Anything to say? — Was ich zu sagen habe!

Nils Melzer
2 min readDec 15, 2019

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Rede des UN Sonderberichterstatters, Nils Melzer, am Brandenburger Tor in Berlin, 27 November 2019

Jahrzehntelang wurden im Westen politische Dissidenten mit offenen Armen aufgenommen, weil sie in ihrem Kampf für die Menschenrechte von diktatorischen Regimes verfolgt wurden.

Heute aber müssen westliche Dissidenten selber um Asyl ersuchen, so wie Snowden in Russland oder bis vor kurzen Assange in der Ecuadorianischen Botschaft in London.

Denn der Westen hat selber begonnen, seine Dissidenten zu verfolgen, sie in politischen Schauprozessen mit drakonischen Strafen zu belegen und wie gefährliche Terroristen in Hochsicherheitsgefängnisse einzusperren, unter Bedingungen, die man nur als unmenschlich und entwürdigend bezeichnen kann.

Unsere Regierungen fühlen sich bedroht durch Chelsea Manning, Edward Snowden und Julian Assange, denn sie sind Whistleblowers, Journalisten und Menschenrechts-aktivisten, die uns handfeste Beweise geliefert haben für Missbrauch, Korruption und Kriegsverbrechen der Mächtigen, und die nun deshalb systematisch diffamiert und verfolgt werden.

Sie sind die politischen Dissidenten des Westens, und ihre Verfolgung sind die Hexenprozesse von heute, denn sie gefährden die Privilegien einer unüberwachten Staatsmacht, die ausser Kontrolle geraten ist.

Der Fall von Manning, Snowden und Assange ist der wichtigste Testfall unserer Zeit für die Glaubwürdigkeit der westlichen Rechtstaatlichkeit und Demokratie und unseres Bekenntnisses zu den Menschenrechten.

In allen diesen Fällen geht es nicht um die Person, den Charakter oder allfälliges Missverhalten dieser Dissidenten, sondern es geht darum, wie unsere Regierungen mit der Enthüllung ihres eigenen Missverhaltens umgehen.

Wie viele Soldaten wurden zur Verantwortung gezogen für das Massaker an Zivilisten, welches im Video „Collateral Murder“ zu sehen ist? Wie viele Agenten für die systematische Folter von Terrorverdächtigten? Wie viele Politiker und CEOs für die korrupten, menschenverachtenden Machenschaften welche durch unsere Dissidenten ans Licht gezogen wurden?

Darum geht es hier. Es geht um die Integrität unserer Rechtsstaatlichkeit, die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie, und letztendlich um unsere eigene Menschenwürde und die Zukunft unserer Kinder.

Lasst uns das nie vergessen!

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Nils Melzer

United Nations Special Rapporteur on Torture; Professor of International Law; Vice-President of the International Institute of Humanitarian Law