Kuchen für alle! 🍰

Mit “Slicing the Pie” Startup-Anteile fair verteilen.

Sebastian Geis
7 min readFeb 27, 2017

Eine Unternehmensgründung ist immer eine Wette. Eine Wette auf eine Idee, auf eine Vision, die funktioniert und in der Zukunft etwas Wert sein wird. Im besten Fall schließt du dich mit Partnern zusammen, ihr bringt unterschiedliche Skills (oder Kapital) mit ein und erhöht die Chance auf Erfolg (was auch immer Erfolg in deinem Fall bedeutet). Eher früher als später redet ihr darüber, wie dieser ominöse, zukünftige Wert verteilt werden soll. Seien es die enormen Profite oder der multimillionen Exit an Yahoo.

Verteilungskämpfe

Letztlich gibt es drei Möglichkeiten, beziehungsweise Zeitpunkte, um Anteile am Unternehmen aufzuteilen:

So much money to share!!!!
  • Bevor es etwas zu Verteilen gibt (GrĂĽndung)
  • Nachdem es etwas zu verteilen gibt (Exit oder “Was machen wir mit den Gewinnen”)
  • Während man Wert aufbaut

Hint: Zwei dieser Möglichkeiten sind so mittelgeil.

1. Anteile bei der GrĂĽndung verteilen

Du hast eine brillante Idee, Partner gefunden, ihr sitzt gemeinsam am Tisch und überlegt: Wer bekommt wieviele Anteile? Weil es schwierig ist zu bestimmen, wer wieviel einbringt, einigt ihr euch auf 50/50 oder 33% für jeden, schüttelt Hände oder gebt euch High Fives — wenn ihr cool genug seid — macht ein Bier auf und jeder von euch denkt sich: “Ich hätte eigentlich mehr verdient. Das ist nicht wirklich fair.” Nach einem Jahr verlässt ein Co-Founder die Firma und ihr diskutiert wieder was jetzt passiert. Vielleicht habt ihr komplexe Vestingverfahren und einen netten Anwalt, der euch hilft den Kladderadatsch aufzudröseln. Good luck and thanks for all the fish.

2. Anteile nach der Wertschöpfung verteilen

“Hey hey, wir sind best friends, aktuell gibt’s nichts zu verteilen, lasst uns die anstrengende Diskussion führen wenn’s soweit ist und gleich ein Bier aufmachen.” Dieser Ansatz funktioniert: Nie.
Klar hat Thorsten am meisten gearbeitet, aber Gabi hat die wichtigsten Kunden akquiriert und Horst ist der einzige, der das Produkt bauen konnte. So schnell werdet ihr kein Bier mehr miteinander trinken. Promise.

3. Grow as you go — Anteile nach und nach verteilen

Bleibt die Verteilung der Anteile während ihr Wert aufbaut. Klingt kompliziert, ist aber m.M.n die einzig faire Möglichkeit Anteile zu vergeben. Mike Moyer, Entrepreneur und Investor aus Chicago, hat aus seiner Erfahrung das Model “Slicing the Pie” entwickelt und sogar ein Buch darüber geschrieben (Link am Ende des Artikels).

Die Idee ist einfach: Ihr werdet mit der Zeit unterschiedlich viel in das Unternehmen investieren, sei es Zeit, Kapital oder “softere” Faktoren wie Kontakte. Das sollte berücksichtigt werden. Je nach Input werden die Stücke des Kuchens aufgebaut. Außerdem berücksichtigt das Modell, dass in den kommenden Monaten viel passieren kann. Vielleicht steigt dein Partner aus oder du kannst nur noch 50% der Zeit aufwenden etc.
Slicing the pie berĂĽcksichtigt diese Ungewissheit.

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ —unbekannt

Backe backe Kuchen — Introducing: The Grunt Fund

Wie das ganze funktioniert? Die Grundlagen sind einfach. Wenn ihr euch auf das Modell “Slicing the pie” einigt, bildet ihr einen Grunt Fund. So nennt das Moyers (ihr seid alle Grunts, die gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten), aber ihr könnt euch natürlich einen eigenen Namen für euren Kuchen ausdenken.

Alles was zur Wertsteigerung eures Unternehmens beiträgt fließt in den Grunt Fund. Der Gesamtkuchen verteilt sich auf die Beteiligten, je nachdem wieviel jeder beigetragen hat.

Anteil am Kuchen = Eigener Einsatz/ Gesamteinsatz

Der Einfachheit halber wird jedem Einsatz ein monetärer Wert zugeordnet, wichtig ist aber zu verstehen, dass euer Unternehmen nicht plötzlich diesen Wert hat. Heißt, nur weil ich 100 Stunden à 50€ gearbeitet habe, ist das Unternehmen nicht 5.000€ wert. Der tatsächlich Wert ist vermutlich immer noch 0 €. Es geht nur um das Verhältnis zu deinen Partnern!

Und wie berechne ich das jetzt?

Den Grunt Fund berechnen

Wir unterscheiden zwischen drei verschiedenen Dingen, die in das Unternehmen eingebracht werden und den Wert steigern:

  1. Arbeit
    Als erstes berechnet ihr euren Stundensatz. Am besten nehmt ihr als Grundlage ein Jahresgehalt, das ihr am “freien Markt” bekommen würdet und teilt dieses durch 2.000 (das sind ungefähr die Arbeitsstunden pro Jahr). Wenn du in deinem letzten Job z.B. 50.000€ bekommen hast: 50.000€/2.000h = 25€/h
    Da du mit der Gründung ein großes Risiko eingehst und das belohnt werden sollte, wird der Basisstundensatz mit einem Risikomultiplikator x2 verdoppelt. In unserem Beispiel: 50€/h. Jede Stunde die du in dein Startup steckst, wird mit 50€ Wertsteigerung in den Grunt Fund eingetragen.
    Mit diesem Modell lassen sich prima unterschiedliche Marktwerte berĂĽcksichtigen. Dein CTO bekommt als Senior Software-Engineer mehr als dein Cousin, der euren Blog schreibt. Das wird auch dein Cousin als fair empfinden.
    Nichtsdestotrotz müsst ihr euch natürlich auf ein “Gehalt” einigen, aber dieses Modell gibt zumindest einen guten Anhaltspunkt.
    Wenn ihr euch übrigens irgendwann ein kleines Gehalt auszahlen könnt, zieht ihr den Betrag einfach von eurem Basisstundensatz ab. Euer Beitrag zum Pie verringert sich entsprechend.
  2. Kapital
    Sehr wahrscheinlich braucht ihr Geld. Selbst wenn ihr euer Startup bootstrapped (ohne Investoren, möglichst schnell Umsätze generieren, Querfinanzierung), manche Sachen bekommt ihr nicht ohne Geld. Server, Platz im Co-Workingspace, Facebook Ads, etc.
    Wenn Kapital in die Firma eingebracht wird, gibt’s einen Risikomultiplikator von 4x (das Geld wurde schonmal verdient und Frühinvestitionen sind sehr risikoreich) und der Kapitalgeber den entsprechenden Anteil am Fund.
    Wichtig: Wenn ihr 10.000 € auf eurem Konto rumliegen habt, trägt das nicht zur Wertsteigerung bei. Ausschließlich ausgegebenes, investiertes Kapital zählt in den Grunt Fund mit ein.
  3. Diverses anderes
    Das schöne am Grunt Fund ist, dass ihr Pie für alle Möglichen Dinge vergeben könnt — zumindest solange sich eure Geschäftspartner darauf einlassen :)
    - Ihr arbeitet im Office eines anderen Unternehmens? Statt Miete könnt ihr Pie anbieten.
    - Ein Freelancer hilft euch im Onlinemarketing? (Hier sollte der Freelancer Stundensatz verwendet werden). Pie statt Geld.
    - Der Chef deiner Mitbewohnerin ist Branchenexperte und hilft mit Kontakten und Beratung? Pie.
    Schaut zu, dass ihr nicht unzählige Menschen in eurem Grunt Fund habt, sonst wird’s unübersichtlich, aber ein paar gehen schon.
So kann der Pie am Ende des ersten Jahres aussehen. Wenn jetzt Gewinne verteilt werden, bekommt Thorsten 22%, Gabi 19% etc.

Geburtstagsparty — der Pie wird verteilt 🎂

Alles hat seine Zeit, vor allem Kuchen. Der Grunt Fund zeigt dir zu jedem Zeitpunkt wer wieviel beigetragen hat, weil er eben in Echtzeit geführt wird. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der anfängliche Enthusiasmus täglich in den Fund zu gucken und zu prüfen, wer grade wie viele “Anteile” hält schnell verfliegt. Das ist auch gut so. Ihr sollt ja arbeiten, nicht über irgendwelche Anteile fantasieren, deren Wert sowieso nur hypothetisch ist.

Ab und an mĂĽsst ihr aber natĂĽrlich trotzdem genau hinschauen:

  1. Wenn ihr eine AusschĂĽttung von Profiten macht.
    Herzlichen Glückwunsch, die ersten Umsätze sind eingetrudelt und am Ende (des Jahres) bleibt tatsächlich etwas hängen. Ihr könnt jetzt ein paar Penunzen verteilen. Der Grunt Fund sagt euch wer wieviel bekommt. Easy.
  2. Wenn ihr euer Baby verkauft.
    Man glaubt es kaum, aber es gibt tatsächlich jemanden der kaufen möchte was ihr in mühevollster Kleinarbeit zusammengeschustert habt. Die Berge voller Geld verteilt ihr jetzt einfach nach den Anteilen des Grunt Funds. Du kaufst dir eine mittelgroße Insel in der Karibik und nach vier Wochen in der Sonne liegen langweilst du dich, nimmst dein Geld und startest ein neues Abenteuer. Mit einem Grunt Fund, hoffe ich :)
  3. Euer Startup wird erwachsen.
    Ihr wisst was ihr tut, habt einen anständigen Kundenstamm, den “Product Market Fit” erreicht und steckt mehr Zeit in Prozessoptimierung, als ein Produkt zusammenzuhacken? Außerdem seid ihr den sechsten Monat in Folge profitabel? Vielleicht ist es Zeit den Grunt Fund einzufrieren und ein neues Modell zu wählen. Alles hat seine Zeit und die Zeit von Slicing the Pie ist ganz am Anfang. Welche Modelle den Pie ablösen sollten, das kann ich dir hoffentlich in zwei, drei Jahren erzählen.

Ja, aber folgendes …

Wie geht man denn in “insert-weird-edge-case” Szenario damit um? Muss ich wirklich alle meine Stunden tracken? Das nervt total! Mein Onkel will 100.000 € in meine Firma investieren, aber nur für fixe 30%, was mache ich jetzt?

The Cake is NOT a lie!

Jaja. Auf viele Fragen hat Mike Moyers antworten. Er hat ein Buch über das Thema geschrieben und dieser Post ist nur eine kleine Zusammenfassung (und etwas Interpretation meinerseits). Wenn du dich für Slicing the Pie interessierst, investiere die 12 € und kaufe dir das Buch. Ist gut geschrieben, viele Sonderfälle werden besprochen und man kann es recht fix durchlesen.

Slicing the Pie ist nicht perfekt. Vielleicht passt der Grunt Fund nicht gut zu deinem Geschäftsmodell, oder wichtige Investoren finden dynamische Anteile doof. Das kann alles sein, nichtsdestotrotz halte ich das Modell für das am Besten geeignete, wenn man Wert auf Fairness im Business legt.
Und wie das Abenteuer “Startup” auch immer ausgeht. Fair klingt doch gut, oder?

“No one pretends that a grunt fund is perfect or all-wise. Slicing the pie is the worst form of share distribution except all those other forms that have been tried from time to time.” — Winston Churchill

Sebastian hat zwei Startups gebraucht, um zu erkennen, dass traditionelle Anteilsmodelle schlecht funktionieren und setzt bei Startup drei (www.sabelamate.com) und vier (www.ahoibooking.com) auf ein faires Modell mit Slicing the Pie.
Bei Fragen zu Mate Tee, Reisebuchungssoftware, Slicing the Pie und allem was dir auf dem Herzen liegt, erreichst du ihn auf Twitter unter
Sebastian Geis.

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Sebastian Geis

Marketing Guy @paperlike. All things digital. Startups. Music.