#2. Die Sache mit Yoga
Ich bin Inder, meine Damen und Herren!
Und das hat Konsequenzen, weitreichende Konsequenzen welche ganz anders wären, wenn ich kein Inder wäre. Zum Beispiel, wenn ich an einem Date gehe. Die häufigste Frage die mir meine jeweils reizende und charmante Begleitung stellt lautet nicht “Zu mir oder zu Dir?”, sondern “Du machst sicher Yoga, oder?”. Gut, das ist natürlich eine nette Einstiegsfrage und ausserdem bei meiner Size-Zero Figur kann die Frage auch nicht “Und wie lange machst Du schon Bodybuilding?” lauten.
Ich verneine stets mit einem Lächeln und es folgt dann mein privater Witz, nämlich “Naja, als Single Mann sollte ich vielleicht doch mal ins Yogastudio, denn nirgends ist die Konzentration von schönen Frauen im körperbetonender Kleidung höher”. Eigentlich wahr! Ich stelle mir ein Yogaraum gewissermassen als Paradies eines jeden Selbstmordattentäters vor, ohne die mühsame Notwendigkeit sich vorher in die Luft sprengen und mit einem One-Way Ticket aus dieser Welt verabschieden zu müssen.
Aber, ich bin kein Selbstmordattentäter, meine Damen und Herren! Ich bin ein fauler Sack, ein eitler fauler Sack, der sich eher mit dem Profanen als mit dem Spirituellen beschäftigt.
So stelle ich mir vor wie ich den Kopfstand machen und dabei kläglich scheitern und eine ziemlich unattraktive Figur machen würde. In diesem Raum voller Grazien die alle auf ihren Köpfen schweben, würde ich da hilflos und grimassenverziehend versuchen die Beine hochzuheben. In dem Moment würde aus den Taschen meiner Trainingshosen alles mögliche Unrat rausfallen — Münz, Schrauben, Kieselsteine, alles kaputte und halbkaputte aus dem bisherigen Leben — enttäuschte Hoffnungen, nicht eingehaltene Versprechen, verletzter Stolz, gebrochene Herzen, alles was mich daran erinnert, dass ich kein guter Sohn, Bruder, Partner, Freund Vater usw. gewesen war und bin, dass ich hie und da immer ein bisschen gescheitert bin, Erinnerungen an Fundstücke die mein Kind mir, einem geschiedenen Vater zum Aufbewahren schenkt, wenn er bei mir ist und die ich tatsächlich in vielen kleinen Schalen bewahre anstatt sie diskret wegzuwerfen, Schuldgefühle die mir mein schlechtes Gewissen entgegenstreckt und die ich ebenfalls irgendwo in einer Schublade einstecke.
All dies würde mich dann einholen, als ich da alleine wäre, alleine in diesem Raum, alleine mit mir, mit meinen Gedanken, mit meinem schlechten Gewissen, dieser steter Begleiter eines jeden Erwachsenen. Auf meinem Kopf stehend wäre ich unfähig mich dagegen zu wehren oder auch zu fliehen. Warum sollte ich mir das antun wollen?
Und Sie dachten, Frauen seien kompliziert?
Ich stelle mir vor, dass ich als Frau mich in so einem Yogaraum total entspannt fühlen würde. Aber nun ist es mal zu spät. Man ist halt als Mann geboren. Man kann zwar hier auf die Wunder der modernen Medizin berufen und die Möglichkeit einer Geschlechtsumwandlungsoperation erwähnen, aber ich stelle mir das ganze “Transamerica” Dings als noch komplizierter als mein bescheidenes Schicksal.
Sie sehen meine Damen und Herren! Ich und Yoga, wir werden nicht so bald Freunde. Aber wer weiss? Ich hoffe demnächst Schweizer Bürger werden zu dürfen, woraufhin ich meinen indischen Pass verlieren würde. Vielleicht, vielleicht packt mich dann die Lust, plötzlich “fremde” Kulturen zu erkundigen, z.B. die indische. Da könnte ich mich voll gehen lassen und einen Yoga-Kurs mit einem Ayurveda-Workshop in Kerala buchen. Seien Sie gespannt, meine Damen und Herren! Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.