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Klimakrise: Die Generation 50Plus ist gefordert

Baby-Boomer: Kommentieren statt handeln

Ole Wintermann

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Voller Häme findet im Moment in Teilen der konservativen Presse eine Diskussion über die Frage statt, wie konsequent denn die bei den #FridaysForFuture aktiven Jugendlichen bei den eigenen Konsumentscheidungen seien (eine Verlinkung spare ich mir, da diese entweder zu Bezahlmauern oder zu selbstgefälligen Kommentaren eitler älterer Redakteure führt). Es ist demnach so, dass die Generation, die zu sehr großen Teilen an der Klimakrise schuldig ist, die Ernsthaftigkeit der Generationen, die mit den eventuell lebensbedrohlichen Folgen der Klimakrise befasst sein wird, infrage stellt. Ich finde dies erbärmlich.

Alternativ würde ich meiner (knapp unterhalb der Baby-Boomer verortet) und der Baby-Boomer Generation mal empfehlen, den eigenen Alltagskonsum kritisch zu hinterfragen. Sein eigenes Verhalten zu hinterfragen und zu ändern, ist keine Frage des Alters. Ganz im Gegenteil hätten diese Generationen ja eigentlich eine besondere moralische Verpflichtung dazu.

Sei die Veränderung, die du erreichen willst

Um die Veränderung zu bewirken, die man einfordert, soll man immer bei sich selbst anfangen: Wir haben bei uns zuhause, seitdem wir letztes Jahr die schwedischen Waldbrände hautnah mitbekommen haben, viele Gewohnheiten auf den Kopf gestellt. Dank vegan lebender Familienmitglieder und ihrer Tipps war es für mich kein großer Sprung mehr, keinerlei Fleisch zu essen. Da wir zudem an einer der Anlieferrouten der Fleischfabrik Tönnies wohnen und die täglichen Masse an Tieren, die dorthin gebracht werden, vor Augen haben, hat auch dies einiges zu dieser Entscheidung beigetragen. Ich selbst habe übrigens als Kind das Schlachten noch persönlich mitbekommen und kann nur sagen: Auch wenn es zuvor eine tierfreundliche Haltung gegeben hat, steht am Ende doch das widerliche Töten von Leben. Warum sollte ich dies unterstützen?

Hafermilch und allerlei vegane Brotaufstriche haben daher seitdem den Weg in unseren Kühlschrank gefunden. Auf exotische Nahrungsmittel (nicht nur Früchte aus Südamerika oder Afrika sondern auch Erdbeeren aus Spanien) verzichten wir komplett, um CO2-Emissionen und dem Import grauen Wassers zu vermeiden. Kleidung, die in ihrer Herstellung etliches an Wasser und Umwelt verbraucht, haben wir noch nie intensiv gekauft. Mit dem im beruflichen Kontext dadurch manchmal erlebten Sarkasmus („Ihr Anzug knittert ja schnell. Kaufen sie sich doch mal einen neuen.“) kann ich sehr gut leben. Alltagsgegenstände erwerben wir soweit es geht über Flohmarktplattformen. Rasen im Wohnumfeld wurde durch eine Blumenwiese ersetzt, Nistkästen wurden angelegt. Zur Zeit überlegen wir, nach tollen Tipps einer Kollegin einen Bienenstock anzuschaffen. Einwegflaschen wurden durch Wasser aus der Leitung ersetzt. Tee wird nur als biologisch angebauter und fair gehandelter Tee genutzt.

Klimasünder Auto stehenlassen!

Ganz maßgeblich war allerdings die Umstellung von der Nutzung eines Autos auf die konsequente Nutzung des Fahrrads. Auf diesem Wege bin ich in den letzten ca. 3 Jahren 8.500 km mit dem Rad gefahren und habe damit allein ca. 1,2 Tonnen CO2 eingespart. Erst heute wieder sind wir von einem kurzen Einkauf in Bielefeld gewesen und haben mit dem Rad dafür 50 km zurückgelegt. Ist man ersteinmal in Übung, so haben auch diese Entfernungen ihren Schrecken verloren. Somit war es dann nur konsequent, als wir vor einiger Zeit einen Radanhänger angeschafft haben (s.a. Foto), mit dem wir nun Wocheneinkäufe bis zu einem Gewicht von 40 kg erledigen können. Bisher haben wir dieses Gewicht noch nie überschritten. Dem entsprechend ist der letzte Wocheneinkauf mit dem Auto inzwischen etliche Wochen her. All diese Änderungen sind weit davon entfernt, perfekt oder abschließend zu sein. Wir sind aber der Meinung, dass wir nicht mehr auf schwerfällige Politik warten können, die sich in Deutschland vielleicht irgendwann dazu durchringen wird, auf Diesel, Braunkohle und russisches Gas zu verzichten sowie andere Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele von Paris umzusetzen.

50Plus: Seid ein Vorbild für eure Kinder und Enkel

Diese Beispiele sollen allen Menschen in einem Alter von 50Plus zeigen, dass eine Veränderung des eigenen Verhaltens ohne Probleme möglich ist — wenn es die Gesundheit zulässt und der Wille vorhanden ist. Inzwischen fällt es mir beispielsweise grad mit dem Blick auf die Nutzung des Fahrrads schwer nachzuvollziehen, wieso man innerhalb einer kleinen Stadt wie Gütersloh überhaupt ein Auto benötigt (Sonderfälle wie die Kinderbetreuung, schlechte Gesundheit, Versorgung von Älteren, strömender Regen, Glatteis et al. mal außen vor gelassen), um innerhalb der Stadt von A nach B zu kommen. Es ist die Bequemlichkeit, die jenseits der 50 zuschlägt und uns faul und bequem werden lässt. Und vielleicht liegt genau hier der Nutzen und die Lehre, die wir Älteren aus den Protesten der Jugendlichen ziehen können; es ist nie zu spät, den Versuch zur Verhaltensänderung zu wagen, sich selbst kritisch zu hinterfragen und aus seiner persönlichen Komfortzone, in der man es sich die letzten 50 Jahre bequem gemacht hat, herauszukommen.

Also: Wann fängst du an, deinen Alltag klimafreundlicher zu gestalten?

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