller Arbeit bereits in diesem Experiment-Status sukzessive um rund 20% anheben:

Mehrere Optimierungs-Schleifen am Algorithmus selbst, Workshops mit den Regional-Redaktionen und ein kleiner, aber effektiver Umbau der Sendeplanungs-Software hin zu besseren Metadaten halfen dabei.

Nichtsdestotrotz ist unser aktueller Prototyp kein fehlerfreies Produkt, das üblichen BR-Standards genügt. Da er aber eben doch deutlich mehr ist als die Probe aufs Exempel, entschieden wir uns, das zunächst nur für den Usertest gedachte Webdummy-Frontend zu einer öffentlich erreichbaren Website mit dem Namen “BR Regional-Update” auszubauen und damit zu zeigen, woran wir intern arbeiten, um Personalisierung und Regionalisierung im BR voranzutreiben.

What’s next?

Nachdem auch der zweite Usertest in Zusammenarbeit mit dem Userlab der pub außerordentlich positiv verlief, war klar, dass wir auf der richtigen Spur sind und mit Remix einen Mehrwert für die Hörfunk-Produkte des BR und unser Publikum schaffen können.

Mit den neuen Erkenntnissen aus dem zweiten Usertest und aus dem Betrieb der Live-Demo werden wir Remix nun in die dritte Phase schicken. Die Ziele sind dabei:

  1. Mit Blick durch die Produktbrille und nach draußen, zu den Hörer:innen: Die native Integration von Remix in die digitale BR-Radio-Landschaft. Konkret bedeutet das eine Integration in die öffentlichen Web-Angebote von BR Radio und die Beta-Version der BR Radio-App.
  2. Mit Blick durch das Fernglas auf das größere Ganze: Der Aufbau einer ARD-weiten, universell gedachten Segmenter-Lösung, die es ermöglicht, attraktive Produkte mit modularem Content zu personalisieren.

Ob beides klappt, finden wir gerade heraus. Wir halten euch auf dem Laufenden. :)

Read this in english

--

--

Max Brandl
BR Next
Writer for

Irgendwas zwischen Max Goldt, Lloyd Banks und Van Damme.