Ein toller Abend mit Musikern einer neu zu gründenden Münchner Band

Mark Sargent
mensch marke
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5 min readSep 28, 2017
Rumpler am Freitag den 22. September 2017
Rumpler am Freitag den 22. September 2017

Ich wollte meinen ewigen, verlässlichen Freund sehen und unter Leute kommen. Den Rumpler kannte ich von den eigentlich täglichen Besuchen, als der mit Hüftleiden im alten Krankenhaus am herrlich verwunschenen Südfried lag. Kein schöner Ort in München, dachte ich und durchquerte den Friedhof auf dem auch Fraunhofer liegt. Über ein Glockenbach Rinnsal hinweg und rein in den Rumpler. Dort sassen die Drei, von denen ich nur wusste, daß sie keinen Übungsraum mehr hatten. Dafür hatten sie bereits eine Lösung, sie verkrafteten gerade noch den Fortgang oder Rausschmiss von ihrem Bassisten, von dessen Ehrgeiz und peniblen Ordungssinn die Drei sich anscheinend befreit fühlten. Jetzt haben sie den einzig klugen Kopf rausbefördert und ich entschloss ich zu einem Surri. Doch alle Drei waren schneller. Das letzte Mal, als ich einen Surri hatte, war auf einer Sauftur mit Tochter Dido in Linz und bei der Hochzeit von Tochter Elizabeth inmitten Floridas. Beide Male eine liebste Erinnerung, so gut das ich sie im Kopf behielt. Ich war froh unter Idioten zu sein.

Die Band hatte sich ausgerechnet in die Kategorie verrannt, die eigentlich keiner der Musiker wollte. Klassik Rock. Das bescherrte ihnen Auftritte auf Geburtstags Partys ohne Öffentlichkeits-wahrnehmung. Die Zwangspause nutzen beide Musiker um das heraus zu arbeiten was sie eigentlich wollten und nicht ohne intellektuelle Reife. Was ich über den Drahtlosen Kopfhörer und dem iPad des Schlagzeugers zu hören bekam war sofort einordbar und von weit besserer Qualität als alles was ich von der Band kannte. Der Sänger konnte plötzlich singen und der Schlagzeuger setzte mit dem Schlagzeug aus um mit Waschbrett die Weite zu erlangen, die auch mit dem neuen Bandnamen übereinstimmt. Plötzlich stimmt vieles, wenn nicht alles. Es liesse sich aus meiner Marketing verdorbenen Sichtweise verständlich artikulieren und auf die bei McCANN gelernte ‘category of one’ ausrichten.

Der Spitzenplatz in einer eng definierten Nische.

Wo aber bleibt bei diesem Drehpunkt mein geliebter, ewiger Freund?

Er nämlich brachte zu Anfang des Abends zusammenhangslos die Namen, Steve Reich und Philip Glass ins Gespräch, etwas das übergangen wurde. Mir war schon vor Jahren ein undefinierter, unklarer Wunsch nach einer kulturellen Ausnahmeposition aufgefallen, die ich mir mit 12-Ton Musik, Stockhausen merkte. Mit seiner ersten Band, die aus der gemeinsamen Zeit der Wehrpflichtverweigerer beim Sanitärdienst mit dem herrlichen Bandnamen, The Desinfektors hervorging und in Tony Titt and the Torpedos mündete. Eine Münchner Band die ihr Publikum in überfüllten, verschwitzen Gasthöfen zu beglücken wusste. Unter Industrievertrag war später mit Ski und der Rest auf grossen Bühnen größeres Momentum erreicht.

Wo also bleibt mein Freund mit aus praktischer Notwendigkeit heraus, aufgezwungener Akkustikgitarre?

Er kann sich (vorerst) voll und ganz auf die neue Formierung einlassen, sich der gefundenen Überzeugung seiner beiden Bandkollegen blind anschliessen, im Minimliasmus zur eigenen Überzeugung kommen. Das verlässlichste das eine Band haben kann ist Einigkeit in Überzeugung und ständig zu übender Durchsetzungskraft. Es also laufen lassen und alles tun um ein eigenes Publikum zu schaffen (es nicht nur gewinnen). Sein gegenwärtiges Mulittasking mit mehr als einer Band, gegen ein Schritt nach dem anderen in ausgeklügeleter Reihenfolge eintauschen und die weiteren Entscheidungen vom Erfolg beim Publikum abhängen lassen.

Empfohlene allg. Vorgehensweise einer Band, um bei geringer Investition, Bedarf beim Publikum zu schaffen

  1. Überprüft und sichert Euch die Domäne (URI) des gewünschten Bandnamens.
  • Überprüft auch die Skalierbarkeit Eurer Domäne (Bandname) über alle zu nutzenden Sozialnetzwerke hinweg.
  • #Hashtag u. Profilseite bei Twitter, homepage bei Facebook, Profil bei Instagram etc.

2. Kennt Eure Kategorie

  • Überprüft auch die Skalierbarkeit Eurer Domäne (Bandname) über alle zu nutzenden Sozialnetzwerke hinweg.
  • #Hashtag u. Profilseite bei Twitter, homepage bei Facebook, Profil bei Instagram etc.

3. Kennt Euren Namen

  • Das Publikum begeistert sich vor allem auf Grund Eurer Überzeugung und dem Entgegenkommen das ihr ihm erweist, das überträgt sich auf die Musik.
  • Die Fans kaufen nicht so sehr die Platte aber die Überzeugung (Lifestyle) die dahinter steht.

4. Schreibt Eure eigene Geschichte selbst.

  • Reduziert sie auf eine halbe Seite.
  • Achtet auf die Schlüsselworte.
  • Gebt dem Leser eine Geschichte an die Hand, die er als Entdecker voller stolz weitererzählen will.

5. Involviert Euer enges Umfeld und weitet langsam aber stetig aus

  • Kontinuität ist der Schlüssel Eurem Publikum Respekt zu erweisen.
  • Probt Euer Program im kleinen, privaten Kreis der Familie und der Freunde mit unbedingtem Fokus auf nur jeweils einen Hitsong. Die LP ist die Folge eines erweiterten Stammpublikums, das zu schaffen Jahre dauern kann.
  • Ladet Meinungsmacher, PR Kontakte und wichtige Veranstalter zu den Uraufführungen ein und haltet ein kleines PR-Paket für sie bereit.
  • Holt Euch deren Meinungen ein und schreibt sie auf. Dokumentiert sie womöglich auf Eurem Bandblog. Damit nehmt ihr einen größere Leserschaft mit und keiner wird zurückgelassen.

6. Lernt Euer Publikum kennen und schafft Euch das Eure

  • was im kleinen gut klappt, kann auch im größeren Rahmen gelingen.
  • Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft (Band Merchandise, das Publikum beschäftigen (Wasserbälle… Video Interviews mit Fans in den Pausen…).
  • Ein fester Spielplan, ein Program festigt die Bindung und demonstriert Kontinuität bei Auftritten.
  • Mittels Newsletter in Verbindung bleiben

7. Nutzt eigene Resourcen und erfindet ein Bezahlmodell

  • Jede Gruppe hat einen Klassenclown, aber alle sollt ihr in den Sozialnetzwerken aktiv sein.
  • Musiker sind Gestalter. Einer kann photographieren, der andere vielleicht sogar kodieren. Nutzt Eure Resourcen um Eure Domänauthorität zu stärken.).
  • Für alles gibt es eine App, aber auch ein, auf Eure jeweilige Begabung angepasstes Sozialnetzwerk.

In der Begeisterung über die Entdeckung der eigenen Kräfte, Mittel, Möglichkeiten und der so wichtigen Überzeugung, kommt schnell ein fertiges Präsentationspacket zustande. Bandname, LP Hülle, Bandfoto. Dabei ist eben so schnell alles Pulver verschossen.
Viel bleibt von der Idee nicht übrig wenn eine Reihenfolge ausser acht gelassen wird. Vergessen wurde, dass zu allererst eine Nachfrage da sein muss oder sie aber forciert werden muss. Führt der Aktionismus nicht zu schnellem Ruhm und Ehren übernehmen Zweifel die Überzeugung.

Ich bin ein Gegener der LP Idee und setzte jeder Wette auf kleine Ereignisse die in Erinnerung bleiben solange das Publikum sich auf das verlässliche nächste Ereignis freuen darf. Daher ist die Single die bessere Strategie und sich der Verkauf einer LP in Folge einmal lohnen wird.

Eine Band hat heute die Möglichkeit sich selbst zu definieren und sich nicht von idiotischen, angenommenen Wahrheiten den Weg zum Erfolg versperren zu müssen. Bereits in der Volkschule haben wir gelernt, dass Geschichte von den Siegern geschrieben wird. Wir müssen uns nur zum Sieg durchringen und die Arbeit erledigt haben.

Dabei müssen nicht alle sieben Leitfäden erfüllt werden. Manchmal überholen uns die Ereignisse und 20% davon genügen. Aber es hilft die Gewohnheiten der Leute zu akzeptieren um sie nutzen zu können und von einer stoischen selbstverliebten Band zu einer agilen, dem Publikum entgegenkommenden Band zu werden.

Aus allem ein kleines Ereignis machen. Die Chronik der Band selbst schreiben. Eine Fülle an Imperativen.

Lustig war, das will ich noch anmerken, dass mein geliebter Freund zu stationären Tagen anmerkte, dass wenn einer mit dem Krankenhaus anfängt, dann kann er nicht mehr damit aufhören. Woraufhin ich mich im Anschluss, in die Neurologie in Pasing mit Blaulicht einliefern liess. Aber mir fehlt nichts, ausser grosser Teile der Erinnerung und dem Kurzzeitgedächtniss.

Originally published at Neue klassische Werbung.

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