Ein HomePod Ersteindrucks-Review

Nicolas
9 min readJun 22, 2018

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Normalerweise würde ich auf Englisch schreiben, aber da es um ein Gerät geht, mit dem ich ebenfalls deutsch spreche, hier mal ein (Nicht-ganz-so-)Mini-Review und Ersteindruck zu Apples HomePod.

Zunächst mal Bias-Warnung: Ich werde von einigen Freunden als Apple-Jünger bezeichnet und auch wenn ich denke, dass es nicht ganz so schlimm ist, bin ich recht stark im Apple-Universum “gefangen”. — Und das gerne.

Allerdings bin ich auch eine kritische Person. Einige würden sagen, “ist schon ganz gut” ist das höchste Lob, das man von mir zu hören kriegen kann (stimmt gar nicht!).

Spotify vs. Apple Music

Ich hatte direkt nach Start von Apple Music von Spotify darauf “geswitched” und war eigentlich sehr froh endlich “iTunes Unlimited” zu haben. Allerdings bin ich auch nach kurzer Zeit wieder zurück zu Spotify. Hauptgrund für mich war, dass Spotify einfach die deutlich besseren (crowd-sourced) Playlisten hat. Wenn man eher der Album-Hörer ist, dann tun sich die Dienste fast nichts, aber wenn man nach einem Mix sucht, den man zu einer Session des Arkham Horror-Brettspiels im Hintergrund spielen kann findet man bei Spotify eben ca. 10 Stück obwohl schon arg special-interest, bei Apple Music leider goar nischt.

Warum ist das relevant? Weil — man will ja Musik hören mit dem Ding. 349 Euro um seinen Tee-Timer zu stellen halte ich dann doch für übertrieben.

Seit kurzem gibt es bei Apple Music ebenfalls Nutzer-generierte Playlists, aber die sind noch längst nicht so gut und vor allem nicht so sortiert wie eben bei Spotify. Egal, heute bin ich wieder zurück geswitched.

Ausgangslage Audioequipment

Ich habe zu Hause in einem (viel zu kleinen) 20qm Wohnzimmer eine 5.0 Anlage bestehend aus einem Jamo 608 Set und einem Denon X1400 Receiver was zusammen immerhin mal über 1000 Euro gekostet hat. High-End ist das sicher nicht, aber durchaus ordentlich und liefert dank des Audyssey-Systems im Receiver auch ein Klangbild, das auf den Raum getuned ist.

Als Audioequipment bezeichnen würde ich das zwar nicht, aber ich habe auch zwei Echo Dots.

Insgesamt habe ich relativ viel Zeit damit verbracht, die Equalizer-Kurve so zu tunen, dass mir der Klang gut gefällt. Dazu muss es für meine Ohren eher neutral bis “warm” klingen muss, wobei das keinesfalls “basslastig” bedeutet — bei einem früheren Receiver hatte ich sogar den Bass mit -4 dB runtergedreht.

Zur Sache: Ersteindruck

Endlich mal wieder ein neues Apple-Produkt! Ist schon länger her, dass ich den Duft von neuer Apple-Hardware in der Nase hatte. Leider wurde ich, nachdem ich meinen Riechkolben in den Kasten steckte, herb enttäuscht. Riecht nach nichts.

Das Verpackungskonzept ist komplett Apple, ordentlich, durchdacht, minimalistisch. Genauso das Produkt selbst.

Der Anschluss und das Setup ist ebenfalls super einfach: Strom, iPad oder iPhone daneben halten und in weniger als 5 Schritten sagt Siri “Hallo” und behauptet einem gerade zuzuwinken. Danach soll man mal “Hey Siri” sagen, was prompt in die Hose ging. Soviel zur First Launch Experience. Beim zweiten Mal klappte es aber und Siri spielt mir Musik! Phil Collins aus meinem handverlesenen Radiosender. (Dagegen kann man wohl nichts sagen…)

Die Ohren gespitzt und mich gefragt, gefällt mir das? Und die Antwort war: Nein. Wenige Sekunden später spielte ich schon durch, wie ich das Gerät zurück schicken würde. Aber vielleicht liegt es auch am Lied? Irgendwie bassig, dann kommt nichts und dann die Vocals relativ hoch. Da fehlt doch die mir sonst so liebe “warme” Mitte.

Die ersten Minuten

“Hey Siri, spiele Cosmic Girl.” — “Cosmic Girl von Jamiroquai”.

Aha, oha! Da kommt ja wirklich ganz gut Bass raus aus dem kleinen Ding. Nicht schlecht, aber irgendwie immer noch nicht richtig gefällig.

“Hey Siri, spiele Digital Love von Daft Punk” — “Ich spiele Didschital Löve von Daft Punk”.

Löve? Naja. Oha! Meine Fresse der Bass ist ja heftiger als bei meinem Standlautsprechern. Aber irgendwie, ach, eigentlich doch nicht so schlecht.

“Hey Siri, spiele Forgiven” — “Ich spiele …” (Kann mich nicht mehr genau dran erinnern, aber es war auf jeden Fall nicht das was ich wollte.)

“Alexa Stop!” — Ja, offenbar ist mein Hirn darauf trainiert, dass wenn etwas schief läuft Alexa zu tadeln. “Hey Siri” … “Stop” … “Stop” … “Hey Siri Stop?”.

Irgendwie will mir noch nicht so recht in den Kopf, wann ich mit meinem Befehl nach Hey Siri anfangen soll, spielt ja noch so laut Musik. Wenn man zu lange wartet passiert einfach nichts und der Befehl wird ignoriert. Fängt man schon an zu labern wird er nicht richtig erkannt.

“Hey Siri, spiele Forgiven von Jamie Woon” “Ich kann nichts mit dem Titel … finden.” — “Hey Siri, spiele Forgiven vom Album Making Time von Jamie Woon” (Wie genau muss man eigentlich sein?!). “Ich spiele Titel von Making Time von Jamie Woon” — Immerhin.

“Hey Siri, spiele den dritten Track” — Klappt nicht. Argh! Wo ist das iPad, dann halt so.

Man sieht: Bereits nach wenigen Minuten muss man doch ein bisschen mit Siri kämpfen und die Deutsch/Englisch-Mischung ist nicht wirklich gut ausgereift.

Aber der Ton. Hallo! Forgiven schallt mir entgegen und erzeugt einen so gefälligen und Auf-den-Punkt-Bass, dass ich schmunzeln muss. Auch die tiefere Stimme klingt jetzt warm und gefällig. Aber irgendwie kommt es halt doch aus der Ecke wo der HomePod steht. Extra so, dass er links und rechts eine Wand hat von der er ja — so die Werbevideos — den ambienten Klang in den Raum abstrahlen soll. Hmm.

“Hey Siri, spiele Beethovens dritte Symphonie.” “Ich habe Beethovens dritte Symphonie leider nicht gefunden.” Boah! Soll ich jetzt wirklich sagen “Spiele Symphonie no. 3 Eroica in E flat major , op. 55” weil das so in meiner Mediathek heißt? Ich greife also wieder zum iPad.

Klingt nicht schlecht. “Hey Siri, Lautstärke auf 100%” OH GOTT! “SIRI! Hey Siri, Lautstärke auf 50%”. Meine Fresse, wer hätte gedacht, dass das Teil so laut wird. Gut, ist ja auch nicht so groß, mein Wohnzimmer.

Ich hab noch etwa eine halbe Stunde mehr gehört und irgendwie wurde es mir immer gefälliger, aber so richtig, richtig geil irgendwie nicht. Bis ich auf eine Idee kam.

Jamo + Denon vs. HomePod

Den HomePod hatte ich bereits auf einem der Standlautsprecher positioniert und da AirPlay 2 ja jetzt synchron abspielen kann, wollte ich einfach mal zwischen den Standlautsprechern und HomePod schalten, um den Unterschied zu hören.

Interessanterweise klang die Kombination von Beidem recht gefällig, tonal gar nicht so unterschiedlich, dass man sofort gewusst hätte wer wie spielt. Den Receiver mal auf Mute. Klingt immer noch gut. Klingt eigentlich wirklich ähnlich. Etwas prägnanter im Bass vielleicht, etwas detaillierter in den Höhen? Analytischer würde man vielleicht sagen. Oder deutlicher? Sauberer? Ist schon fast wie bei Wein.

Den beeindruckendsten Effekt hatte ich allerdings, als ich nicht den Receiver auf Mute geschaltet habe, sondern den HomePod ausmachte. Sofort war klar: Hier fehlt was. Wo ist denn die Räumlichkeit hin? Klar, der Stereo-Effekt war viel größer, aber irgendwie war die ganze Bühne weg. Der Effekt ist schon Wow. HomePod wieder dran: Effekt wieder da. Receiver auf Mute: Ist nicht so Stereo-mäßig, aber immer noch gut.

Insgesamt komme ich also zu dem Fazit, dass der Klang ohne den HomePod viel mehr ausmacht, als das Ausschalten der “Anlage” und das ist echt beachtlich. Mit anderen Worten: Der HomePod fügt dem Klangbild etwas hinzu, das viel auffälliger und wertvoller ist, als dass was verloren geht, wenn die Standlautsprecher still sind.

Der Effekt ist übrigens größer, wenn man Musik spielt, die einen sehr ambienten “Klangteppich” hat, als etwa bei einem Sänger mit einzelner Gitarre. Beispielsweise “Love Theme from Chinatown” (Siri hat mir chinesische Musik angemacht, danke!) von Till Brönner klingt auf dem HomePod irgendwie besser, gefälliger obwohl ich nur einen (und kein Stereo-Paar) habe.

Ebenfalls spannend war der Bass-Effekt. Während ich vorher noch Angst hatte, dass die kleine Membram im HomePod wohl kaum mit den 25 cm Bassmembranen der Standlautsprecher mithalten kann, wurde ich da doch irgendwie desillusioniert. Als ich immer mal wieder den Receiver auf Mute geschaltet hatte, musste ich zwischendurch zwei mal schauen ob der gerade wirklich aus ist oder nicht.

Insgesamt würde ich sagen, dass man sich schon ein bisschen reinhören muss und vielleicht liegt es auch etwas an der Positionierung des HomePod, am Lied und dem eigenen Geschmack, aber für die Größe ist der Klang hervorragend. Für den Preis ist der Klang sehr gut. Sehr gut aber vor allem deshalb weil ein Klangbild erzeugt wird, dass den Raum so ausfüllt, dass alles (zumindest mal im direkten Vergleich) sehr gefällig und breit klingt, auch wenn der Klang ganz eindeutig aus der Ecke des HomePod kommt. Gut möglich, dass zwei HomePods als Stereo-Paar (was man konfigurieren kann) das Prädikat “hervorragend” erhalten.

Sprachsteuerung

Die Sprachsteuerung ist eher Mau muss ich sagen. Ich finde es auch schade, dass Siri es nicht schafft, banale englische Begriffe korrekt auszusprechen. Ich komme ja berufstechnisch aus dem Bereich Data Science/Natural Language Processing und weiß, dass manche Probleme da wirklich schwer sind. Aber zu erkennen, dass man Love halt nicht Löve ausspricht scheint mir nicht NP-hart.

Auch bei der Erkennung hätte ich mir mehr erwartet. Ich habe die Vermutung, dass nicht bei allen Titeln in iTunes phonetische Aussprache-Varianten hinterlegt sind. Heißt, wenn etwas nicht gematched werden kann landet man bei einer obskuren deutschen Variante für den auf Englisch geplapperten Song-Namen. Fragt man wie das Album Oceana (Oh-sche-äna) von Till Brönner heißt, kommt ein hartes Ozeana zurück. Jawohl, Herr General!

Was mir auch nicht passt ist, dass man die persönlichen Dinge, wie Kalender, Nachrichten, Erinnerungen nicht nutzen kann, wenn man “nur” ein iPad zur Konfiguration verwendet. Auch wenn das dies alles könnte, muss es offenbar ein iPhone sein. Bei meinem ist nämlich das Wifi kaputt, deshalb konnte ich das nun weder testen noch nutzen. Doof — und vermutlich grundlos.

“Hey Siri” wird allerdings erheblich besser erkannt als etwa auf meinem iPad (Pro) und das wirklich auch wenn die Musik hämmert. Nicht schlecht, da ist Alexa deutlich schwerhöriger.

Mit dem restlichen Smart-Zeug habe ich mich noch nicht wirklich beschäftigt. Die Tagesschau in 100 Sekunden kann schon mal abgespielt werden, das Wetter ging auch, aber wie groß Barack Obama ist, frage ich mich dann doch nicht so oft, als dass es mir den Aufpreis wert wäre.

Fazit: Muss ich noch weiter testen. Die Hoffnung war, dass ich wieder etwas mehr Musik höre, indem die Barriere dafür extrem gering wird: “Hey Siri, spiele etwas dass ich mag.”. Ob das wirklich eintritt oder ich jetzt 349 Euro versenkt habe, um 2-Minuten-Tee-Timer zu stellen wird sich zeigen. Zum Glück sind Apple-Produkte sehr wertstabil.

Fazit

Beim Klang, und das sollte das wichtigste sein, bin ich bisher zufrieden. Das angebotene Paket passt. Einen Google Max oder Echo in Großausführung habe ich bisher nicht hören können, bezweifle aber dass die Qualität und vor allem das Klangbild so aussehen wird wie hier geboten. Der Sonos 3 im Café um die Ecke klingt auf jeden Fall ziemlich bescheiden dagegen. Ist aber auch im Café und nicht im Wohnzimmer.

Schade finde ich, wie wenig polish Siri für die Mischung Deutsch/Englisch abbekommen hat. Von heute auf morgen geht sowas nicht, aber hier wäre meine Erwartung deutlich größer gewesen. Genauso bei so etwas banalem wie “Spiele Beethovens Dritte”. Wo das Ding doch als “Musicologist” angepriesen worden ist, finde ich das zu schwach. Oder vielleicht auch eher auf die Taylor-Swift-Generation gemünzt. Aber mal ehrlich, wo nehmen die die ganze Kohle für so teure Technik her?

Long story short: Wenn ich in den nächsten Monaten mehr Musik höre, und das könnte ich mir gut vorstellen, hat sich der Kauf gelohnt. Wenn nicht freue ich mich schon auf die “Was ist letzte Preis?!”-Nachrichten bei eBay-Kleinanzeigen.

Epilog: Gefangen im Apple-Universum

Eine häufige Kritik am HomePod ist ja, dass das ganze nur mit Apple Music funktioniert. Und das stimmt auch. Generell taugt das Ding eigentlich nur, wenn man im Apple-Kosmos lebt, also am besten noch HomeKit dabei, ein iPhone und notfalls AirPlay. Passt auf mich, deshalb habe ich daran keine Kritik, aber ich kann auch akzeptieren, dass das so muss.

Warum muss das so? Ich bringe mal ein vielleicht recht edge-casiges aber nachvollziehbares Beispiel: “Hey Siri, spiele das Album Aja.” Kennt vielleicht nicht jeder, spricht man aber aus wie Asia, also Asien auf Englisch. Wenn Siri nun nur den Part der Spracherkennung übernimmt und danach das gesuchte Lied an Spotify gibt, dann ist die Chance recht hoch, dass man eben bei einem Album landet, das Asia heißt. Wenn aber Siri weiß, dass in meiner Mediathek eben kein Album mit den Namen Asia ist sondern nur eines mit dem Namen Aja, dann liegt die Chance recht hoch, dass das richtige Album gespielt wird.

Dass schlauer Assistent und die Systeme, die gesteuert werden integriert und dicht beieinander sind, ergibt also irgendwie Sinn. Nicht nur damit viele Leute Apple Music kaufen, sondern auch aus ganz pragmatischen Gründen.

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Nicolas

Hi, I don't intend to write much, but if I do I will probably rant about something. Sorry.