Warum der neue Smart eine Enttäuschung ist

innovativ ist man nur solange einen der Mut nicht verläßt

Robert Basic
5 min readJul 21, 2014

Auf der Automesse in Detroit 2012 wurde ein aufregendes Showcar von Smart vorgestellt: Der “smart for-us”. Ein außergewöhnliches Design gepaart mit tollen Funktionen, einem wegweisenden Design und das auch noch als Pickup!

Foto von Autoviva auf Flickr Lizenz CC BY 2.0

Foto von Mike Chino auf Flickr, Lizenz CC BY 2.0

Regelbrecher 2012

Wie hieß es damals vollmundig? “Er ist ein Regelbrecher, der die Welt auf den Kopf stellt”, sagt Smart … “Meine Tochter würde den Kleinen lieben. Ideales Auto für mein Surfbrett”, sagt er. Arzt Johnathan (42) möchte sogar seine Corvette gegen den Smart tauschen: “Weil er so auffällig ist. Weil er nach Miami passt. Und weil er den Frauen gefällt.” (Autobild).

Ich weiß es selbst, hatte ich ihn damals auf der Automesse vor mir gesehen. Und auch die Reaktionen der Journalisten erlebt. Es war mehr oder minder das elektrische Showcar auf der Messe, umgeben von PS Benzin-Monstern und Luxuskarren. Klein, innovativ, anders. Und es war sogar die Sprache davon, ob man nicht vielleicht Teile der Außenhaut beliebig auswechseln könnte, wie eine Art Handyschale. Es war eine aufregende Studie, kackfrech und anders eben, in so vielen Details. Passend zum 21. Jahrhundert, die Vielfalt und Individualität der Menschen spiegelnd.

Es gab ein weiteres smart-Showcar, der smart forstars mit ähnlichen, rotzfrechen Ansätzen, der auf der Pariser Motorshow ebenfalls 2012 präsentiert wurde und auf der Architektur des smart for-us basierte.

Fotos von Michael Gil (Bild 1, CC by 2.0) und Dave Pinter (Bild 2, CC BY-NC-ND 2.0) auf flickr.

Regelbrecher 2013

Auf der IAA 2013 sank dann die Mutkurve, aber der smart fourjoy war immer noch aufregend genug, um zu hoffen.

Konformist 2014

Wir schreiben das Jahr 2014, Mittwoch, den 16. Juli. Aus den mutigen, regelbrecherischen Ansätzen wurde ein Kleinwagen, den man zwar nicht an jeder Ecke bekommen kann, der immer noch ein bisschen anders als die Masse der Autos ist. Aber der Mut zur Innovation ist dahin. Nein, es ist kein schlechtes Auto, es sieht interessant aus, nicht mehr so veraltet im Aussehen und Interieur wie der alte smart. Er fährt sich sicherlich auch besser. Aber wenn Frau Dr. Annette Winkler als smart-Chefin während der Präsentation nicht mehr als den Rekordwendekreis von irgendwas mit 6 Metern audrücklich betonen kann und förmlich aus dem Häuschen ist, frage ich mich, wann sie der Mut verlassen hatte. Wann smart die Flügel gestutzt wurden. Wann die Controller von Daimler und der Vorstand in den alten Trott verfielen, ein mutloses Auto mit eben dem bekannten “wir machen es besser, aber bitte nicht zuviel Risiko und Gaga” Attitüde absegnen ließen.

Sie hatten die Chance, der Weltöffentlichkeit ein Auto vorzustellen, das als erstes Auto überhaupt im 21. Jahrhundert endlich zeigt, was Ingenieure wirklich können, mit Mut und einem Paket, das den Zeitgeist atmet. Und einem den Atem raubt, was wirklich ginge. So ist eben nur ein schnuckeliger, ganz netter Kleinwagen geworden. Kein bahnbrechendes Außen- und Innenkonzept. Mit einem Benzinmotor ausgestattet, anstatt gleich einem Elektromotor. Kein Auto, dessen Sitze man beliebig herausnehmen kann. Kein Platz für Fahrräder, kein Surfbretter. Keine Außenhaut, die man beliebig austauschen könnte. Scheiß auf Kratzer und Dellen. Geh in den Superautomarkt und hol Dir halt eine neue Haube. Die alte ab in den Kunstoffcontainer zum Recyclen. Oder tausche halt Deine Sitze mit dem des Nachbarn. Kein radikal reduzierter Innenraum, den man belasten kann mit sorgloser Verschmutzung. Wir sind vernetzt, das Auto ist es nicht. Smarts die miteinander reden, die Fahrer ins Erleben miteinbinden? Wo auch immer man ist, am Strand, bei der Party, beim Chillen? Geht nicht. Lebende Maschinen? Der Verstand sagt: Geht nicht, weil Gesetze, Pflichten, Kasse… ach Mann, das ist so langweilig!

Ach, Daimler, ach, smart. Du hattest eine so großartige Chance, ein wirklich radikal innovatives Ding hinzuschmettern in eine Zeit hinein, die vor Urbanität und radikaler Individualität und Kreativität aus allen Nähten platzt. Ihr seid eben “nur” ein großartiger Premiumhersteller, der Premium kann, aber den Mut Eurer Gründungsväter werdet Ihr weiter suchen müssen. BMW lässt mit dem i3 und i8 grüßen!

Was bleibt? Ein Kleinwagenkonformist

Ihr werdet womöglich Erfolg haben, was die $$$-Kassenbefüllung angeht. Eure Shareholder werden glücklicher. Ok. Business as usual. Aber ist das wirklich alles? Mehr ging nicht?

Ich hätte Euch gerne besungen
Wenn man so will
Bist du das Ziel einer langen Reise
Die Perfektion der besten Art und Weise
In stillen Momenten leise
Die Schaumkrone der Woge der Begeisterung
Bergauf, mein Antrieb und Schwung

Ich wollte dir nur mal eben sagen
Dass du das Größte für mich bist
Und sichergehen, ob du denn dasselbe für mich fühlst
Für mich fühlst

Träum bitte wieder, das wünsche ich Dir, Frau Winkler und Deinem Team! Autos sind eben nicht nur Beförderungsmittel wie eine U-Bahn oder ein Stadtbus. Sie sind Ausdruck der persönlichen Werte und Lebensgestaltung. Das vergessen Automobilhersteller in der letzten Konsequenz und im Suchen nach dem Mittelweg leider nur zu schnell.

http://youtu.be/NZTMaulLltU

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