© Renate Schrattenecker-Fischer

Nennt mich Vollzeit-Babysitterin

Warum es mich ärgert, meinen Mann als Babysitter bezeichnet zu haben, und was sechs Bier damit zu tun haben.

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2 min readJun 11, 2018

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Kürzlich habe ich einen Tagesworkshop abgehalten und meinen Mann mitgenommen, damit er in der Zwischenzeit aufs Baby aufpasst. Bei der Ankunft gab’s großes Händeschütteln und da stellte ich meinen Mann doch tatsächlich als den Babysitter vor. Ich sagte es lachend und kaum war es heraußen, habe ich mich maßlos über mich selbst geärgert. Denn wenn mein Mann und der Vater unserer Kinder zum Babysitter mutiert, wenn ich arbeite, wäre ich das ja auch jedes Mal, wenn er arbeitet.

Doch ich bin keine Babysitterin. Ich bin niemand, der zwischendurch auf die Kinder aufpasst. Ich bin die Mutter meiner Kinder. Und mein Mama-Job ist nicht nur eine vorübergehende Aufgabe, sondern eine, die ich mit der Geburt unseres Sohnes im Umfang von 24/7 übernommen habe und nun mit meiner Erwerbsarbeit in bestmöglichen Einklang zu bringen versuche.

Und gleiches gilt für meinen Mann. Oder sollte zumindest für ihn gelten.

Denn während es mir ein so großes Anliegen ist, eine gleichberechtigte Aufteilung von Eltern- und Erwerbsjob in unserer Beziehung durchzusetzen, verpasse ich seiner Aufgabe, sich um die Kinder zu kümmern, während ich arbeite, einen offiziellen (und lächerlichen) Arbeitstitel: Babysitter. Und damit wird die Selbstverständlichkeit, dass unsere Kinder auch seine 24/7-Aufgabe sind, erst recht wieder untergraben. Von mir selbst.

Ich pflege die Doppelmoral, die mich so aufregt.

Gut, ich könnte mich auch darüber ärgern, dass mein Mann als “Dankeschön” fürs Mitkommen ein 6er-Tragerl Bier von meinem Auftraggeber bekommen hat — und ich Hausschlapfen. Aber das ist das übliche Thema: Dass der Vater bei anderen der Hero ist, selbst wenn er sich nur in dem Maß um die Familie kümmert, die für Mütter ganz normal ist. Fast noch schlimmer allerdings ist für mich, wenn mir auffällt, in welcher Art und Weise wir Frauen selbst noch zu dieser Ärgerlichkeit beitragen und die Rollenbilder zementieren.

Ob mein Mann wohl schon jemals die Frage “Und wer passt gerade auf Ihre Kinder auf?” mit “Die Babysitterin.” beantwortet und damit mich gemeint hat? Wohl kaum. Er hatte bestimmt auch noch keine Gelegenheit dazu, da diese Frage Männern in der Regel nicht gestellt wird.

Je länger ich Mama bin, umso mehr regt mich das auf. Vielleicht wäre ich entspannter, bekäme ich jedes mal sechs Bier, wenn mein Mann in der Arbeit ist und ich mich um die Kinder kümmere. Als Babysitterin würde ich dann aber auch keine so gute Figur mehr abgeben.

Wie dem auch sei.

Ich geh jetzt in meinen neuen, wirklich sehr bequemen Schlapfen zum Kühlschrank und hole mir ein Bier.

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eins
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Viele Themen können ein Herz bewegen. Im Gespräch darüber — mit sich selbst und anderen — entdecken wir Inspirierendes, das uns weiterbringt.

Stephanie Doms
Stephanie Doms

Written by Stephanie Doms

Wortspielerin und Freudentänzerin. Texterin, Autorin, Yoga- und Mentaltrainerin. www.stephaniedoms.com