Wie kann die Umverteilung der Arbeit gelingen?

Eva Li
3 min readDec 30, 2018

Josefine Burkhardt hat in ihrem Artikel “Kann bedingungsloses Grundeinkommen bei der Sinnsuche helfen?” einen sehr guten Überblick über die Vor- und Nachteile der momentan wohl heißesten Diskussionen gegeben.

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Für viele ist das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) die einzige Chance, uns vor bevorstehende Umwälzungen am Arbeitsmarkt, derer wir uns durch die Digitalisierung gegenübergestellt sehen, abzufedern. Im Kontext des BGE wird oft über die Wohlstandsverteilung, weniger präsent jedoch über eine Umverteilung von Arbeit gesprochen. Vor diesem Hintergrund bin ich in den letzten Monaten über einen Artikel in der t3n und einen Podcast von On the Way to New Work gestoßen, die mir zwei weitere Blickwinkel auf das Thema mitgegeben haben.

Um eben diese würde ich gerne Josi’s Artikel erweitern.

Ökonomische vs. nichtökonomische Kapitalformen

Auszug aus einem Artikel der #54 t3n mit dem Titel: Warum das bedingungslose Grundeinkommen eine hohle Utopie ist (auch online verfügbar, Link hier)
(…) Der Gründer von „Mein Grund­einkommen e. V.“, Michael Bohmeyer, sagt im Interview mit t3n, dass Menschen durch das bedingungslose Grundeinkommen kreativer und mutiger werden, eher ein Unternehmen gründen und auch gesünder leben. Der ehemalige Unternehmer zahlt sich seit 2014 selbst ein Grundeinkommen aus und muss nach eigenen Angaben auf­passen, dass er nicht ein Burn-out bekommt, weil er so viel arbeitet. Das mag zwar sein und es ist schön, wenn Bohmeyer das so empfindet. Aber diese Argumentation verkennt die Existenz völlig unterschiedlich verteilter, nichtökonomischer Kapital­formen: soziales und vor allem kulturelles Kapital. Begriffe des französischen Soziologen Pierre Bourdieu, der damit zum Ausdruck bringt, dass materieller Besitz, also das klassische ökonomische Kapital, nicht das einzige Kriterium für soziale Ungleichheit darstellt. Kulturelles Kapital in Form von Bildung, das körper­gebunden ist, in der Familie weitergegeben wird und direkt nur bedingt bis gar nicht aus ökonomischem Kapital gewonnen werden kann, ist ein struktureller Grundbestandteil heutiger Gesellschaften. Ebenso das soziale Kapital, das aus der Zu­gehörigkeit zu einer Gruppe entsteht. Laut Bourdieu trägt dieses Netz von Beziehungen dazu bei, dass Karrieren, Macht und Reichtum nicht nur auf individuellen Leistungen basieren, sondern auch auf herkunftsbedingten Gruppenzugehörigkeiten und anderen vorteilhaften Verbindungen im Sinne des ‚Vitamin B‘. Vor diesem Hintergrund würde ein flächendeckendes BGE Gesellschaftsmitglieder mit hohem sozialem und kulturellem Kapital bevorteilen. Solche Menschen bewegen sich in gesellschaftlichen Kreisen, in denen Sabbaticals oder Auszeiten angesagt sind und die unabhängig von rein ökonomischen Ressourcen verschiedenste Möglichkeiten sozialer Teilhabe haben. Und vermutlich auch keine Schwierigkeiten besäßen, jederzeit im regulären Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das sieht bei Menschen mit wenig sozialem und kulturellem Kapital anders aus. Für sie ist Erwerbsarbeit oftmals der einzige Zugang zum Gemeinwesen, weshalb sie viel stärker von der integrativen Kraft der Arbeit abhängig sind. Und hier liegt der entscheidende Denkfehler bei den BGE-Befürwortern: Arbeit integriert, verbindet und wird nicht einfach nur als Mühsal begriffen. Diese Seite wird bei der Debatte ums BGE aber allzuoft ignoriert. (…)

Muss das Grundeinkommen wirklich bedingungslos sein?

In der Podcastserie “On the Way to New Work” haben Michael Trautmann und Christoph Magnussen Benedikt Herles interviewt und mit ihm über sein neues Buch Zukunftsblind gesprochen.
In diesem Gespräch stellt er die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens in Frage. Er ist der Auffassung, dass das Einkommen an eine Bedingung, an die Leistung eines Mehrwerts für und innerhalb der Bevölkerung geknüpft sein sollte, wodurch auch die Frage nach dem Unterschied zwischen ökonomischen und nichtökonomischen Kapital hinfällig wird. Das Gespräch mit Benedikt Herles ist eins meiner Podcast Highlights dieses Jahres gewesen, und eine wärmste Empfehlung für Euch. Deshalb hört am Besten einfach selbst:

Auch ich bin der Meinung, dass vor der bevorstehenden Umwälzung unseres Arbeitsmarktes etwas zugunsten der fortlaufenden Beteiligung von mehr Menschen an der Wertschöpfung getan werden muss. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Kapitalformen, Arbeit als Grundpfeiler unserer Gesellschaft und Connecteur einzelner Gesellschaftsschichten, sollte eine Antwort auf die Frage “Wie kann unsere derzeitige Tätigkeitsstruktur reorganisiert werden, sodass der sozialen, kulturellen und auch wirtschaftlichen Bedeutung von Arbeit Tribut gezollt wird?”gefunden werden. Ob das bedingungslose Grundeinkommen die Lösung ist, wage ich zu bezweifeln — ein bedingtes Grundeinkommen hingegen könnte möglicherweise zielführender sein.

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