Was ist eine Content-Strategie?

Sandra Mathelitsch
5 min readNov 19, 2016

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Während der letzten Monate wurde ich öfters gefragt, was denn eine Content-Strategie überhaupt sei und was ein Content-Stratege eigentlich tue. Die Antwort fiel dann meistens sehr ausführlich aus und dennoch hatte ich immer das Gefühl, einen (oder zwei oder drei) wichtige(n) Punkt(e) vergessen zu haben. Denn genau so wenig wie „mehr Klicks“ ein gutes Ziel für eine Content-Strategie sein kann, ist „man plant alles, was mit Content zu tun hat“ eine befriedigende Antwort.

In einem Gespräch, das ich kürzlich mit einer lieben Kollegin führte, meinte diese völlig richtig: „Wenn man zehn Menschen in einen Raum steckt und sie notieren sollen, was für sie eine Content-Strategie ist, dann wird man zehn verschiedene Antworten bekommen.“ Und die Antworten müssen ja auch nicht falsch sein, denn DIE EINE Content-Strategie wird es nicht geben. Es gibt keinen Plan X, an den man sich halten kann. Jede Strategie wird anders sein, abhängig vom Unternehmen, der Marke und Markenausrichtung, der Zielgruppe, der Ziele, den Gegebenheiten, des Budgets etc. etc. (diese Liste ließe sich noch um einiges verlängern).

Dennoch gibt es natürlich Definitionen der Disziplin Content-Strategie. Kristina Halvorson (CEO und Gründerin von Brain Traffic) definiert sie folgendermaßen:

„I define content strategy as planning for the creation, delivery, and governance of useful, usable content. Planning is the key. Planning is about asking the right questions to collect data and information, with the goal of delivering a plan that gets you from where you are now to where you want to be.“

Für Margot Bloomstein (Inhaberin der Marken- und Content-Strategie-Beratungsfirma Appropriate, Inc.) ist Content Stragie:

„Planning for the creation, aggregation and governance of content that´s useful, usable and appropriate in an experience.“ (aus einer Vorlesung an der FH Joanneum, Masterstudium COS, im November 2016)

Rahel Bailie (Content-Strategin und Buchautorin) meint, eine Content Strategie ist ein

„Repeatable system that governs the management of content troughout the entire lifecycle.“

Und Heinz Wittenbrink, Studiengangsleiter des Master-Studiums Content Strategie an der FH Joanneum, sagt:

„Content-Strategie ist die datengestützte Entwicklung der Voraussetzungen dafür, dass eine Organisation mit ihren Inhalten ihre Ziele erreicht. Dazu orientieren sich Content-Strategen immer am Wissen über die Nutzer und ihrer Bedürfnisse.“

Das waren jetzt nur vier kurze Definitionen, die natürlich noch ausgiebig diskutiert und erweitert werden können. Hier soll aber nur einmal ein kurzer Einblick gegeben werden.

Der Beruf des Content-Strategen

Aus all diesen Definitionen erkennt man, dass Planung ein bedeutendes Wort ist. Und dass natürlich der Content im Mittelpunkt steht. Um vielleicht tiefer in den Beruf des Content-Strategen einzugehen, möchte ich ein Beispiel, das Rahel Bailie gebracht hat, widergeben: Was würden Sie sagen, dass sie sehen, wenn man vor Ihnen eine Flasche Apfelsaft hinstellt? Die meisten würden entweder mit „Flasche“ oder „Saft“ antworten. Doch ein Content-Stratege sieht beides: „Many look at containers, others on what is in the container. Content strategists look at both!“

Das bedeutet (sehr vereinfacht ausgedrückt): Ein Content-Stratege sieht nicht nur den Text, er sieht nicht Bilder oder Videos, er sieht nicht nur eine Webseite oder die Codes dahinter. Ein Content-Stratege muss das große Ganze erkennen, (zu-)ordnen und planen.

In den letzten Monaten wurde ich auch oft gefragt, was ein Content-Stratege denn so alles lernen müsse. Oftmals behelfe ich mir mit der Antwort in dem ich einfach auf den Link der Studiengangs-Webseite verweise. Hier ein Einblick, was in vier Semestern an Wissen vermittelt wird. Dank Praxisarbeiten in jedem Fach, lernen wir jedoch nicht nur die Theorie, sondern wenden das Gelernte auch (mehrfach) an.

· Überblick über Content-Strategie-Theorien

· Schreiben, Redigieren, Kuratieren im Web

· Video und Multimedia im Web

· Grundlagen der Webtechnik + Backend-Entwicklung für das Web

· Content Audits

· Empirisches Projekt durchführen

· Monitoring und Web-Analytics

· Informationsarchitektur

· Accessibility und Multiscreen Design

· Content Modelling und Styleguides

· Markenwerte, Botschaftsarchitektur und strategische Kommunikation

· Content-Marketing und Community-Management

· Organisationskommunikation und PR-Forschung

· Management von Unternehmensinhalten

· Redaktionelle Prozesse und Projektmanagement

Natürlich kann ein Content-Stratege nicht ALLES können, kein Experte in all den angeführten Bereichen sein bzw. ein tiefes Fachwissen in all diesen Gebieten besitzen. Aber genau das ist die Kunst des Content-Strategen: Er muss einen guten Überblick über diese Gebiete aufgrund eines fundierten Grundwissens haben. Er muss keine Webseite programmieren können, aber er muss beispielsweise erkennen, ob die Aussage „das dauert länger und ist sehr kompliziert“ richtig ist. Etwaige kleinere Änderungen sollte er aber auch wirklich selbst umsetzen können. Ein Content-Stratege sollte Usability-Tests durchführen können — auch um sehr gut vorbereitet in Verhandlungen mit auf UX-Tests spezialisierte Firmen gehen zu können. Ein Content Stratege muss auch mit Monitoring Tools arbeiten, ein Content Audit durchführen und eine Message Architektur erstellen können. Und er sollte … (ja, diese Liste ließe sich ebenfalls noch ausreichend verlängern). Meistens hat ein Content-Stratege aber einen einschlägigen Background und ein Fachgebiet und bringt in diesem Bereich dann zudem noch wirklich tiefes Expertenwissen mit ein.

“What you´ll do”

Wem das jetzt zu fragwürdig erscheint, dem möchte ich die Ausschreibung von Uber ans Herz legen, was für sie ein Content Stratege ist („What you´ll do“):

· Help set and drive the vision for cohesive product strategy and narratives across multiple digital platforms and sites, touchpoints, and audiences (riders, drivers, B2B, broader product families).

· Define and impact user models, flows, information architecture, and taxonomies for new and existing tools and sites. Document standards in frameworks, wireframes, and guidelines.

· Work closely with researchers to ask the right questions and brainstorm solutions with a strong sense of initiative and follow-through. Take ownership of the deliverables and the words.

· Collaborate with interaction designers, visual designers, engineers, product managers and marketers to deliver user-focused experiences.

· Plan, write, edit, test, audit, and improve content and UI text for product features, mobile applications, emails, and websites.

· Distill jargonese and complex technical concepts into simple, meaningful, & localizable language with a global audience in mind.

· Partner with the SEO team to always optimize and align for SEO strategy.

· Partner with our Product and Legal teams for copy reviews and to establish guidelines, and with our Brand team to align and strengthen voice and tone.

· Advocate for writing and design that supports the content and the user across the organization.

Wie man hier sehr gut erkennt: Der Content Stratege muss — wie es Wort „Strategie“ eigentlich schon sagt — planen, Projektmanagement betreiben, Kooperationen mit anderen Abteilungen eingehen etc.. Er muss (und soll und kann) nicht alles alleine machen, aber er muss ein Verständnis für alle essentiellen Bereiche haben.

Welchen Vorteil Unternehmen aus einer Content-Strategie ziehen

Zum Abschluss noch eine Definition über die Arbeit des Content Strategen aus einem lesenswerten Interview mit Heinz Wittenbrink („Warum Sie ein Content Stratege werden sollten“):

„Ein Content Stratege entwickelt die Voraussetzungen und die Vorgaben dafür, dass eine Organisation mit den Inhalten, die sie veröffentlicht, ihre Ziele bestmöglich erreicht. Dazu gehören einerseits Dinge wie Pflichtenhefte, Vorgaben für Texte, Redaktionspläne oder die Formulierung von Markenbotschaften, und andererseits die Organisation und das Management von Workflows und vor allem Change Management und Bewusstseinsbildung.“

Warum dies für Unternehmen wichtig ist?

„Inhalte sind ein zentrales und ein sehr kostspieliges Asset für immer mehr Unternehmen. Content Strategen sorgen dafür, dass die Inhalte einerseits zielgerichtet und qualitätsorientiert und dass sie andererseits ökonomisch und kostengünstig entwickelt werden.“

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Sandra Mathelitsch

Graz. Journalistin (Kleine Zeitung). Germanistin. Content Strategie. Liebt #Texten #Reisen #Bücher #Bilder — Twitter: @smathelitsch