West Highland Way 2016

Erfahrungsbericht / Empfehlungen / Linkliste

Sascha Weigel
9 min readAug 17, 2016

Vorspiel

Ende Juli 2016 war es soweit, der West Highland Way stand bevor. Um nicht direkt vom übervollen Schreibtisch in die Highlands zu gehen, beschloss ich vorher, ein paar Tage in die Alpen zu fahren. Dort ging es zunächst auf die Zugspitze und dann noch kurz für zwei Tage nach Zermatt. Damit war ich für den West Highland Way in Schottland gewappnet — dachte ich.

Matterhorn, Zermatt, Schweiz

Gleichwohl, wenn ich schon keine wirkliche Weitwanderung 2016 unternehme, dann kann ich wenigstens den höchsten deutschen Berg besteigen, am schweizerischen der Meinung sein, vor 20 Jahren hätte sich entsprechendes Training möglicherweise ausgezahlt und zum höchsten Berg des Vereinigten Königreiches, dem Ben Nevis, hinlaufen – wenigstens von Glasgow aus.

Denn genau diese Strecke stand für mich an, als ich mir den West Highland Way raussuchte, um meine diesjährige Wanderung auf der Insel zu verbringen. Ich hatte von Großbritannien ja keine Ahnung — und das bestätigte sich vollends in Schottland.

Weg und Etappen meiner WHW-Wanderung 2016

Zunächst werde ich den Weg kurz beschreiben (I), dann ein paar Erfahrungen als Tipps und Empfehlungen notieren (II) und zum Schluss noch weiterführende Links auflisten, die sich lohnen, für die Reise gelesen zu werden (III).

I. Erfahrungsbericht West Highland Way 2016

Anfang August ist die denkbar schlechteste Zeit, den WHW zu laufen. Aber das zeigte sich für uns nicht an den ersten Tagen, die wunderbar zu laufen waren, mit Sonne, erfrischendem Wind, einem tollen Himmel und den wunderbaren Lowlands vor den Augen.

Tag 1–4: Glasgow — Milngavie–Drymen–Campsite Cashell

Zunächst liefen wir die Strecke von Glasgow Zentrum bis zum Ausgangspunkt in Milngavie (sprich: M’lgai…so in etwa ;-)) zu Fuss. Die ersten 10 km sollten uns die Stadt näherbringen. Tatsächlich war es eher abstoßend. Glasgow ist zumindest auf diesem Teilstück das, was man davon erzählt…seit mehr als 100 Jahren: Die Stadt lohnt sich einfach nicht. Und dennoch: Ich würde die Strecke beim nächsten Mal wieder laufen, denn es ist schon erstaunlich, wie zügig man sich, einmal in Milngavie angelangt, in die wunderbare Natur der Lowlands begibt. Einfach die Treppen runter und zum “Hintertürchen” raus — und schon ist man mitten im Grünen.

Wasserreservoir von Milngavie, dem Ausgangspunkt des WHW, ca. 10 km von Glasgow entfernt.

Der erste Tag auf dem WHW führt dann durch herrliche kleine Wäldchen und über Felder bis nach Drymen, freilich nicht ohne vorher von einem whiskyerprobten schottischen Ranger auf die Gefahren aufmerksam gemacht zu werden, unter Alkoholeinfluss zu wandern. Und dennoch konnte er auch in seinem Zustand das Wort Dehydration verständlich aussprechen.

Vorbei am Carbeth Loch (Loch ist sowas wie ein See), die Glengoyne Distillery haben wir links liegen gelassen, um direkt unser Zelt auf der Easter Drumquhassle Farm aufzuschlagen, die einen kleinen Zeltplatz beherbergt. Wildzelten tut ja nicht not, wenn man eine Dusche und Stromanschluss zur Verfügung haben kann. Jedenfalls hatten wir damit genug Zeit, in Drymen in den Clachlan, dem ältesten lizensierten Pub, zu gehen. Hat sich gelohnt.

Sodann ging es (am nächsten Tag) über die letzten Lowlands hoch auf den Conic Hill, der Grenze zu den Highlands und zum Ausgangsufer des riesigen Loch Lomonds, das Gewässer, dass die nächsten 1,5 Tage abzuschreiten war.

Weg zum Conic Hill, Ende der Lowlands, Ausgangsufer des Loch Lomonds.

Auf dem Campingplatz Cashell angekommen, begann es dann zu regnen — und nicht mehr aufzuhören. Die Nacht blitzte und donnerte es, wie ich es bisher kaum je erlebt habe. Und schon gar nicht in einem Zelt. Dieses hat sich hier erstmals wirklich bewähren müssen und bewährte sich auch. (Dazu weiter unten mehr.)

WHW 2016 — Die Farben markieren die einzelnen Etappen.

Tag 5–6 Beinglas Farm — Tyndrum-Glencoe Mountain Campsite

Der Weg von Beinglas Farm nach Tyndrum ist wunderbar, wenn auch zum Teil sehr steinig. Wessen Füsse hier schon von der Uferwanderung am Loch Lomond und dem möglichen Regen angeschlagen oder gar ramponiert sind, wird seinen Genussanspruch zurückschrauben müssen. Alle anderen werden die grandiose Aussichten genießen können.

Da wir mitten im Sommer unterwegs sind, war es jetz — sowohl wettertechnisch als auch räumlich — an der Zeit, die berüchtigten schottischen Mücken, die Midgies, kennenzulernen. Und bei Gott, das haben wir. Je näher wir nach Glencoe Mountain kamen und uns Kingshouse und Kinlochleven näherten, desto klarer stand uns vor Augen, dass wir zur Brutstätte dieser Dinger vordrangen. Sie sind so klein, dass sie einfache, festlandstaugliche Mückennetze überwinden (feinmaschigere Netze für den Kopf gibt es in Schottland überall!) und ohne wirklich weh zu tun, jeden, der um Contenance bemüht war, um den Verstand zu bringen. Sie kamen, sie blieben, sie holten Verstärkung, sie beißen, ach was, sie reißen Dir das Fleisch in winzig kleinen Stückchen aus der Haut.

Es gibt zwei Möglichkeiten:

  • Die kontinentale Variante: Lange Kleidung, Socken über die Hose, Handschuhe, Mückennetz, Diverse Schutzsprays und Cremes — und Luft anhalten. (Die Biester reagieren auf CO2 und holen Verstärkung, wenn geatmet wird!), Vorteil: Du fühlst Dich im Krieg aktiv. Nachteil: Du scheiterst.
  • Die schottische Variante: Beißen lassen, Gelassenheit an den Tag legen, Whisky trinken. Der Körper gewöhnt sich dran und reagiert nicht mehr juckend. Wichtig ist, niemals zu kratzen! Vorteil: Du bist (für die anderen) ‘ne coole Sau. Nachteil: Du schaust aus wie ein gerumpftes Huhn.

Meine Empfehlung: Die schottische Variante, bei Bedarf gern auch mit Kopfnetz. Ansonsten die Tipps im Anschluss hier beachten.

Tag 7–8 Kinlochleven — Fort William

Die letzten beiden Tage waren wieder verregnet und mit einem wirklich unschönen Abschluss. Aber dennoch erlebte ich das Laufen selbst als wunderbar entlastend, erholend und abwechslungsreich. Die Berge sind zum Staunen schön, nicht derart bombastisch wie die Alpen, v.a. die Dolomiten, sondern vielmehr hügelig und dennoch so mächtig.

Scotish Style.
Genau, Sonne! Selten schöner Anblick — im doppelten Sinne…

In Fort William, dem Ankunftsort des WHW, war es unmöglich, eine Unterkunft zu bekommen. Wir suchten bei strömenden Regen und mit bereits 25 km in den Beinen verzweifelt eine Unterkunft in diesem Örtchen. Es ist nicht groß, aber uns schien, dass alle Häuser für Gäste vermietet werden würden, Hotels, B&Bs, Hostels etc., aber dennoch — nirgends etwas frei. Schon die Tage zuvor hatten wir versucht, telefonisch ein Zimmer zu reservieren. Uns war am Ende der Reise nicht mehr nach Zeltplatz, zumal wir von dessen mieser Qualität bereits in Tyndrum gehört hatten. Und der Zeltplatz lag 3 km vor dem Ziel in Fort William! Wenn es etwas gibt, dass auf einem Weitwanderweg gar nicht geht, dann ist es, zurückzulaufen! Wer im Camp was liegen lässt? Schwund gibt’s immer!

Zurücklaufen ist das Einzige, was Du auf einem Weitwanderweg nicht erleben oder selbst machen wirst.

Nun, das war ärgerlich, dass wir in Fort William keine trockene Unterkunft erhalten konnten. Für den Ankunftsort des wichtigsten und größten Weitwanderwegs in Schottland müssen zumindest Notunterkünfte vorgehalten werden. Hier kommen täglich dutzende, wenn nicht gar hunderte Weit- und Kurzwanderer an. Am letzten Tag, schätze ich mal, waren sicherlich 50–80 Wanderer auf dem Weg in Richtung Fort William. Nun, sei’s drum. Glücklicherweise trafen wir drei Landsleute aus Sachsen, Lisa, Gregor und Saskia, die uns freundlicherweise geholfen haben, unerlaubterweise, aber trocken im Hostel übernachten zu können. Großes Kino!

Am nächsten Tag ging’s dann sofort nach Edinburg — und der Ben Nevis, der höchste Berg des Königreichs, muss bis zum nächsten Mal warten ;-)

In Edinburgh ist im August großer Festival-Monat…wir zählten 7 Festivals, Musik, Schauspiel, Konzerte, Poetry-Slam und einige mehr. Dennoch war es relativ unproblematisch, ein Zimmer zu bekommen und in Ruhe die Stadt auf uns wirken zu lassen. Nach dem WHW ist das schon allein nicht ganz einfach. Aber Edinburgh hat uns einfach in seinen Bann gezogen.

Edinburgh, Schottland

II. Tipps und Empfehlungen

  • Die Highlands sind fantastisch, der Weg zum Staunen. Deshalb in der genußreichen Frühjahrszeit laufen. Ist besser als in der Hochsaison: Unterkünfte nicht überfüllt, weniger Midgies.
  • Tipps gegen Midgies: Lauf nicht im Hochsommer! April/Mai ist super, wohl auch der Oktober. Aber nicht Juli und August. Juni? September? Zu risikoreich, würde ich sagen. Ansonsten hilfreich — die Midge-Forecast-App: https://www.smidgeup.com/midge-forecast/
  • Elektronik: Für die Steckdoses den Adapter nicht vergessen, https://de.wikipedia.org/wiki/Stecker_BS_1363 (Der Trick mit dem Wattestäbchen ist kein Trick, sondern nur was für Leute, die Ahnung von Strom haben oder bekloppt sind.)
  • Iss Haggis, vergiss, was es is. Black Pudding hingegen, ist nur was für Leute, die auch “tote Oma” (http://lmgtfy.com/?q=tote+oma) essen.
  • Stöcke/ Trekking-Poles sind hilfreich und für die Highlands absolut empfehlenswert.

III. Ausrüstung und Equipment

(Im Folgenden gebe ich ausschließlich meine Erfahrungen wieder und erhalte von den jeweiligen Firmen keine Provision oder sonstige Vorteile.)

  • Zelt: Es handelt sich um ein amerikanisches Einwand-Zelt von Tarptent, namentlich das Squall 2, keine 1000g schwer und innerhalb von 2 Minuten aufgebaut, ist es das perfekte Zelt für Weitwanderungen, egal ob zu zweit oder alleine. (Hier kannst Du Zelte von Tarptent in Deutschland beziehen: www.trekking-lite-store.de) Aufgebaut wird es mit einem oder zwei Trekking-Poles, so dass die auch im Camp genutzt werden.
  • Trekking-Poles, ich sagte es ja oben bereits, sind empfehlenswert und für Tarptents zum Aufbau ohnehin notwendig.
  • Ich bin ein Fan von (ultraleichten) Wanderschirmen und in Schottland lohnen die Dinger auf jeden Fall. Einer reicht freilich. Sie schützen dauerhaft vor Regen, sind psychologisch enorm wertvoll, weil der Regen nicht direkt auf die Kleidung kommt und weil sie schnell aus- und eingepackt sind, kein lästiges Rucksack abhuckeln, keine Überhitzung beim Laufen, und Du kannst im Regen fotografieren! Also rundum hilfreich. Der Rest sind Vorurteile.
  • Das Handbuch aus dem Conrad-Stein-Outdoor-Verlag ist hilfreich (https://www.conrad-stein-verlag.de/p/verlag/show_book.html?isbn=978-3-86686-371-2&edition=9&t=1471420680536), ansonsten gibt es vor Ort kostenfreies Infomaterial mit Wegbeschreibung und Unterkunftslisten!
  • Ich laufe ausschließlich in Halbschuhen. Für meine breiten Füsse sind dabei Meindl-Schuhe optimal. Wichtig ist, dass sie wasserdicht sind (Gore-Tex bzw. GTX!) und mit kurzen Gamaschen getragen werden. Gamaschen helfen, dass das Wasser nicht über die Socken in den Schuh gelangen. Wer hohe Schuhe trägt, braucht das vielleicht nicht. Aber das kann ich nicht beurteilen. Oder Du wählst die gegenteilige Strategie: Nicht versuchen, das Regen-Wasser außen vor zu halten, sondern Schuh und Materialien zu wählen, die schnell trocknen! Dann sind sommerliche Trail-Runners vielleicht genau Dein Ding. Geschmackssache.
  • Rucksack. Braucht nicht mehr als 1,5 kg zu wiegen und braucht nicht mehr als 50–55 L fassen. Alles andere ist zu schwer. Wer noch keinen Rucksack hat, sollte gleich einen leichten Rucksack kaufen (weniger als 1 kg!). Wo Du Dir einen guten Überblick zu solchen Rucksäcken verschaffen kannst, ist im Trekking-Lite-Store (http://www.trekking-lite-store.com/Rucksaecke:::3.html?XTCsid=ll71q3s5cj0fu3ntu93bckuj54) Die sind nicht immer preiswert oder die stabilsten, aber 2500–5000 km und damit mehrere Jahre halten die Rucksäcke (mit Bedacht umgegangen) allemal. Es tut absolut nicht not, einen Rucksack zu kaufen, denn Du in 25 Jahren noch in den Händen kaum halten kannst und nur Leidensgeschichten erzählst. Das will keiner hören und Du nicht erleben! (Mein Erfahrungswert: Ich kenne keinen Wanderer, der mit einem viel zu schweren Rucksack unterwegs ist, und kein Geld ausgeben würde, ein paar Kilo weniger tragen zu müssen. Davon lebt der Gepäcktransport auf den Wegen zwischen den Camping-Plätzen. Gib das Geld im Laden aus.) Immer noch der beste Beitrag zum Thema UL-Rucksack: http://www.fastpacking.de/2015/09/15/1/ von Carsten Jost.
  • Schlafsack: Auch hier, bezahle jedes Gramm und Du wirst nachts gut schlafen und tagsüber froh sein, wenig tragen zu müssen.

Wer sich generell für das Thema ultraleichtes Wandern interessiert, kann gern in den Kommentaren Fragen dazu stellen. Einen guten Überblick über das gesamte Thema findest Du bei Carsten Jost: http://www.fastpacking.de/ausruestung/.

IV. Hilfreiche Links

Was ich sonst mache: www.inkovema.de

--

--

Sascha Weigel
Sascha Weigel

Written by Sascha Weigel

Wege Entwickeln. Wanderungen durch Europa.

No responses yet