Mit CED auf Weltreise

Sabrina Mazzola
6 min readMar 27, 2020

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Eine chronisch-entzündliche Darmentzündung (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa kann Reisen schwierig machen. Hier erfahrt ihr, wie es trotzdem gehen kann

16 Länder, viele Erfahrungen — und viel Spaß trotz CED.

Ich liege auf einer Pritsche im Krankenhaus, der Inhalt aus vier Beuteln gleichzeitig läuft mir in die Venen. Es ist kalt, der Ventilator dreht sich über mir, das Licht ist grellweiß. Ich bin zu schwach zum Gehen, zum Sitzen, zum Denken. Lebensmittelvergiftung in Costa Rica. Oh Gott, was mache ich hier bloß?

Im Mai 2018 sind meine Colitis ulcerosa und ich auf Weltreise gegangen, ein Jahr und zwei Monate, 14 Länder von den Gletschern über den Regenwald bis hin zur Wüste. Ich hatte vorher Medikamente bei meinen Ärzten gesammelt und auf einem ADAC-Medikamentenformular deklariert, 1200 Einheiten Mesalazin, Kortison, Novalgin und Antibiotika. Dann bin ich mit meinem 20 Kilo-Rucksack losgeflogen, in Island gings los, Australien war meine letzte Station.

Meistens lief alles gut mit dem Darm und mir. Ich hatte Asien extra gemieden, denn weder Gemüse, noch Soja oder Gebratenes und ich sind Freunde. Im kohlehydratorientierten Afrika, im fleischfreudigen Lateinamerika und im industriellen Australien hatte ich aber immer eine große Auswahl an Essen. Mein imperativer Stuhlgang und ich sind wie gewohnt aus Bus, Baracke und Boot gehüpft um uns zu erleichtern, und „Ich habe Durchfall“ kennt jeder Mensch auf der Welt nur zu gut: Oft erntete ich ein mitfühlendes Nicken, bei dem mein Gegenüber mehr oder weniger sorgenvoll auf den eigenen Bauch blickte.

Ich wusste, mein gesundheitlicher Zustand ist halbwegs stabil genug, um wegzufahren. Ich war schon vorher in entfernteren Ländern unterwegs und fühlte mich deshalb halbwegs sicher. Ich hatte viel Spaß beim Reisen. Auf Segelbooten, beim Wandern, auf Kamelen, Pferden, Vulkanen, im Regenwald und auf den Galapagosinseln beim Schnorcheln mit Rochen, Haien und Meeresschildkröten. Ich war Fallschirmspringen, Wale suchen, Delfine anschauen und habe Insekten gegessen (kein Gemüse, nicht scharf!).

Oh shit — Lebensmittelvergiftung

Aber dann kam das Unvermeidliche: Ich wurde krank, aber so richtig. In Costa Rica habe ich trotz aller Vorsicht irgendwas falsches gegessen, eine Lebensmittelvergiftung bekommen, und die hat mich umgehauen. Durchfall und Erbrechen haben dafür gesorgt, dass ich stark dehydriert war — was wiederum zu Herzrasen und einem Ruhepuls von 132 führte. Ein kritischer Zustand, aber ich hatte Glück und fand ein englischsprachiges Krankenhaus, in dem ich gut versorgt wurde.

Aber als ich auf der Pritsche lag, sogar zu schwach, um mich zuzudecken, dachte ich natürlich: Warum habe ich das bloß alles riskiert? Warum bin ich nicht zuhause geblieben? Ich war alleine, ich kannte niemanden, ich hatte Angst. Solche Gedanken sind in dem Moment aber ganz normal. Ich hatte natürlich schon vorher geahnt, dass ich mal irgendwo auf der Welt krank werden würde — das ist Zuhause ja nicht anders. Ganz im Gegenteil, ich habe mich immer gewundert, dass Menschen so überrascht sind, wenn sie während einer längeren Auslandsreise mal krank sind: Auch Zuhause schlägt man sich im Lauf eines Jahres ja mit Krankheiten und Schüben rum.

Die Lebensmittelvergiftung in Costa Rica nahm ein gutes Ende, auch wenn ich noch einige Zeit nach der Entlassung mit starker Übelkeit zu kämpfen hatte und in Chile schon der nächste Durchfall auf mich wartete. Einfach war das nicht, vor allem nicht allein. Aber es hat mir sehr geholfen, wie sehr meine Freunde aus der Ferne Anteil genommen haben, ebenso Bekanntschaften auf meiner Reise, die nie müde wurden, sich wirklich täglich nach mir zu erkundigen.

Krank sein im Ausland? Meist kein Grund zur Sorge

Auch die Ärzte im Ausland waren immer sehr sehr nett zu mir. Ich kann nicht genau sagen, ob es nicht auch daran lag, dass ich aufgrund der Auslandskrankenversicherung (man legt die Kosten aus und bekommt das Geld später erstattet) Privatpatientin war oder dass sie einfach Mitgefühl hatten, weil ich als Ausländerin allein mit Krankheiten zu kämpfen hatte. Aber ich wurde immer herzlich aufgenommen und alle hatten Zeit auf mich. Als ich mir in Simbabwe den Knöchel verstaucht hatte und Dr. Infinity (so hieß er wirklich) eine Arzthelferin in die Apotheke geschickt hat, weil ich nicht laufen konnte. Als ich in Südafrika Flöhe aus meiner Arbeit im Township bekommen habe und einen deutschen Arzt kennengelernt habe. Als ich in Neuseeland einen Darmparasiten (auch das noch) hatte und der Arzt mich per E-Mail kostenlos zum weiteren Vorgehen beraten hat.

Stichwort Kosten. Ich habe aber auch erlebt, dass man in wirklich allen Ländern, in denen ich war, keine all-inclusive Krankenversicherung kennt wie wir sie haben. Vor dem Arztbesuch wird mit den Arzthelferinnen besprochen, was für ein Kostenmodell die gewählte Krankenkasse hat, oder man muss gleich seine Kreditkarte durch den Kartenleser ziehen. Ohne Geld keine Behandlung, das hat mir immer ein mulmiges Gefühl gegeben. Ich habe sehr starke soziale Werte und hätte meine Krankenversicherung oft gern mit anderen Menschen geteilt. Insgesamt habe ich 350 Euro für meine Krankenversicherung für ein Jahr gezahlt und etwa 700 Euro ausgegeben, die mir später erstattet wurden. Die Medikamente, die ich wegen meiner chronischen Krankheiten brauche, werden nicht gezahlt — die hatte ich mir vorher von meinen deutschen Ärzten verschreiben lassen.

Wieder in Deutschland: Kinderriegel, Pesto und unvergessliche Erinnerungen

Wegen der weitgehend kostenlosen medizinischen Versorgung, wegen meiner Freunde, die in Deutschland auf mich gewartet haben und meiner heiß vermissten Kinderriegel bin ich dankbar, dass ich in Deutschland wohne.

Seit Juli 2019 bin ich nun wieder in Deutschland, 30.000 Euro ärmer und um viele unvergessliche Erfahrungen reicher. Auf Reisen gehen werde ich jederzeit wieder — mit der inneren unbezahlbaren Gewissheit im Herzgepäck, dass ich auch da draußen jederzeit sicher bin.

Tipps zum Reisen mit CED

  • Länder mit Essen suchen, welches man verträgt (Asien eher nicht)
  • Länder vermeiden, in denen Durchfallerkrankungen häufig sind (Latein- und Südamerika)
  • Laut Empfehlung des Tropeninstituts als CED-Patient Indien meiden — dort gibt es viele Darmparasiten und resistente Keime
  • der Kortison-Einnahme zu reisen kann wegen der erhöhten Infektanfälligkeit zu riskant sein, dass sollte man vorher mit seinem Gastroenterologen abklären
  • Impfung gegen Cholera und EHEC geben lassen
  • Gute Auslandskrankenversicherung abschließen, z.B. Hanse Merkur oder STA Travel
  • auf allgemeine Hygiene achten, Desinfektions-Feuchttücher mitnehmen
  • Medikamente, die wegen einer chronischen Erkrankung notwendig sind, vorher für den gesamten Zeitraum von Ärzten in Deutschland verschreiben lassen
  • Medikamente im ADAC-Medikamenten-Formular auflisten und vom Arzt unterschreiben lassen
  • Laminiertes Notfall-Formular in verschiedenen Sprachen mitführen (Ich habe folgende Krankheiten/brauche jene Medikamente, etc.)
  • Medikamente immer im Handgepäck mitführen, im Aufgabegepäck können sie verloren gehen
  • Bei längeren Ausflügen Backup-Snacks mitnehmen die man gut essen kann, falls Catering während einer Tour nicht ausreichend
  • Alle Impfungen machen lassen, die nötig sind — sofern wegen Immunsuppression möglich
  • Antibiotika wie Ciprofloxacin mitnehmen
  • Schmerzmittel, die Opioide sind (Tramadol, etc.) nur in Absprache mit der Botschaft des jeweiligen Landes, schriftliche Bestätigung anfordern und im Handgepäck mitführen

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Sabrina Mazzola

Journalist, disability activist, people enabler from Germany