Ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem andere ihren Beziehungsstatus bei Facebook auf „Es ist kompliziert“ ändern.
Da Christian von selber die Sprache nie auf uns bringt, habe ich es heute mal wieder versucht. Dabei ist herausgekommen, dass er in den letzten Jahren bereits mehrmals an dem Punkt war, unsere Beziehung beenden zu wollen. Irgendwie hat mich das wirklich getroffen. Vielleicht, weil mir das nie bewußt war, er nie etwas gesagt hat, ich es nie bemerkt habe. Bis jetzt.
Keiner meiner Freunde versteht, was in mir vorgeht. Selbst meine beste Freundin Gisela hat mir gestern stundenlang zugeredet, unsere Beziehung nicht wegzuwerfen. Sie wirft mir vor, ich sei gerade an einem Punkt meines Lebens, an dem ich eben alles erneuern will. Sie meint, ich bilde mir das mit Max mehr oder weniger ein, weil er eben nun mal zum rechten Zeitpunkt am richtigen Ort war, auf jeden Fall soll ich ihn vergessen.
Ich bin wirklich enttäuscht und auch verwirrt, warum alle meine Freunde so negativ auf Max zu sprechen sind. Gut, sie kennen und mögen Christian, vielleicht ist das das Problem. Niemand ist wirklich objektiv. Ich würde mich so gerne weiterhin mit Max treffen, ihn besser kennenlernen, einfach nur mit ihm quatschen. Ihr denkt, ich mache mir was vor? Ja, vielleicht habt Ihr recht. Aber mal ehrlich: Es war ja nicht so, als wären bei meinem alten Arbeitgeber nicht noch mehr Männer rumgelaufen. Ich habe mir Max doch nicht absichtlich ausgesucht. Ich bin doch nicht ins Büro gefahren und habe mir gedacht, wo sind sie jetzt, die coolen Typen, mit denen ich ausgehen kann? Genauso klingt das aber, wenn ich Gisela oder meine Ex-Kollegin Anja frage.
Ich habe ja nicht einmal gewusst, dass ich mit meiner Beziehung unglücklich bin, bis ich gemerkt habe, dass ich Gefühle für Max entwickle. Wenn ich mir überlege, dass ich Ende letzten Jahres noch enttäuscht war, dass Christian mir auch nach knapp neun Jahren noch keinen Heiratsantrag gemacht hat. Unglaublich. Warum ändern sich Gefühle so plötzlich? Oder war das Gefühl immer schon dasselbe? Hat sich nur meine Ansicht der Dinge plötzlich verändert, weil ich endlich wieder gefühlt habe, wie es ist, jemandem nahe kommen zu wollen?
Sind Christian und ich seit 8 1/2 Jahren nur mehr Freunde? Eine Wohngemeinschaft? Wenn ich ehrlich bin, kommt es mir immer mehr so vor. Es ist schon komisch, wir verstehen uns wirklich super, sehen die meisten Dinge wie der andere, aber dann gibt es wiederum Situationen, in denen wir uns Dinge an den Kopf werfen, die kein Liebes-Paar sich jemals sagt. Und doch sagt Christian, dass er ein Problem damit hätte, wenn ich einen anderen Kerl treffen würde. Er hat mir versichert, es gab und gibt niemanden, in den er sich während unserer Beziehung mal verguckt hat. Mich hat er nicht gefragt.
Ich würde Max sehr gerne bald wiedersehen. Aber eigentlich ist das nur ein Rettungsanker, oder? Weil er nun mal der einzige Mann ist, der für einen Flirt gerade infrage kommt. Aber nicht, weil ich auch nur einen Beweis dafür habe, dass er auch Interesse an mir hat. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich schon, dass er mich mag, aber dass er mich einfach als Kollegin geschätzt hat, die seine Sicht der Dinge unterstützt und mit der er ehrlich reden kann. Die vielleicht mit ihm auf Augenhöhe ist. Aber ansonsten?
Es wäre ganz schön dumm, ihm zu schreiben, ob er mit Emma und mir einen Spaziergang am Strand machen will, oder? Emma wäre mein Köder. Aber selbst, wenn er zusagen würde, ginge es nicht um mich. Und schon bin ich wieder da, wo ich zuletzt vor neun Jahren war: Den Regeln des Flirtens, sich Kennenlernens, Verliebens. Eigentlich weiß ich doch, dass er weder der Richtige für mich ist, noch überhaupt in der Situation, sich zu verlieben, da er sich schon zwischen zwei Frauen entscheiden muss. Und offenbar nicht kann. Ich sehe es ein, ich sollte es lassen. Aber das Schlimme ist, versprechen kann ich es nicht.
