Natural Conversational User Interface

Transformationsprozesse zur konversationsgesteuerten Mensch-Maschine-Interaktion aus gestalterischem Blickwinkel.

Robert Leonard Mayer
5 min readNov 6, 2019
Abb.1 Meilensteine der MMK

Die Entwicklung von Sprachassistenten wurde in den vorangegangenen Abschnitten aus Sicht des „Systems Mensch“ sowie des „Systems Maschine“ betrachtet, im Folgenden wird der Fokus auf den Prozess der Interaktion und die Gestaltung gerichtet. Denn während sich beispielsweise die Leistungsfähigkeit der Prozessoren mehr oder weniger kontinuierlich steigert (Moores LAW[1]), verläuft der technologische Fortschritt bei der Entwicklung von Interfaces zwischen Mensch und Computer keinesfalls konstant, sondern eher in Phasen. Neue Formen der Interaktion ersetzen nicht zwingend Vorangegangene. Sie verbleiben häufig in ihrer „Nische“, in der sie von Beginn an erfolgreich etabliert wurden, wohingegen andere, weniger umkämpfte Nischen von neuen Interaktionssystemen besetzt werden. Es existiert also keine kontinuierliche evolutionäre Weiterentwicklung von Interfaces, sondern ein parallel verlaufendes, sprunghaftes technologisches Fortschreiten (Abb.34). [2] Im Folgenden sollen diese Phasen beschrieben und über die Erweiterung eines natural, conversational User Interfaces diskutiert werden.

Command-Line Interface

Comand Line Interfaces (CLIs) sind textbasierte Eingabezeilen basierend auf dem Binärsystem. Zu Beginn der Computer Ära mussten Nutzer die benutzbaren Textbefehle exakt wiedergeben, um eine Reaktion des Computers zu erzeugen. Die Textbefehle besitzen dabei nur wenig Zusammenhang mit natürlichen Sprachsystemen und müssen von jedem Nutzer erlernt werden, um eine Bedienung zu ermöglichen. CLIs sind somit kodifiziert, strikt und statisch.[3]

Graphical User Interface

Mit der Einführung des Apple Macintosh im Jahr 1984, begann die Ära des Heim-Computers(Abb.1). Graphische User Interfaces ermöglichen durch Eingabegeräte, wie Maus und Tastatur eine im weitesten Sinne erforschbare Benutzung von Computern. Der Nutzer kann selbst die Grenzen des Systems erkunden, Dinge ausprobieren und erhält zusätzlich graphisches Feedback. Icons, Menüs und andere visuelle Indikatoren geben dabei Information wieder und steuern die Interaktionsmöglichkeiten. Auch Endnutzer ohne technischen Expertise können so auf die Möglichkeiten des Computer zurückgreifen.[4]

Abb. 2 Macintosh Moment

Natural User Interface

Die Jahrhundertwende markiert die Entstehung von neuen Interface Systemen, wie Bedienungsoberflächen über Berührung, Interaktionen über Sprache, Gestensteuerung und sogar die Kontrolle über Gedanken.Diese können als Natural User Interface (NUI) zusammengefasst werden. Der Begriff „Natural“ wird oft als Nachahmung der “realen Welt“ missinterpretiert. Das natürliche Element im NUI bezieht sich nicht das Interface, sondern auf die Erfahrung und das Gefühl des Nutzers bei der Bedienung des Produktes, also was sie tun und wie sie es bei der Bedienung benutzen. Ein NUI spiegelt die Fähigkeiten und Befürfnisse des Nutzers wieder, indem es seine Möglichkeiten voll ausschöpft und sich individuell an Aufgabe und Kontextanforderungen anpasst. Erfahrene Nutzer sollten also ihr volles Potenzial, effizient in das System einfließen lassen können, wohingegen unerfahrene Nutzer schnell und mit geringem Lernaufwand an ein passables Ziel kommen. Die Stärken von NUIs basieren auf den Fragestellungen:

Was wird erleichtert?
Wie werden die Dinge erleichtert?
Wie wird die Technikinteraktion geformt?
In welchen Nischen passen sie?
Sind diese Nischen bereits von traditionellen GUIs belegt
?

Über die letzten zehn Jahre haben sich NUIs immer differenzierter entwickelt und sind damit immer ausgereifter geworden. Die vorherrschenden Interaktion der NUIs über ein graphischen Touch-User-Interface(TUI), zum Beispiel bei Smartphones, Tablets oder andern Touchscreens spaltet sich im Zuge der technologischen Verbesserung immer stärker auf. Das Voice-User Interface(VUI) übernimmt Nischen in denen Sprache einen Vorteil gegenüber dem TUI besitzt, zum Beispiel beim Kochen oder im Auto. Gleichen gilt für Gestensteuerung z.B. im Zuge der virtuellen Realität.(Abb.3) Je besser die Interfaces dieser Technologien also werden, umso mehr Nischen können sie auch besetzten.

Abb.3 Minority Report — Gestensteuerung

Natural Conversational User Interface

Mit der Entwicklung zu Advanced User Assistance Systemen(AUAS) entsteht das Natural Conversational User Interface (Abb.4). Konversationsfähige VUIs das Potenzial den Großteil der Mensch-Maschinen-Interaktion zu übernehmen, TUIs rücken zurück in vereinzelte Nischen. Eigenschaften des Conversational Interfaces sind dabei:

  • Kontextbewusst; Die Möglichkeit auf eine Kontextveränderung zu reagieren, ist einer der fundamentalen Unterschiede zwischen Dokumenten und Konversationen.
  • Zielorientiert; Eine erfolgreiche Interaktion hilft beiden Seiten ihre Ziele auf effiziente und angenehme Weise zu erreichen.
  • Kooperativ; Systeme, die aktiv und kooperativ den Kunden unterstützen und mit ihm interagieren, erfordern keinen besonderen Aufwand, wie zum Beispiel spezielles Wissen oder Computerkenntnisse.
  • Höflich & Respektvoll; Höfliche und respektvolle Kommunikation kommt dem Nutzer entgegen, ohne ihn von seinen eigenen Zielen abzubringen oder abzulenken.
  • Antizipatorisch & Proaktiv; Durch Vorausplanung und zielgerichtetes Handeln kann die Interaktion optimiert werden.
  • Multimodal & Seamless; Die Konversation verläuft „natürlich“ und über mehrere Kommunikationskanäle. Der Nutzer kann nahtlos auf unterschiedliche Plattformen zugreifen.
  • Fehlertolerant & Grenzenbewusst; Fehlertoleranz ist ein netürlicher Bestandteil jeder zwischenmenschlichen Komunikation, für Maschinen dagegen nur schwer erlernbar.
  • Validierend; Menschen besitzen viele Strategien um Missverständnisse zu vermeiden und schnell zu lösen. Durch Validierung können Korrekturen, die einen hohen Aufwand erforderlich machen, vermieden werden.
  • Wahrheitsgemäß; Erfolgreiche Interaktionen bieten klare, verifizierbare Informationen, verhindern Verwirrung und hinterlassen einen wahrheitsgemäßen Eindruck.
  • Dialogorientiert; Der Konversationsablauf gestaltet sich abwechselnd. Erfolgreiche Konversationen verlaufen zügig und beinhalten einen gleichmäßigen Austausch von Informationen, ansonsten enden sie in einem Monolog.
  • Schnell & Verständlich; Eine Konversation mit präzisen Antworten von Seiten der Maschine führt zu einer zielgerichteten Problemlösung.[5]
Abb.4 HER — Conversational Interface

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Diese Story ist Teil der Publikation meiner Masterthesis 2029 — Am Menschen orientierte Gestaltung konversationsfähiger Assistenzsysteme”. Die Erkenntnisse der drei “Blickwinkel-Artikel”(Der Mensch als…, Advanced User Assistance System und Natural conversational User Interface) sind:

  • Die technologische Entwicklung zur konversationsgesteuerten Mensch-Maschine-Interaktion findet seine Entsprechung auf gesellschaftlicher Ebene im Konzept der Secondary Orality (nach Walter J. Ong).
  • Sprachassistenten besitzen das Potenzial, sich in den kommenden Jahren zu digitalen Begleitern zu entwickeln die konversationsfähig und adaptiv in übergreifenden Internet of Things (IoT)-Plattformen agieren.
  • Das Voice-User-Interface wird das Graphical-User-Interface nicht ersetzen. Das Mensch-Maschine-Interface wird stattdessen um neue Kommunikationswege erweitert und dadurch natürlicher, konversationsfähiger und multimodaler.
  • Aufgabe des Gestalters ist die Entwicklung übergreifender, konversationsfähiger und am Menschen orientierter Assistenzsysteme.

Das Gestaltungsergebnis der Publikation ist die Design Fiction “Willkommen bei den Andersons”Hier gehts zum Projekt

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Literaturquellen

[1] Tardi Carla. Moore‘s Law. Online im internet: https://www.investopedia.com/terms/m/mooreslaw.asp
[Stand: 24.06.2019].
[2]Wigdor Daniel, Dennis Wixon. Brave NUI World: Designing Natural User Interfaces for Touch and Gesture. Elsevier Science, 2014, s.4
[3] Mehrere Autoren. Command Line Interface. Online im internet: https://en.wikipedia.org/wiki/Command-line_interface [Stand: 24.06.2019].
[4] Huckaby Tim. The Engaging User Experience & the Natural User Interface. Online im internet: http://eecatalog.com/digital-signage/2013/12/09/the-engaging-user-experience-the-natural-user-interface/[Stand: 24.06.2019].
[5] Hall Erika. Conversational design. New York: A Book Apart, 2018,s.34.

Bildquellen

[Abb. 34] Meilensteine der MMK. Eigene Darstellung
[Abb. 35] Macintosh Moment. Online im Internet: https://www.computerworld.com/article/3280944/rip-macintosh-1984-2018.html [Stand: 01.07.2019].
[Abb. 36] Minority Report — Gestensteuerung. Online im Internet: https://www.techrepublic.com/article/sci-fi-is-turned-into-reality-with-technology-guru-from-minority-report-and-iron-man/ [Stand: 01.07.2019].[Abb. 37] HER — Conversational Interface. Online im Internet: https://mashable.com/2014/01/15/her-singularity/?europe=true [Stand: 01.07.2019].

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Robert Leonard Mayer

I’m an interdisciplinary designer and UX researcher. My project deal with the interactions between people, technology and information.(robertleonardmayer.com)