Kampf gegen den Klimawandel: Frische Ideen statt alter Köpfe

Ole Wintermann
4 min readMar 2, 2019

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Alt ist man erst, wenn man nicht mehr neugierig und veränderungsbereit ist. Diese Aussage, die ich mal vor einigen Jahren von einer Politikerin zu hören bekommen habe (sie war sicher nicht die Erste, die zu dieser Erkenntnis gelangt ist), ist nach wie vor gültig. Leider fühlt sich nicht jede ältere Person verpflichtet, sich selbst in dieser Weise infrage zu stellen. In einer sich immer schneller verändernden VUCA-Welt und einer Welt, deren Hauptaufgabe in den nächsten Jahrzehnten der Kampf gegen den #Klimawandel sein wird, in der aber nach wie vor ältere Entscheiderinnen (generisches Femininum, Männer sind mitgemeint) den Ton angeben, täten wir aber gut daran, genau dies einzufordern.

Foto: Ole Wintermann

Greta Thunberg macht genau dies und erzeugt damit die vorhersehbaren Gegenreaktionen der Vertreterinnen der Entscheiderinnenelite, die durch die Aufrufe der Jugendlichen aus Schweden bereits “das System” gefährdet sehen. Während Greta Thunberg in Hamburg einer vierstelligen Zahl von Schülerinnen ein norddeutsch-sympathisches “Moin” entgegenruft und die Herzen ihrer Mitstreiterinnen erobert, postet der VW-Konzern am gleichen Tag ein Tweet, in dem in einem 9-sekündigen Filmschnipsel gezeigt wird, wie Konzernlenker Diess sich mit einem Auspuffauto stolz durch einen Wald pflügt und darauf hingewiesen wird, dass der Lenker höchstselbst (!!) dieses Auto steuere.

Der Gegensatz der Werte, der sich hiermit zeigt, wird in Zeiten des Klimawandels perspektivisch zu einem Generationenkonflikt führen, der das demokratische System in den nächsten Jahrzehnten bis an die Grenzen der Belastbarkeit bringen wird. Denn: Wie schon in den 1960er Jahren werden diese Jahrzehnte von einem Kulturkonflikt gekennzeichnet sein. Dieser Kulturkonflikt ist dieses Mal aber nicht begrenzt auf demokratische Systeme, auf einen kleinen Zeitraum oder “nur” die Meinungsfreiheit; dieses Mal geht es um das Überleben unserer menschlichen Gesellschaft und damit um ein Problem, das sich nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums lösen lassen wird. Und daher werden dieses Mal grundsätzliche Prinzipien den menschlichen Miteinanders neu ausgehandelt werden müssen. Wenn ungeregelter Autoverkehr, Fleisch”produktion”, maßloser Konsum von Kleidung, Fernreisen, das Fördern fossiler Brennstoffe als größte CO2-Quellen gelten dürfen, wie ist es dann um die vermeintliche persönliche Freiheit der Menschen, die sich dafür verantwortlich zeichnen, bestellt? Sind Fernreisen oder Rasen auf der Autobahn Ausweis von individueller Freiheit oder zeugen sie nicht eher (wie ehedem bei der Diskussion um die Einführung des Nichtraucherschutzgesetzes) von der als individuelle Freiheit verbrämten Rücksichtslosigkeit der handelnden Akteurinnen gegenüber den Mitmenschen, die einer nachhaltigeren Lebensweise folgen?

Es wäre ein leichtes, die durch diese Rücksichtslosigkeit entstandenen CO2-Kosten den Verursacherinnen aufzubürden und damit zu zeigen, dass die Freiheit des Konsums an den Erhalt der Lebenswelt der Mitmenschen grenzt. Das Entfernen einer Tonne CO2 aus unserer Atemluft kostet nach aktuellen Schätzungen ca. 232 Dollar. Bei einem kurzen Flug-Trip in die USA und zurück ergeben sich pro Kopf CO2-Emissionen in Höhe von 7,3 Tonnen. Dem entsprechend müssten zu dem Flugpreis eines Rückflug-Tickets von gerade einmal ca. 750 Euro (beispielhafte Angaben via Expedia.de für Mai/Juni von FFM nach NYC) 1.693 Dollar hinzugerechnet werden. Bei einer “richtigen” Fernreise ergäben sich natürlich nochmals höhere Preise. Die Verpflichtung, diese höheren Preise zu zahlen, wären dann die “Einschränkung” der persönlichen Freiheit. Wollen wir also das umweltzerstörende Verhalten von einzelnen weiter gesellschaftlich und finanziell subventionieren oder nicht besser diese übermäßige Konsumfreiheit im Interesse aller Menschen hinterfragen?

In der Gastronomie gibt es bereits tolle Beispiele der Berechnung von Kosten, die sich durch den Konsum der angebotenen Produkte ergeben. So hat die schwedische Burger-Kette “Max Burger” im Jahre 2018 einen Bericht zum CO2-Abdruck des eigenen Unternehmens vorgestellt. Aus diesem wird beispielsweise ersichtlich, dass über 50% der Gesamtemissionen des Unternehmens allein aus der “Produktion” von Fleisch herrühren. Nachdem man jahrelang in den Menükarten der Burger-Kette die CO2-Emissionen jedes einzelnen Gerichts nachlesen konnte, hat das Unternehmen bekannt gegeben, nunmehr sogar als ganzes klimapositiv zu produzieren. Gleichzeitig baut man die Sparte der veganen/vegetarischen Burger kontinuierlich aus.

Beide Beispiele zeigen, dass es bereits heute ein Leichtes wäre, ein umfassendes Klimamanagement in das marktwirtschaftliche System zu integrieren. Die Digitalisierung der Produktion und damit die Nutzung von Daten, die den Herstellungsprozess komplett abdecken, wird diese Möglichkeit erweitern, sollte es doch damit bald möglich sein, den CO2-Fußabdruck jedes Produkts und jeder wirtschaftlichen Tätigkeit darzustellen.

Um diesen Wandel zu bewältigen benötigen wir nur eines; offene und neugierige Managerinnen, die sich nicht darin gefallen, mit einem Auspuffauto durch die Natur zu pflügen sondern nach Wegen suchen, eine solch nachhaltige Wirtschaft zu entwickeln. Und das Alter darf eben keine Rolle spielen und keine Entschuldigung dafür sein, dass man sich mental nicht bewegt.

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