Wahlkampf 2017

Martin Recke
3 min readOct 20, 2016

Der Wahlkampf 2017 wird dank Erfurt einfach. Warum? Nehmen wir als Axiom, dass die Mehrheit der Deutschen nicht von den Linken regiert werden möchte, auch nicht in einer Koalition. Dann wird also eine Mehrheit weder SPD noch Grüne noch Linke wählen, weil sie sonst eine Koalition nach Erfurter Vorbild zu erwarten hätte. Die Wahlergebnisse insbesondere für SPD und Grüne schrumpfen so auf ihre Stammwählerschaft zurecht.

Das Resultat könnte, wenn weder FDP noch AfD der Einzug in den Bundestag gelingt, eine absolute Mehrheit für die CDU/CSU und eine vierte Amtszeit für Angela Merkel sein. Falls mindestens eine der beiden Parteien FDP und AfD ins Parlament einzöge, dann ergibt sich wahrscheinlich eine komfortable Position für die CDU/CSU. Die könnte sich dann ihren Koalitionspartner aus SPD, Grünen oder FDP/AfD aussuchen.

Auch für FDP und AfD bietet das Gespenst von Erfurt jede Menge Mobilisierungspotential. Sie können versuchen, eine Mehrheit der Wähler anzusprechen, deren Gemeinsamkeit in der Ablehnung einer Koalition unter Einschluss der Linken liegt. Dazu braucht es nicht einmal eine holzhammerartige Kampagne nach Rote-Socken-Vorbild. Nein, das Thema lässt sich auch subtiler spielen.

Anlässe bieten sich schon in den nächsten Monaten zur Genüge, während sich die Meilensteine des Wegs zur Deutschen Einheit zum 25. Mal jähren. Die freie Wahl zur Volkskammer am 18. März 1990 und zu den Landtagen der ostdeutschen Bundesländer im Herbst 1990, der Tag der Deutschen Einheit im Oktober, aber auch die Erinnerung an die ersten gesamtdeutschen Wahlen im Dezember 1990 sind solche Gelegenheiten.

Für den Bundestagswahlkampf 2017 spielt es dabei nicht einmal eine Rolle, ob das Erfurter Bündnis überhaupt bis dahin hält. Die Tatsache, dass es diese Regierung gab, genügt vollauf. Die Aussichten für die SPD, auf absehbare Zeit wieder einmal den Kanzler stellen zu können, sind düster. Eine rotgrüne Mehrheit ist ebenso wenig in Sicht wie eine Ampelkoalition. Die SPD kann entweder dauerhaft als Juniorpartner der CDU/CDU mitregieren oder in die Opposition gehen.

Einen Lagerwahlkampf zusammen mit Grünen und Linken wird sie nicht führen können, solange sie mit Merkel regiert. Bricht aber die Große Koalition vorzeitig auseinander, zum Beispiel durch die Wahl Sigmar Gabriels zum Kanzler mit den Stimmen von Grünen und Linken, dann geht die SPD das hohe Risiko ein, dadurch die Macht bei den dann womöglich vorgezogenen Neuwahlen zu verlieren.

Im Unterschied zu den Linken taugt die AfD übrigens bis dato nicht einmal ansatzweise als Schreckgespenst. Dies gilt bestenfalls für Linke, Grüne und einen Teil der SPD-Wählerschaft. Eben jene Mehrheit, die nicht von den Linken regiert werden möchte, lässt sich von der AfD nicht schrecken. Dies allein macht die AfD jedoch noch nicht regierungsfähig. Das hat sie selbst in der Hand, vor allem mit der Auswahl ihres Spitzenpersonals. Die richtigen Themen besetzt sie bereits, nämlich jene, die von den übrigen Parteien nicht mehr bearbeitet werden.

Um in den Bundestag einzuziehen, braucht es dank der Fünfprozenthürde erfahrungsgemäß mindestens zwei mobilisierungsstarke Themen. Bei den Grünen waren es Umwelt- und Friedensbewegung, die sich erfolgreich koppeln ließen. Bei der AfD könnten es konservative Familienpolitik und soziale Marktwirtschaft sein — zwei von der Union praktisch aufgegebene Politikfelder. Was die Wirtschaft betrifft, konkurriert die AfD jedoch mit der FDP, der eine liberale Wirtschafts- und Innenpolitik zum Wiedereinzug in den Bundestag verhelfen könnte. Wenn sie es schafft, diese glaubwürdig zu formulieren und mit dem geeigneten Führungspersonal zu verbinden.

Zuerst publiziert am 8. Dezember 2014 auf worthauer.de.

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Written by Martin Recke

Co-founder @nextconf, book author (“Next Level CMO”, “Parallelwelten”), blogger, journalist, political scientist, theologian, singer, father, roman-catholic.

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