YouNow frisst Deine Kinder!

Oder auch nicht. Eine Einschätzung.

Philipp Steuer
4 min readFeb 28, 2015

Liebe Eltern, Vorsicht: Da draußen gibt es ein neues Monster, das eure Kinder fressen wird. Es heißt YouNow, ist eine Live-Streaming-Plattform und verführt reihenweise unter 14 Jährige dazu, intime Details aus ihren Kinderzimmer preiszugeben.

So oder so ähnlich lese ich es in den letzten Tagen immer wieder in den diversen und bekannten Online-Medien. Doch woher kommt das Monster? Ist es wirklich so schlimm? Und was lässt sich damit verdienen? Aufgrund der aktuellen Euphorie wollte ich gern über diesem Weg meine Meinung zu diesem Thema loswerden.

YouNow? Mädels, bitte bitte, passt auf was ihr da sagt!

Ein bisschen muss ich schmunzeln, denn in der YouTube-Szene wurde auf die Brisanz der Plattform bereits am 11.01.2015 aufmerksam gemacht.

Der liebe ToonCraft veröffentlichte ein Video, indem er bestürzt und vollkommen zurecht an alle “Kinder” appellierte, unter keinen Umständen sämtliche private Informationen über YouNow zu veröffentlichen.

Auch ich machte bereits “damals” am 15.01.2015 auf das Problem in diesem Video aufmerksam:

Danach wurde es ein bisschen ruhiger um die Plattform, bis — wie oben bereits angesprochen — vor wenigen Tagen. Woher die plötzliche Empörung in meiner Timeline kommt, ist mir schleierhaft, hat mich jetzt aber doch dazu gebracht, meine Gedanken zu dem Thema zu veröffentlichen.

Woher kommt das Monster?

2011 wurde YouNow von Adi Sideman gegründet. Nutzer können dort Livestreams anbieten und sich entsprechend vor der Kamera präsentieren. Lange Zeit war die Plattform vollkommen uninteressant, bis YouNow ein attraktives Partner-Programm vorstellte und damit sämtliche großen YouTuber in meinem Freundes- und Sichtkreis ködern konnte. Warum? Weil es ziemlich einfach ist, dort mit wenig Aufwand Geld zu verdienen.

Die Fans von größeren YouTubern reißen sich im Chat der Streams um die Aufmerksamkeit ihrer “Stars”. In der App kann man virtuelle Goldbarren für wenige Euros kaufen, diese dann im Stream ausgeben um anschließend als Top-Fan angezeigt und vom YouTuber wahrgenommen zu werden. Je mehr Goldbarren die Zuschauer ausgeben, desto mehr Geld kommt beim Stream-Veranstalter an. In einem konkreten Fall haben Freunde mit einer großen Reichweite ohne viel Zutun problemlos 100 Dollar in der Stunde verdient. Für wenig Aufwand keine schlechte Bezahlung, oder?

Was macht es mit unseren Kindern?

Durch die von den hierzulande vorwiegend durch YouTubern losgetretene Aufmerksamkeitswelle wurde eben auch viele junge Menschen angelockt und mit der Funktionsweise von YouNow vertraut gemacht.

Genau wie bei allen anderen sozialen Netzwerken, in denen einzelne Personen eine hohe Reichweite haben, eifern auch auf YouNow zahlreiche Kinder ihren Vorbildern nach und starten LiveStreams.

Ein beliebter Hashtag: #deutsch-girl, unter dem man problemlos junge Mädchen finden kann.

Und da wird es brenzlich, denn auch ziemlich junge Menschen starten Streams aus ihrem Kinderzimmer, in denen sie über ihren Alltag sprechen. Was sie heute erlebt haben. Wo sie zur Schule gehen. Oder wo sie wohnen.

Ich selbst habe mehrfach genau solche Streams gesehen und ja, es gibt sie wirklich und sie sind keine Erfindung der Medien. Falls es euch interessiert: hier kommt ihr zur Übersicht aller aktiven Streams unter dem Hashtag #deutsch-girl (was sich dahinter verbirgt, könnt ihr erahnen).

Zeig doch mal deine Beine!

Die Gefahren, die sich dadurch ergeben, sind klar: Aufgrund des jungen Alters sind unter den Zuschauern kranke Geister, die die Kinder auffordern, “mehr” von sich zu zeigen. Teilweise erpressen sie sie sogar damit, dass sie — wenn die Jugendlichen der Aufforderung nicht nachkommen — den Stream verlassen werden. Manche Kinder geben dem nach.

Ist YouNow alleine Schuld?

Wenn man die von mir geschilderten Eindrücke oben liest, könnte man diese Frage schnell und leichtfertig mit JA beantworten und die ganze Schuld auf die Plattform schieben. Ja, YouNow hat ewig dazu geschwiegen und musste jetzt selbst zugeben, dass man aufgrund des explosionsartigen Wachstums die Kontrolle über die eigene Plattform verloren habe. Daran will man nun aber arbeiten.

Soweit so gut. Da hat jemand die eigenen Fehler erkannt, was ich gut finde. Ob es demnächst wirklich mehr Kontrolle gibt, bleibt jedoch abzuwarten.

Fehlende Medienkompetenz

Was ich aber bei der ganzen Thematik als noch viel fataler sehe, ist die fehlende Medienkompetenz der Eltern und ihrer Kinder. Die Eltern wissen gar nicht, was der eigene Nachwuchs im Kinderzimmer treibt. Die Kinder hingegen haben keine Ahnung, wie weit sie gehen können oder sollten. Und die Schulen ignorieren nach wie vor die Veränderungen der digitalen Welt. Meine kleine Schwester legte mir lediglich einen Brief an die Eltern vor, in dem die Schuldirektorin darauf hinwies, dass Smartphones im Unterricht auszuschalten sind. GRANDIOS! Damit wird man sicherlich die Wende herbeiführen. Nicht.

tl;dr

Der ganze Aufschrei zeigt mal wieder, wie lang der Weg für uns alle noch sein wird, bis wir dieses Internet und seine mögliche Gefahren verstehen werden. YouNow bietet sämtliche Funktionen, mit denen sich jüngere Menschen in den digitalen Abgrund stürzen können. Das bieten aber andere Netzwerke auch und genau deshalb sollte man in meinen Augen nicht nur die Schuld bei der Plattform selbst, sondern auch vor allem in der fehlenden Medienkompetenz von Jung und Alt suchen.

Wenn dir der Beitrag gefällt, würde ich mich freuen, wenn du nachfolgend auf den “Recommend”-Button klickst, um ihn deinen Freunden zu empfehlen.

--

--

Philipp Steuer

Marketing Liebhaber. Buchautor. Läufer. Optimist. Menschenfreund. 100% Pflanzlich. Hundevater.