#MitNazisReden (Audio+Transkript)

@misharrrgh
4 min readOct 27, 2016

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Transkript

Hömma, bestreitet ja niemand, dass unter den Flüchtlingen auch das eine oder andere Arschloch ist. Ich meine, das sind ja auch nur Menschen. Das vergisst man so leicht. Das Wort Flüchtling hat mal was bedeutet, aber jetzt ist das nur noch eine Schublade. Ein Schlagwort. Wie Millennials. Generation Z. Digital Natives. Flüchtlinge.

Das Wort Flüchtling ist das, was man in der Werbung eine Persona nennt. Das Konzept der Persona wurde von Werbeagenturen aufgegriffen, um eine möglichst große Gruppe Mensch auf ihre kleinsten gemeinsamen Nenner herunterzubrechen, um eine abstrakte Gruppe mit Hilfe von Stereotypen greifbar zu machen. Dass sie zum Beispiel Partys mögen. Oder Bier. Oder gern Candy Crush spielen. Oder auf der Flucht sind. Der kleinste gemeinsame Nenner. Also sagen wir: Flüchtlinge.

Wir haben uns die Persona Flüchtling erschaffen, weil das alles nicht mehr greifbar war. Weil jeden einzelnen der hunderttausend Menschen als Mensch mit Geschichten, Gefühlen, Leben und Wünschen zu betrachten nicht mehr zu ertragen war. Hauptsache nicht wieder ein Bild von einem ertrunkenen Kind im Facebook-News Feed. Wir brauchten eine Schublade, und auf der steht jetzt: Flüchtling. Schon wieder hundert Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Schon wieder tausend Flüchtlinge in Ungarn gestrandet. Nicht schön, aber damit können wir umgehen. Aber eigentlich sind das einfach nur Menschen.

Tja, und Menschen sind zuweilen Arschlöcher. Rein statistisch müssen Arschlöcher unter den Flüchtlingen sein. Bestreitet ja niemand. Ist hier ja auch so. Wir könnten vermutlich durchzählen, eins, zwei, Arschloch, wer weiß das schon. Kann man ja nicht verhindern.

Wie soll man das auch verhindern, dass da ein Arschloch durchrutscht. Das zu verhindern schaffen wir ja noch nicht mal bei der Polizei, und die werden gründlicher geprüft als jeder Flüchtling. Sollen Menschen deshalb nicht herkommen dürfen, weil da vielleicht ein Arschloch bei ist, oder zwei? Weil es da vielleicht einer nicht so mit dem Grundgesetz hat? Steht ja niemandem auf die Stirn geschrieben, dass er ein Idiot ist. Soll also einer jetzt nicht seine Familie nachholen dürfen, weil vielleicht ein Arsch dabei ist? Andererseits: Vielleicht ist das schwarze Schaf der Familie ja schon hier. Vielleicht ist er so geworden, weil seine Familie nicht hier ist. Vielleicht ist er wieder weniger Arschloch, wenn seine Familie hier ist. Es soll Menschen geben, auf die hat ein vertrautes Umfeld einen guten Einfluss. Was weiß ich. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht die Lösung sein kann, 100.000 Menschen nicht reinzulassen, weil ein paar von ihnen Arschlöcher sind.

Aber seien wir mal ehrlich: Darum geht’s dir auch gar nicht, oder? Für dich ist das gar nicht das Problem, dass unter den Flüchtlingen, die herkommen wollen, Arschlöcher sein könnten. Nein. Für dich sind sie Arschlöcher, weil sie herkommen wollen. Und das willst du nicht. Und das hat nichts mit Terror zu tun. Das hat nichts mit Übergriffen, mit Kriminalität zu tun.

Aus dem Zufall, dass deine vier Großeltern in einem völlig willkürlichen Moment Sex hatten und deine zwei Eltern zeugten, die in einem völlig willkürlichen Moment Sex hatten und dich an einem Ort zur Welt brachten, der aufgrund einer Kette von unzähligen Zufällen und voneinander unabhängigen Ereignissen dein Geburtsort wurde, leitest du einen Anspruch ab, ein paar Quadratkilometer Erde zu einer Zufluchtsverbotszone zu machen. Aber weißt du, ficken kann jeder. Zum Flüchten braucht man Mut. Und wenn du mich fragst, hat jeder, der Daesh, Mittelmeer, Schleppern und Grenzern getrotzt, das alles überlebt hat, hier angekommen ist, diesen Flecken Boden genauso verdient, wie jener, dessen größter Verdienst darin besteht, dass er schon da war. Produkt eines Zufalls zu sein, ist keine Leistung. Flucht schon.

Weißt du, ich gebe dir in einer Sache recht. Noch mehr Arschlöcher brauchen wir nicht. Wir haben selber genug. Aber darum geht es nicht. Da gibt es Menschen, die haben einen Bedarf nach ein bisschen Zeit ohne Fassbomben und Hunger, und den können wir erfüllen.

In der Bibel verhandelt Abraham einmal mit Gott darüber, wie viele gute Menschen in einer Stadt sein müssten, damit Gott die Stadt rettet. Und Abraham schafft es, Gott auf 10 gute Menschen herunterzuhandeln. Am Ende reichen Gott zehn gute Menschen, um eine Stadt voller Arschlöcher zu retten. Im Fernsehen haben wir letztens darüber abgestimmt, ob es das wert ist, 160 Menschen sterben zu lassen, damit 70.000 leben können. Warum nicht mal beides andersrum. Ich finde ja, es ist es wert, 5.000 Arschlöcher reinzulassen, damit 95.000 leben können. Kollateralnutzen statt Kollateralschaden. Mit den Arschlöchern, die da kommen mögen, mit denen werden wir schon fertig. Haben wir ja Erfahrung mit. Wir konnten jahrzehntelang an Arschlöchern wie dir üben. Also mach dir keine Sorgen. Wir schaffen das.

Aufnahme aus dem Finale der “Poetry All Stars” am 25. Oktober 2016 im Cinemaxx Bielefeld

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