Einsatzempfehlungen für CO2-Ampeln zur Kontrolle der Raumluft während der COVID-19 Pandemie

Rainer Winkler
6 min readAug 27, 2020

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Grundlagen

Inzwischen gilt für COVID-19 als gesichert, dass die Übertragung über die Luft ein wesentlicher Infektionspfad ist. Siehe dazu den Situationsbericht des RKI. Seit dem 18. August wird im Kapitel Übertragung geschrieben:

Eine daraus folgende Maßnahme ist die Verbesserung und Kontrolle der Raumlüftung. Mit infektiösen Aerosolen angereicherte Luft wird durch Aussenluft ersetzt.

CO2 als Indikator für die Raumlüftung

CO2 wird durch die Atmung von Menschen in die Raumluft abgegeben. Die abgegebene Menge CO2 steht dabei im Verhältnis zur Anzahl der Personen und ihrer Aktivität (Der Höhe des Energieumsatzes).

Jede Person gibt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ansteckende Aerosole ab. Diese Menge steht im Verhältnis zu Anzahl der Personen, der Aktivität (Vor allem ob gesprochen, gesungen oder gelacht wird) und den eingesetzten Maßnahmen zum Atemschutz.

Durch Lüftung werden sowohl CO2 als auch Aerosole aus einem Raum entfernt. Die Konzentration von CO2 kann daher als Maß dafür genommen werden, mit welcher Menge ansteckender Aerosole zu rechnen ist.

Empfehlungen für CO2-Ampeln

Die REHVA (The Federation of European Heating, Ventilation and Air Conditioning associations) gibt auf Ihrer Informationsseite zu COVID-19 speziell für Schulen die Empfehlung, dass eine CO2-Ampel ab 800 ppm gelbes und ab 1000 ppm rotes Licht ausgeben sollte. Die CO2-Ampel soll an sichtbarer Stelle im Klassenraum entfernt von Frischluftöffnungen aufgestellt werden. Diese Empfehlung gilt für Klassenräume bei denen die Lüftung von der Öffnung von Fenstern oder ähnlichem abhängt.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfiehlt in der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel die Qualität der Lüftung durch eine CO2 Messung zu überprüfen. Eine CO2-Konzentration von 1000 ppm wird als noch akzeptabel bezeichnet. Dieser Wert sollte möglichst unterschritten werden.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Ein Preprint von Zhe Peng und Jose L Jimenez “Exhaled CO2 as COVID-19 infection risk proxy for different indoor environments and activities” untersucht die komplizierte Beziehung zwischen der CO2 Konzentration und dem Infektionsrisiko. Siehe auch den erklärenden Tweed von Jose L Jimenez.

Figure 1 — Zusätzliche CO2 Volumen-Konzentration (ppm) welche eine nicht infizierte Person für eine Stunde einatmet für eine Infektionswahrscheinlichkeit von 0,01% (Links). Wahrscheinlichkeit einer Infektion für ein zusätzliches ppm CO2 mehr welches in einer Stunde eingeatmet wird. Jeweils für A Varianten einer Universitätsklasse, B verschiedene Aktivitäten und C unterschiedliche Umgebungen in geschlossenen Räumen. (Aus Peng und Jimenez 2020).

VOC und eCO2

Die Qualität der Raumluft kann auch durch Messung des VOC Wertes (VOC steht für Volatile Organic Components) beurteilt werden. Derartige Geräte sind oft billiger als CO2-Messgeräte. Viele dieser Geräte rechnen den VOC intern in einen sogenannten eCO2 (Estimated CO2, CO2 Äquivalenzwert) um.

Mir sind keine Empfehlungen zu VOC Werten im Zusammenhang mit COVID-19 bekannt. Dementsprechend kann ich auch keine Aussagen zu den empfohlenen eCO2 Werten machen.

Einige Geräte auf dem Markt welche VOC (Oder TVOC) messen, geben an auch CO2 messen zu können. Diese Angabe ist falsch, da diese Geräte nur den eCO2 Wert anzeigen.

Um zu erkennen ob ein gekauftes Gerät statt CO2 zu messen, einen eCO2 Wert aus dem VOC Wert errechnet, kann wie folgt vorgegangen werden.

Ein Glas mit frischem sprudelnden Mineralwasser wird zusammen mit dem Messgerät in eine kleine Tüte gestellt. Nach wenigen Minuten werden mehrere Tausend ppm CO2 erwartet. Ein selbstgebautes CO2-Messgerät (Simple Design) zeigt in dem abgebildetem Versuch nach 20 Minuten 5000 ppm an (Da der Messbereich überschritten wurde)

Das Luftqualitätsmessgerät JSM-131 gibt an, dass es angeblich CO2 misst. Wird es ebenso in eine Tüte mit Mineralwasser gestellt, ändert sich der angezeigte eCO2 Wert nicht nennenswert.

Kaufbare CO2-Messgeräte

Echte CO2 Messgeräte sind ab ca. 100 Euro erhältlich. Billigere Geräte geben oft an, dass sie CO2 messen. Stattdessen geben sie den eCO2 Wert (Siehe oben) an. Ich vermute, dass fast jedes günstige Gerät welches vorgibt CO2 zu messen immer dann eCO2 ausgibt, wenn angegeben ist, dass der VOC oder TVOC Wert gemessen wird.

Günstiger sind reine Sensoren, die teilweise mit geringem Aufwand als Messgerät genutzt werden können (Siehe unten).

Im Blog von Dirk Paessler zu CO2-Messungen bei Corona werden einzelne Geräte getestet.

Selbstbau CO2-Messgeräte

Ein günstiger CO2-Sensor wie der MH-Z19B ist für ca. 20 Euro kaufbar. Der Sensor hat einen Spannungsausgang. Mit einem zusätzlichen Spannungsmessgerät kann ohne Löten damit schnell und einfach ein CO2-Messgerät aufgebaut werden.

Eine genauere Beschreibung befindet sich auf Github im Repository CO2-Measurement-simple.

Weitere Selbstbauanleitungen sind im Internet findbar. Gegebenenfalls sollten die Grenzwerte für die Ampeln angepasst werden.

CO2-Sensoren

Auch bei den Sensoren scheint es vorzukommen, dass angeben wird, dass ein VOC-Sensor auch CO2 erkennt. Das scheint z.B. beim Gassensor MQ-135 der Fall zu sein. Im Datenblatt wird nur im Abschnitt Application angegeben, dass der Sensor geeignet ist CO2 zu erkennen. Weiter unten wird aber nicht mehr explizit auf CO2 eingegangen.

Die folgende Aufzählung ist subjektiv und beschränkt sich auf günstige Sensoren, da ich erwarte, dass diese eher in hohen Stückzahlen verfügbar sind.

Ein weit verbreiteter günstiger CO2 Sensor ist der MH-Z19B der sich wie oben beschrieben leicht zu einem CO2-Messgerät erweitern lässt.

Der MH-Z14A hat ebenfalls einen Spannungsausgang und sollte sich daher leicht ohne zusätzlichen µC auslesen lassen.

Der Telaire T6703 CO2 hat keinen Spannungsausgang, benötigt daher einen µC zum auslesen.

Der MG811 benutzt anders als die vorstehenden Sensoren keine Infrarotstrahlung sondern ein “solid electrolyte cell principle” und hat einen Spannungsausgang.

Und so weiter …

Erfahrungen mit CO2 Messungen

Folgendes ist mir aufgefallen (Siehe auch CO2-Measurement-simple):

  • Gegen das Messgerät atmen. Manchmal zeigt ein CO2 Messgerät für einige Zeit höhere Werte an. Das passiert wenn das Gerät in der Nähe der ausgeatmeten Luft ist. Das die ausgeatmete Luft ca. 40.000 ppm CO2 enthält, kann es schnell passieren, dass das Gehäuse oder die Messkammer dadurch mit CO2 angereicherter Luft gefüllt wird.
    Es empfiehlt sich daher eine CO2-Ampel entsprechend aufzustellen
  • Hintergrund CO2-Konzentration. Je nach Wetter und Umgebung sehe ich manchmal eine CO2-Konzentration im Freien von 500 bis 600 ppm. Für weitere Informationen z.B. im Internet nach “CO2 Dome” suchen oder mit http://www.co2science.org/subject/u/urbanco2dome.php beginnen.
    Dies sollte berücksichtigt werden, wenn (a) eine Kalibrierung des Sensors durchgeführt wird oder (b) die CO2-Konzentrationen in einem Raum bewertet wird.

Weiterführende Literatur

Der Leitfaden für Schulen der REHVA (Verlinkt auf der Informationsseite zu COVID-19).

Verwandte Blogs

Der Blog von Dirk Paessler zu CO2-Messungen bei Corona hat mir bei der Erstellung dieses Dokumentes sehr geholfen.

Ich freue mich über Kritik und Verbesserungsvorschläge in den Kommentaren.

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