Digitalisierung der Sozialen Arbeit: Nutzen Sie Kommunikation als Motor

Christian Müller
4 min readAug 2, 2017

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„WhatsApp ist der einzige Kanal der für uns funktioniert.“ — Solche Sätze höre ich beim Thema Kommunikation mit Klienten immer wieder. Dabei spielt es fast keine Rolle, wie groß eine Einrichtung oder ein Träger ist. Und ja, beim Stichwort WhatsApp fallen mir auch eine Menge Aspekte in Sachen Datenschutz ein.

Doch wenn ich dann höre, dass SozialarbeiterInnen WhatsApp oder andere Messenger in ihrer Kommunikation einsetzen, sehe ich auch Chancen. Denn der Kommunikationsbereich ist in vielen Fällen der erste, in dem MitarbeiterInnen im Sozialbereich freiwillig oder aufgrund von Notwendigkeit mit digitalen Tools arbeiten.

Die so beginnende Entwicklung können Sie für die Digitalisierung Ihres Teams, Ihrer Einrichtung oder Ihres Trägers nutzen.

Kommunikation als Motor der Digitalisierung

Eine der größten Hürden der Digitalisierung der Sozialen Arbeit ist meiner Erfahrung nach nicht in den offensichtlichen Aspekten wie beispielsweise fehlender Infrastruktur, Ressourcen oder fehlenden Regelungen zu finden. Die größte Hürde ist die oft anzutreffende Haltung.

Im Normalfall geht sie in die Richtung: „Bisher hat alles geklappt, warum sollten wir etwas ändern und digital arbeiten?“ Im schlechteren — und leider nicht seltenen — Fall geht sie in die Richtung: „Digitalisierung bringt Probleme und Datenschutzrisiken mit sich, die wir allesamt vermeiden sollten. Social Media und Co. sind Gefahren für unsere KlientInnen und die Gesellschaft.“

In beiden Fällen kommen Ansätze der Digitalisierung in Sozialen Einrichtungen nicht weit. Auch motivierte Führungs- und Leitungskräfte scheitern oft an dieser Hürde.

Wenn in der Kommunikation jedoch bereits digitale Kanäle genutzt werden, ist ein erster Schritt gemacht. Damit diese zarten Triebe digitaler Arbeit zu einer Bewegung werden und Veränderung auslösen können, ist die gezielte Unterstützung der Ansätze durch Führungskräfte nötig.

Einer der wichtigsten Gründe dafür: Digitalisierung ist komplex. Der geschätzte Kollege Hendrik Epe beschreibt es so:

Welche Prozesse können wir in Organisation XY digitalisieren? Und brauchen wir überhaupt eine Strategie, die sich mit diesem Thema befasst? Ach ja, und irgendwie geht es auch um die Menschen, oder?

Die hier leicht humoristisch angesprochenen und berührten Fragen müssen meiner Erfahrung nach zuerst auf Leitungsebene diskutiert und beantwortet werden. Ja, motivierte MitarbeiterInnen sind wichtig, doch ohne Unterstützung der Leitung wird deren Begeisterung schnell in Frustration umschlagen und verschwinden.

Um die begonnene digitale Kommunikation zum Motor der Digitalisierung zu machen, helfen folgende Schritte:

  • Gehen Sie das Thema nicht frontal an. Wenn Sie mit der Haltung: „Wir nutzen bereits WhatsApp, dann können wir auch die Dokumentation digital machen“ starten, werden Sie oft auf Unverständnis stoßen. Kommunikation und digitale Arbeitsprozesse sind in der Wahrnehmung vieler Menschen völlig getrennte Themen und Bereiche.
  • Identifizieren Sie Bedarf und Nöte. Die digitale Kommunikation ist meist nicht aus völlig freien Stücken Teil der Arbeit Ihrer MitarbeiterInnen geworden. Der Grund ist oft Leidensdruck oder nachhaltige Forderungen der KlientInnen. Nicht selten besteht die Wahl darin, die KlientInnen entweder per WhatsApp / Messenger oder gar nicht zu erreichen.
  • Wenn der Bedarf klar ist, folgt der Nutzen. Aufoktroyierte Veränderung werden oft abgelehnt oder nur widerwillig angegangen. Sind Nutzen und Sinn einer Veränderung jedoch klar erkennbar, schwindet der Widerstand. Der Nutzen muss dabei direkt ihren MitarbeiterInnen in deren Arbeitsalltag zugute kommen.
  • Meine Strategie: Beginnen Sie die Digitalisierung in dem Bereich, in dem sie den schnellsten und wirkungsvollsten Nutzen bringt. Wenn Ihre MitarbeiterInnen sehen, dass ihre Arbeit tatsächlich einfacher oder leichter wird und sich beispielsweise Dokumentation mit weniger Aufwand durchführen lässt, steigt die Akzeptanz der neuen Methoden und Technik.
  • Gehen Sie bei der Einführung bitte nicht davon aus, dass Ihre MitarbeiterInnen „das schon hinbekommen“. Selbst die fittesten und digital affinsten tun sich schwer mit der autodidaktischen Nutzung neuer Tools und Methoden. Stellen Sie bitte sicher, dass eine ausreichend gute Schulung an und mit den neuen Werkzeugen für alle relevanten MitarbeiterInnen gewährleistet ist.
  • Apropos Schulung: Digitale Arbeitsweisen verändern in der Regel auch Prozesse und oftmals Rahmenbedingungen. Bitte achten Sie darauf, die neuen Prozesse und Vorgehensweisen klar zu dokumentieren und an alle zu kommunizieren. Strukturierte Veränderungen brauchen Vorbereitung und eine aktiv begleitete Einführung.

Nicht alle diese Faktoren sind in allen Sozialen Einrichtungen und Trägern gleich wichtig. Die Liste ist außerdem keinesfalls vollständig, Sie werden garantiert Aspekte finden, die für Sie und Ihre Situation zusätzlich eine Rolle spielen.

Für mich zählt der Grundsatz: Hat digitale Kommunikation — und sei es „nur“ in Form wild gewachsener Messengernutzung — bereits begonnen, kann sie zum Startpunkt und Motor der Digitalisierung Ihrer Einrichtung oder Ihres Trägers werden. Sollten Sie bei diesem Prozess auf Hürden treffen — und die werden ganz sicher kommen — Gehen Sie zurück und prüfen Sie, wie und warum sich digitale Kommunikation bei Ihnen durchsetzen konnte. Die zugrundeliegende Prinzipien können Sie dann für andere Bereiche adaptieren.

Ihre Erfahrung mit Digitalisierung in der Sozialen Arbeit?

Natürlich zeige ich in diesem Artikel nur einen von vielen möglichen Start- und Einstiegspunkten zum Thema Digitalisierung auf. Da das Feld sehr weit ist, interessiert mich Ihre Erfahrung mit Digitalisierung in der Sozialen Arbeit?

Haben Sie den Prozess bereits begonnen oder spielen Sie mit dem Gedanken? Wenn ja, auf welche Punkte achten Sie, was hat für Sie funktioniert, wo sehen Sie Probleme, welche Fragen beschäftigen Sie?

Ich freue mich auf Ihr Feedback, sei es in den Kommentaren hier im Blog, in den Sozialen Netzwerken oder via Direktnachricht oder E-Mail.

Originally published at sozial-pr.

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