Kommunales agiles Netzwerk für menschenzentrierte digitale Services der Verwaltung. Kurz: ANDI.

Preis für gute Verwaltung
5 min readJul 19, 2019

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Das agile Netzwerk bringt acht Kommunen zusammen, um gemeinsam digitale Bürgerdienste im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes zu erarbeiten. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Konstanz, wurden 4 Verwaltungsprozesse, darunter der Mietpreisauskunft, entwickelt.

Das Wichtigste in Kürze

Einen gemeinsamen Denk- und Arbeitsraum schaffen

Das Agile Netzwerk besteht aus Vertreter*innen der Kommunen Konstanz, Freiburg, Mannheim, Karlsruhe und der Metropolregion Rhein-Neckar, die gemeinsam mit externen Expert*innen einzelne Verwaltungsdienstleistungen für ihre jeweiligen Kommunen digitalisieren. Nach der Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie in Konstanz 2015 ging es auch um die Frage der zukünftig, notwendigen Organisationsstrukturen für Verwaltung. Sehr schnell wurde klar, die Kommunen müssen sich zusammenschließen, denn alleine ist das Thema Digitalisierung nicht zu stemmen. Das daraufhin gegründete Netzwerk ist der Rahmen um dieser Aufgabe zu begegnen: als interkommunaler Denk- und Arbeitsraum, in dem gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft getestet werden kann, wie die agile Zusammenarbeit funktionieren kann. Und was außerdem nicht zu unterschätzen ist: In einem solchen Netzwerk finden sich die Gleichgesinnten, mit ähnlichen Vorstellungen zu zukünftigen Arbeitsweisen und -methoden.

Auf der Website des Netzwerks findet sich der Arbeitstand aller Projekte.
Die neue Website / Photo: Andi-Netzwerk
Nutzerinterviews / Photo: Andi-Netzwerk

Bei der Arbeit im Netzwerk geht es einerseits um die Verbesserung der Leistungen an sich, es geht aber vor allem auch um das Erlernen einer neuen Arbeitsweise: agil, im Prototyp, nutzerorientiert, messbar und transparent. Umgesetzt wird das Ergebnis auf der landeseigenen Plattform „service-bw“. Diese zeigt einerseits die tatsächlichen (analogen bis digitalisierten) Leistungen des Landes und der Kommunen, das ANDI-Netzwerk stellt außerdem auf einem begleitenden Blog den dahinterstehenden Arbeitsprozess und -stand transparent dar.

Workshop / Photo: Andi-Netzwerk

Ein Prozess von vielen: die Mietpreisauskunft der Stadt Freiburg

Auch im Fall der Mietpreisauskunft wurde der neue Arbeitsprozess angewandt: zunächst wurden Interviews mit zufällig ausgewählten Besuchern des Rathauses in Freiburg durchgeführt um festzustellen, wie das bestehende Angebot aus Sicht des Nutzers funktioniert und wahrgenommen wird. Die Ergebnisse dieser Umfrage bildeten die Grundlage eines Prototypen, der als Orientierungshilfe bei der internen Erneuerung des Prozesses dienen sollte. Mit ‚Prototyp’ ist eine verbesserte Version des bisherigen Ablaufs, der bereits alle Verbesserungsvorschläge enthält, gemeint. Ziel war es, das alte Konzept mit einem überarbeiteten Layout und mit einem einfacheren Ablauf des Bestellvorganges zu versehen. Herausgekommen ist nun einer neuer Rechner, der die individuelle Vergleichsmiete für jeden Nutzer innerhalb weniger Minuten errechnet.

Gespräch mit Rüdiger Czieschla, Digitales und IT Stadt Freiburg

Mit welchem Problem waren Ihre Nutzer*innen bzw. Bürger*innen konfrontiert?
Der Verwaltung fehlen Kompetenzen, Verwaltungsprozesse im Sinne der (internen und externen) Nutzer digital zu transformieren. Wir haben daher unter anderem am Beispiel des Mietspiegel-Online-Angebots der Stadt Freiburg ein neues, nutzerzentriertes Service Design umgesetzt und die dafür notwendigen Kompetenzen erlernt. Ergebnis ist die kostenlose, persönlich zugeschnittene Berechnung der Vergleichsmiete mit wenigen Klicks, anstelle eines umfangreichen (kostenpflichtigen) PDF.

Was hat sich nach Durchführung für Ihre
Nutzer*innen bzw. Bürger*innen verändert?

Der Online-Self-Service stellt die indviduelle Vergleichsmiete nach wenigen Eingaben direkt und kostenlos dar. Die in Usertests festgehaltene Dauer bis zum Ergebnis sind 1–2 Minuten! Die Bürger*innen sehen nur, was für sie relevant ist.

Wurden Nutzer*innen bzw. Bürger*innen eingebunden? Wie genau?
Bei User Interviews vor dem eigentlichen Design und bei Nutzertests zur Evaluierung des Public Prototype.

Was ist die größte Errungenschaft? Worauf sind Sie besonders stolz?
Der Prozess ist einfach und nutzerfreundlich. Er steht als Vorbild für die grundsätzliche, agile und nutzerzentrierte Vorgehensweise zur Verfügung und kann von anderen Kommunen genutzt und unkompliziert auf kommunale Besonderheiten angepasst werden. Er nutzt die Landesplattform Baden-Württembergs — „service-bw” — und unterstützt damit ein einheitliches Look & Feel aller (das ist das Fernziel) digitalen Verwaltungsprozesse. Weitere Prototypen, die die Studierenden in dem Semester entwickelt haben, werden direkt vom IT-Dienstleister des Innenministeriums umgesetzt.

Wieso haben Sie sich (unter anderem) für den
Mietspiegelrechner als Praxisbeispiel entschieden?

Die Miete ist Teil eines wichtiges politischen Felds, Transparenz über den momentanen Mieten damit auch. Außerdem sind viele Menschen betroffen. Die damaligen digitalen Hilfsmittel wurden bei Nutzerbefragung von den Nutzenden als schlecht beurteilt, es bestand also Bedarf an einer neuen Lösung.

Wie stellen Sie ihr (erlerntes) Wissen zu
Innovationsprozessen anderen zur Verfügung?

Die Universität Konstanz hat die Erfahrung auf diversen Medien veröffentlicht (siehe Liste). Die Erfahrungen wurden außerdem in einem 2-tägigen Workshop “Digital Public Service Management” mit anderen Kommunen geteilt. Der Prozess selbst kann auf der service-bw Plattform kopiert und mit kommunenspezifischen Parametern versehen werden. D.h. andere partizipieren von gutem, heißt einfachem, Design, wenn sie wollen. Wir haben Fachbeiträge veröffentlicht und einen Round Table veranstaltet.

Wie müssten sich Rahmenbedingungen/Inhalte von Lehre und Arbeit in Verwaltung verändern, um zukünftige Mitarbeiter (die jetzigen Studenten) für kommende Herausforderungen zu rüsten? Welche Kompetenzen werden gebraucht?
Die curricurale Abbildung von Service Design und Nutzerorientierung sind im Hochschulbereich unserer Meinung nach schwach. Das hat einen Grund: die klassischen Vermittlungsformen sind für dieses Thema ungeeignet. Wir halten stattdessen die gelebte Kooperation zwischen Hochschule und Verwaltung an innovativen Andockpunkten für den richtigen Weg: Hochschulen geben den Studierenden den Methodenkoffer, den sie mit kommunalen Praktikern in praktischen Projekten anwenden. Beide lernen.

Was war die größte (unerwartete, auch interne)
Herausforderung und Überraschung?

Bremser bei der agilen Entwicklung sind Menschen, denen es schwerfällt, Chancen- und Nutzerzentriert zu denken, die stattdessen z.B. auf juristische und fachliche Fallstricken fokussieren und 100% fordern. Es ist nicht immer möglich, den Design-Prozess von solchen menschlichen Erschwernissen freizuhalten, weil es z.B. keine andere fachliche Vertretung gibt.

Was würden Sie beim nächsten Mal anders machen?
Keine Prozesse angehen, bei dem Menschen beteiligt werden müssen, die nicht agil und nutzerzentriert denken können oder wollen. Ansonsten sind Fehler beim Lernen normal und hilfreich.

Linkliste
ANDI Netzwerk
Mietpreisauskunft (bitte nach unten scrollen)
Prozess Mietspiegelrechner
Netzwerk Agile Verwaltung mit Fachbeiträgen
Interview zur Gründung des Agilen Netzwerks

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Preis für gute Verwaltung

Die Auszeichnung macht neuartige Lösungen in der Verwaltung sichtbar und trägt so dazu bei, bürgerzentrierte Denk- und Arbeitsweisen weiter zu etablieren.