“Was zur Hölle ist ein Simmentaler Rind?”

Hendrik Haase
6 min readJul 24, 2015

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Die findigen Werber von Leo Burnett haben sich für den strauchelnden Fast-Food Riesen Mc-Donalds neue Sprüche ausgedacht. Mit hochtrabenden Claims wie Für Gourmets, die keinen Tempel brauchen und Die neue Genuss Klasse will man ein Stück vom Street-Food Kuchen abbekommen, der Mc Donalds alt aussehen lässt.

Die Werber, die selber sicher lieber handgemachte Burger in der Markthalle Neun essen, haben nicht nur neue Krakelschriften und künstliche Holzoberflächen erdacht, mit denen sie das industriell gefertigte Essen neu verpacken wollen, sondern auch ein kleines Siegel, das mit 100% Simmentaler Rind aus Deutschland Qualität suggerieren soll.

Doch mit was will der Fast Food Riese da der wachsenden Street Food Konkurrenz machen, die dazu führt, dass “zu McDonalds gehen” ungefähr genauso so cool geworden ist, wie die Bravo zu lesen?

Zeit für einen Selbsttest.

“Wo ist denn überall das Simmentaler Rind drin?”, frage ich am Counter.

Die Frau hinter dem Touchscreen schaut verdutzt. “Was zur Hölle ist ein Simmentaler Rind?” fragt sie mich. “Na, das steht doch überall auf den Postern drauf”, erwidere ich, “auch da oben auf der Anzeige.” Ungläubig schaut die Angestellte auf den leuchtenden Burger über ihr. “Ich wollte nur mal probieren und wissen wo das überall drin ist und wo normales Rindfleisch verwendet wird”, erkläre ich. “Oh, dass weis ich nicht.” sagt sie und sucht einen Kollegen, der vielleicht mehr weiß.

Auch der zweite Mitarbeiter, der gerade die Pommes mit Salz bestreut, weiß nicht so recht, was er mit dieser Frage soll. “Was suchen Sie?” fragt er mich “Das Simmentaler Rind.” antworte ich. “Was soll das sein?” hakt er nach. Ich erkläre kurz, worum es geht. “Ach so, keine Ahnung.” Es wird ein weiterer Mitarbeiter gesucht. Die einfache Frage bringt Unruhe hinter die Kasse.

Zu Dritt wird nun nach einer schnellen Lösung gesucht. “Wo die Tiere geschlachtet werden kann ich Dir nicht sagen, falls Du das auch wissen willst”, ergänzt der hinzugezogene Mitarbeiter über die Schulter. Gefragt hatte ich gar nicht. Die Kunden hinter mir werden unruhig.

Wir einigen uns schließlich, dass im Bacon Clubhouse wohl dieses Simmentaler drin sein muss, gemeinsam finden wir das Zeichen auf der Packung.

“Im Menü?” “Nein, einzeln bitte.”
Ich bekomme einen kleine Pappkarton gereicht.

Was auffällt ist, dass dieser Pappkarton, wie eine kleine Holzkiste ausschauen soll. An der Seite wird auf das Simmentaler Rind hingewiesen. Stolz steht dann zusätzlich an der Lasche noch einmal extra groß drauf, dass 100% Simmentaler verwendet wurde! Der Konzern scheint sich richtig in dieses Rind verliebt zu haben.

Ein kräftiges Tier ist da abgebildet. Von der Statur her ein ausgewachsener Bulle. Fleisch von so alten Tieren wird hier allerdings nicht zur Verwendung gekommen sein, denn die Tiere gehen in der Massentierhaltung völlig ausgemergelt nach nur wenige Jahren zum Schlachthof. Bei den Hörnern ist dem Illustrator der Werbeagentur wohl auch der Stift ausgerutscht, denn behörnt sind die Tiere nur noch selten. Viel zu gefährlich in der Enge, wo jedes Rind nur noch knapp 3qm Platz hat. Die Hörner, ein wichtiges Organ des Rindes, werden daher früh verödet.

An der Seite wird stolz mit dem Salat geworben, bei dem man auch auf einmal den Namen, Lollo Bionda, entdeckt hat. Der Salat soll knackig sein und die Zwiebeln sogar frisch. Diese Begeisterung für die einzigen Lebensmittel, die nicht aus der Plastiktüte oder Dose kommen, kenne ich bereits von meinem Besuch bei Burger King, wo man sich sogar auf großen Postern für die “täglich frisch im Restaurant geschnittenen Tomaten” feiert.

Der Burger, den ich unter dem Pappdeckel finde, sieht natürlich in keinster Weise so wie auf dem Foto aus, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Der Unterschied zur abstrusen Werbewelt wirkt nur umso krasser, da der Vergleich auf dem Deckel prangt und ich wie bei einem Vor- und Zurückspiel vergleichen kann.

Die “neue Genussklasse” scheint auf Essthetik keinen Wert zu legen.

Das Schlimmste ist der Beginn, das “Brötchen”. Eine homogene, industriell aufgeblasene Masse, die ich als technische Mehl-Ingenieursleistung bezeichnen würde, aber nicht als Backwerk. Das Zusammenspiel von feiner Kruste und der samtenen Krume eines Briocheteiges fehlt völlig. Stattdessen krümelige Pappe ohne Eigenaroma.

Das Fleisch ist furchtbar wässrig und gummig, meilenweit von einem Medium gebratenen Burger entfernt, der optimaler Weise krümelig im Mund zerfällt und mit den anderen Zutaten ein aromatisches Feuerwerk zündet. Hier wurde nicht gebraten, sondern an der Oberfläche gekokelt und in der Mitte gekocht, bis ein grauer und zäher Klumpen entstand. Ich muss an die Plastikschalen denken, in denen bei Günter Wallraff die Buletten warmgehalten wurden, bis sie weiter verwendet wurden.

Die analoge, gelbe Schmelzkäsemasse, die sich über das Fleisch ergießt, klebt sofort an den Zähnen und hat außer Salzigkeit und etwas künstlichem Käsearoma nicht viel zu bieten. Diesen Tritt unter die kulinarische Gürtellinie kenne ich noch von früher.

Die völlig danebenaromatisierte und freudlos verhauene “Special House Sauce” , die einem bald über die Finger fließt, ist eine weitere extreme Zumutung im Angesicht der angepeilten Gourmet-Klasse. Die Sauce gibt dem ansonsten schon recht schlechten Burger den Rest.

Das Gemüse ist noch das Beste
an diesem Burger

Eins stimmt: Der Salat ist in der Tat “knackig” und die Zwiebeln sind in der Tat “frisch” geschnitten. Auch die Tomaten haben etwas von einem Lebens-Mittel. Wie bei Burger King sind diese letzten Schnipsel frischer Lebensmittel das letzte Relikt, was noch etwas mit Essen zu tun hat. Der Rest ist eine völlig vergurkte, industrielle Einöde für das Auge und die Geschmacksknospen. Gnadenlos langweilig.

Am Ende bleibt für mich die Frage: Wo zur Hölle war das Simmentaler Rind, um das sich doch hier alles drehen sollten und mit dem man mich wochenlang auf großen Werbetafeln genervt hat?
Ich habe es, wie die Mitarbeiter hinter der Theke, nicht finden können.

Nach dem Genuss dieses missratenen Quatscherzeugnises, das immerhin fast 5,00 Euro kostet, möchte man in die Agenturen und die Firmenzentrale des Konzerns fahren, und es den Verantwortlichen um die Ohren hauen.

Doch die sind heute wahrscheinlich alle auf einem Street-Food Markt, richtige Burger essen.

Ach ja und was ist eigentlich nochmal ein Simmentaler Rind?

Ihre Ursprünge hat die Rasse im schweizerischen Simmental im Berner Oberland, wo sie lange Zeit als Hausrind gehalten wurde. Besonders macht die Rasse, dass sie als Zweinutzungrind gute Fleisch- und Milchleistung erzielt. Mittlerweile sind Kreuzungen des Simmentaler Fleckviehs oder kurz Fleckvieh auf der ganzen Welt millionenfach verbreitet und zu einer, der am weitest verbreitesten Rinderrasse der Welt geworden. Das Fleckvieh ist in der industriellen Tierhaltung beliebt und wird in der Intensivmast sehr schnell auf sein Schlachtgewicht gebracht. Oft handelt es sich dabei jedoch nicht um die ursprünglichen, reinrassige Tiere sondern um Kreuzungen, die zu größerer Leistung getrimmt wurden. Diese aus künstlicher Besamung stammenden Mischungen haben mit den Qualitäten des originalen Simmentalers, wie es die Werbung von McDonalds suggeriert, nichts mehr zu tun.

In den Burgern findet sich Allerwelts-Rindfleisch.

Das Simmentaler Rind mit dem rot-bunt geflecktes Fell kann bei einer extensiver Haltung mit natürlichem Futter durchaus gute Fleischqualitäten besitzen und nach entsprechender Reife ein großartiger Genuss sein.

Simmentaler Rind schmeckt.

Bei McDonalds ist es jedoch nicht
zu finden.

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Hendrik Haase

Verteidigungsministerium für das kulinarische Weltkulturerbe / Gastrosophische Krisenbewältigung. co-founder of the infamous Schnippeldiskosoupe movement.