TourzZz — Tagebuch

Excelsior Recordings
17 min readSep 24, 2016

--

Amsterdam — Leipzig 630 km

Liebes Tagebuch,

am 21. September ist unsere Tour durch Deutschland gestartet. Anlass ist unser vor Kurzem erschienenes Album ‘Juggernaut’, das so viele positive Reaktionen geerntet hatte und die werden wir jetzt live bestätigen.

Nach sieben Jahren arbeiten wir endlich mal wieder mit Mixer Remco Frijns. Er ist inzwischen fester Tontechniker von Mark Lanegan, aber während unserer beiden ersten Platten hatten wir mit ihm eine ganze Menge Tour-Abenteuer in Amerika, Süd-Afrika, Russland, Japan und Europa. Nachdem wir Backline und Merch in den Bus gestopft hatten, sind wir noch kurz beim IJland Studio / de Cantine reingesprungen, um Remco’s Korg Stage Echo 300 abzuholen. Wie schön, dass wir Remko Schouten und Guy noch mal auf ein Tässchen Kaffee gesehn hatten. Und jetzt: Vamos.

Kurz vor der Grenze noch schnell einen Coffee to go geholt und ein Wurstbrötchen mitgenommen. Jetzt geht’s los!

Wir freuen uns riesig auf die Abenteuer und Currywürste die auf uns warten. Die erste Show ist in der guten alten Ex-DDR. Remco aka Rocco sitzt auf dem Fahrersitz. Bjorn liest das Jungle Book und Goethe’s Faust auf Deutsch. Daan liest Van Andriesen tot Zappa von Erik Voermans. Alles läuft wie geschmiert. Bei Kassel landen wir in einer Polizeikontrolle. Nach einiger Fragerei und Schweißausbrüchen dürfen wir weiter. Noch 150 km bis zum Ziel.

Dann braut sich ein pechschwarzer Himmel zusammen, der uns bis nach Leipzig begleitet, ohne dass ein Tropfen Regen fiele.

Als wir beim Tanzclub Ilse’s Erika ankommen, scheint die Sonne wieder. Es ist sechs Uhre abends, als vor uns drei große Krüge eiskaltes einheimisches Bier auftauchen. Unsere ersten auf der Tour. Und dann die Currywurst! Sehr nett! Und die Soße ist schön scharf. Der Musikclub befindet sich im Keller eines hübschen freistehenden Gebäudes umgeben von einem parkartigem Garten, in dem sich auch noch ein nettes Café/Restaurant mit Terrasse befindet. Weil im ersten Stock ein Kino ist, machen wir die Soundchecks zwischen den Vorstellungen.

Dann erstmal schön chillen.

23:40: Showtime. Der Club ist ganz gut gefüllt mit tanzfreudigem Publikum, das nach den ersten zZz-Akkorden umgehend durchdreht. Der Merch geht weg wie geschnitten Brot. Wir vernichten noch mehr vom lokalen Bier, ein paar Kurze ‘Kräuter Wilhelm’, noch leckerer als Jägermeister. Um drei sacken wir das Backstage-Obst ein und schlurfen Richtung Hotel.

Morgen geht’s weiter nach Berlin.

Leipzig — Berlin 250 km

Liebes Tagebuch.

Nach einer Mütze voll Schlaf fängt Tag zwei der zZz-Tour für Remco mit einem 7km-Lauf an. Björn erkundet das Viertel und Daan liest und schreibt.
Leipzig ist hübsch, das Viertel wo wir wohnen, heißt Connewitz und ist offensichtlich fast vollständig fest in linker Hand: Hausbesetzer, Vegetarier, Crusties, Punks, Tagediebe, Saufnasen usw…
Gegen Mittag sind wir zurück am Club und entladen unser Büschen, weil uns das sicherer erschien, als unser Equipment im Club zu lassen.
Mit Chris, dem Promoter, genießen wir ein Spitzenfrühstück, direkt um die Ecke vom Club.
13:00 Wir reisen ab Richtung Berlin.
Eine zZz-Tour ohne Kurzweil und Chillen, deshalb lümmeln wir schon nach einer halben Stunde an einem See. Wir schwimmen ein Ründchen und uns wird allmählich klar, dass wir an einem FKK-Strand liegen.
Björn hat übrigens auch noch ein Eichhörnchen gesehen. Herrlich erfrischt setzen wir die Reise nach Berlin fort.
Unterwegs haben wir uns noch eine Currywurst geteilt.
Gegen 18: 00 erreichen wir die BLO-Ateliers, ein Biotop für Künstler auf einem ehemaligen Rangierbahnhof der Deutschen Bahn.
Wir werden herzlich von Alice, der Veranstalterin empfangen, die sich später noch als phantastische Köchin erweisen wollte.
Wir können direkt auf die Bühne zum Soundcheck. Der Club in dem wir spielen sollen, befindet sich in einem der vielen schönen Gebäude, deren reiche Geschichte wir im Laufe des Abends noch zu hören bekommen werden. Es war nämlich ein Ort, von dem zur Nazi-Zeit viele Juden abtransportiert worden waren.
Nach dem Soundcheck steht eine vegetarische Spitzenmahlzeit bereit. Kürbissuppe, verschiedene Salate, köstliches Brot und leckerer Fetakäse. Danach gab es Kaffee mit einem Duplo zum Dessert.
Und dann beginnt ein langes Chillen…

Die Schwarze Katja, die wir vom ADM in Amsterdam kennen, ist auch da. Wir haben uns bestimmt fünf Jahre nicht gesehen und haben uns ja sooo viel zu erzählen an diesem schwülen Spätsommerabend.
Auch das Mädchen, das mal beim LVC in Leiden gearbeitet hatte, ist da. Sie hatte uns anno 2007 mit Hering versorgt, als wir da gespielt hatten. Hollandse Nieuwe (‘Matjes’) stehen bei uns immer ganz oben auf der Cateringliste. Allerdings kriegen wir die nicht immer. Aber wenn, dann reißen wir die Hütte immer besonders gründlich ab. Hering ist eben die Droge unserer Wahl.
Um 23:00 fängt unsere Vorgruppe ‘Schmund’ an. Eine deutsche One-Man-Electroband. Ziemlich geil…
Dann ist auch schon Mitternacht und wir gehen an den Start. Das Publikum ist jetzt gut angewärmt und wird ruckzuck locker. Es wird ordentlich getanzt und gejohlt.
Wie immer spielen wir wie um unser Leben und auch jetzt wird der Einsatz gewürdigt. Die Leute gehen komplett durch die Decke.
Nach der Show entspannen wir uns bei ein paar kühlen Krügen Bier. Herrlich, fast als ob man aus dem Fitnesscenter käme, nur noch besser. Der Merch geht wieder weg wie warme Semmeln und wir feiern noch bis in die Puppen.
Was für ein geiler Laden. Total nette Leute und genau wie in Leipzig wollen sie, dass wir recht bald zurückkommen.
Morgen geht’s nach Oldenburg!

Berlin — Oldenburg 450 km…

Tag 3

Berlin — Oldenburg

470 km

Liebes Tagebuch,

Die Nacht in Berlin war top und mit dem restlichen Gästen ging die Party noch bis in die Puppen.

Wir haben schön Platten aufgelegt, ein paar schickere Pärchen auf der Tanzfläche und drei unbeirrbare Bargäste, die dieselbe nach und nach übernehmen, während die Zwarte Katja einem baumlangen Hühnen alle Winkel des Clubs zeigt.

So langsam hatte die Szene was von einem alten Fellini-Film.

Zum Abschluss des Abends, die Sonne steht schon hoch am Firmament, finden wir uns auf einem Bett in der Küche, auf der Rückbank vom Tourbus und neben der Tanzfläche auf zwei zusammengeschobenen Sitzecken wieder.

Das Frühstück besteht aus den Resten vom Abendessen — absolut köstlich- und wunderbar duftendem Kaffee. Nach so einer Nacht kommt einem einfach alles überirdisch und paradiesisch vor! Wäre da nur nicht dieser verdammt Kater.

Wir verabschieden uns von Alice und nehmen Kurs auf Norden.

Die Reise geht nach Oldenburg in Niedersachsen und dauert ungefähr fünf Stunden.

Wir tanken, kaufen uns ein Eis, denken uns deutsche Lieder über Autoschrauber aus und bepissen uns fast vor Lachen.

100 km vor Oldenburg machen wir eine Currywurst-Pause. Die Frau hinter der Theke ist eine unglaubliche Zicke. Sie bellt fast. Sehr lustig.

Die Currywurst ist perfekt. Eine gut gewürzte Weißwurst mit einer schönen leicht süßen Soße. Jetzt ist auch der Kater offiziell Geschichte.

Oldenburg sieht nach Geld aus. Schöne alte Gebäude und saubere Straßen. Also nicht grade Rock’n Roll.

Der Polyester-Klub dagegen schon eher. Ein schönes kleines Sälchen für 120 Gäste mit geschmackvoller Early-70ies-Möblierung.

Dann plötzlich scheint der Lesley-Amp den Geist aufgegeben zu haben. Ganz der Automonteur lötet Remco ihn aber wieder zusammen und wir starten mit dem kurz und knackigen Soundcheck. Das Abendessen besteht aus warmer Pita mit Tzaziki und einem Jever. Wir rufen kurz nach Hause an und chillen ein bisschen. Die Ruhe vor dem Sturm.

21:45h fangen wir an. Der kleine Saal ist gut gefüllt und die Besucher machen einen motivierten Eindruck.

Und auch hier gehn die Leute gut ab. Sie sind schwer begeistert und johlen: “RocknRoll! RocknRoll!”

Die Show läuft super und die Impros geraten spacig. Bei ‘My Girl’ bildet sich sogar ein kleiner, wilder Moshpit. Auch hier geben wir eine kleine Zugabe.

Während die Echos und Delays immer noch lärmig nachhallen, gehen wir nach hinten in die Bar, um uns Biere zu holen.

Wir drehen uns um und sehen die Rücken des Publikums, das noch immer unseren dampfenden Instrumenten zujubelt, schrit und applaudiert. “Zugabe! Zugabe! Zugabe!” Es ist als würden wir Zeugen unserer eigenen Show. Fast ein Outer-Body-Erlebnis.

Wir verkaufen unseren Merch, hauen ein paar Tequilas weg und unterhalten uns noch nett mit Besuchern. Um 1 Uhr nachts verabschieden wir uns von Polyester-Stefan und fahren Richtung Appartement. Und wir verdrücken noch flott einen türkischen ‘Hotdog’ aus einem Kalbsdöner, Sauerkraut und extrascharfer Soße.

Im Appartement angekommen, entstehen noch ein paar lustige Variationen von deutschsprachigen Songs über Autoschrauber. Wir zappen noch mal kurz durch das TV-Programm und gehen in die Pofe. Morgen gehts weiter nach Hamburg.

Oldenburg — Hamburg 170 km

Tag 4

Oldenburg — Hamburg 170 km

Wir werden wach in einem kleinen Appartement am Rande der Innenstadt. Remco geht eine halbe Stunde joggen.

Frühstück. Wir haben Appetit auf Kaiserbrötchen mit Bierwurst und einem bisschen Obst, aber scheinbar haben die Supermärkte hier sonntags zu.

Bei einer Tanke kaufen wir Eier und Käse und bei einem Bäcker Brot. Daraus zaubern wir ein Gourmetfrühstück mit gekochten Eiern, knusprig getoastetem Brot, Käse und Tee.

Das Frühstück eines Automonteurs.

11:30h: Wir machen uns auf den Weg nach Hamburg. Remco fährt. Die Sonne scheint und es sind nur noch 200km. Genug Zeit für ein wenig Zerstreuung.

Dann plötzlich, 10km hinter Oldenburg, schießen Daan und Bjorn aus ihren Sitzen hoch. Rechts der Straße, auf einem großen Bauernhof, munteres Treiben. Stände, essende und trinkende Menschen.

“Remco, anhalten! Sofort wenden!” kommandiert Bjorn.

Es scheint ein Ochsenfest zu sein, ein Happening für die ganze Familie, das sich um das Thema Stier (also den Ochsen mit Eiern) dreht. An ungefähr dreißig Ständen werden ausschließlich natürliche Produkte verkauft: Geräucherte Ochsenwurst, frisch gepresster Apfelsaft, Milchprodukte, Kleidung, Konfitüren, Käse, Eis und jede Menge gegrilltes Ochsenfleisch.

Wir drehen ein Ründchen und probieren hier und da was. Wir kaufen schließlich eine Fünfliterbox frisch gepressten Apfelsaft und gehen weiter.

Daan und Remco nehmen einen Cappuccino mit Pflaumenkuchen, Björn gegrillte Ochsenbratwurst und Ochsenschinken vom Spieß. Daan nimmt als Nachtisch ein Yoghurt-Eis, Remco Yoghurt mit Waldbeeren und Björn einen Becher halb pasteurisierte Milch. Dann geht’s wieder weiter.

So ein kräftiges Frühstück mit ebensolchem Mittagessen wollen natürlich verbrannt werden. Kurz vor Hamburg beschließen wir deshalb schwimmen zu gehen. Über einen Bekannten bekommen wir den Tipp zur Bunthauser Spitze zu gehen. Allerdings mündet das Ganze in einem langen Fußmarsch über eine Insel in der Elbe. Auf der Suche nach einem Platz um ins Wasser zu gehen folgen wir einem alten Jägerpfad, an dessen Ende ein kleiner alter Leuchtturm steht. Er diente von 1870 bis 1977 als Markierung für die Elbschifffahrt.

Links und rechts von uns liegt Naturschutzgebiet beziehungsweise undurchdringliches Schilfdickicht. Wir klettern ein bisschen rum, machen Fotos und wandern wieder zurück. Mit Schwimmen wird’s leider heute nichts. Vielleicht morgen.

Noch 20 Minuten bis zur MS Stubnitz, einem großen hochseetauglichen Stahlschiff im Hamburger Hafen.

Die MS Stubnitz ist 80 Meter lang, verdrängt 1500 Tonnen und ist ein phantastischer Club mit verschiedenen Etagen, Bars und Sälen.

Wir kennen das Schiff und ihre Mannschaft, Blow, Carl und Falk schon seit Jahren, als es noch in Amsterdam lag und wir auf ihm 2008 eine geniale Folge vom ‘Sleazefest’ veranstaltet hatten.

Wir trinken und erzählen uns von früher und erinnern uns bei einem Rundgang durch die vielen Räume und Gänge der Stubnitz bruchstückhaft an dieses ziemlich heftige Sleazefest. Blow, der Kapitän gesteht, dass ihm das Sleazefest fehlt.

Hier steht die Zeit still.

Über eine improvisierte Ladebrücke bringen wir unser Equipment an Bord und wuchten alles in den unteren Saal, zur Bühne.

Da landet man in einer Art Mad Max-Welt von rohem, sexy Charme. Finster, industriell, überall Luken. Eine einzigartige Atmosphäre.

Die Bühne ist geräumig, aber ein paar Stützpfeiler verkleinern unser Aktionsfeld so, dass es am Ende doch ein bisschen knapp wird. Wir zwängen uns zwischen die Säulen, und es kommt gerade so hin.

Soundcheck. Wir klingen beeindruckend hier im Bauch des Schiffes. Jetzt kann das Publikum kommen.

Abendessen. Wir bekommen ein sehr leckeres Tofu-Chili, danach ein französisches Dessert aus Biscuits und Schokolade mit Kaffee.

Leider wird es heute abend nicht voll. Es ist ein klassisches Sonntagspublikum, aber wir spielen prima, packen unser Zeug wieder ein und widmen uns dem Bier.

Nach uns spielt noch ein spanisches Noise-Duo, das mit seinen Bässen die Stubnitz ordentlich zum Dröhnen bringt.

Wir übernachten in Kajüten aus den Siebzigerjahren in winzigen Bettchen mit toller Aussicht über das Wasser.

Es wird eine höllische Nacht in der wir allerdings nur Mücken jagen und kein Auge zu machen.

Remco hat mit all dem nichts zu tun.

Morgen Hamburg — Nürnberg 600 km

Tag 5

Heute haben wir frei. Das heißt, dass wir’s heute in Hamburg ruhig angehen lassen und dann Richtung Nürnberg aufbrechen. Wegen des warmen Spätsommers sind immer noch Mücken an Bord, was uns eine unruhige Nacht beschert.

Björn scheint schon früh auf zu sein, kocht um halb sechs Kaffee und guckt die One Man-Show von Ronald Snijders in der Kantine. Lustig.

Später am Morgen werden wir zu Pfannkuchen und Kaffee eingeladen um danach ganz gemütlich unser Equipment aus dem Laderaum nach oben zu schleppen.

Lag tags zuvor die Brücke noch fast waagerecht, so sorgt das Niedrigwasser jetzt für einiges mehr an Schlepperei. Vom Deck aus müssen unsere Klamotten erst eine Treppe rauf dann über eine schrottige lange Gangway und dann über die Reeling wieder nach unten püngeln. Pfff. Aber zum Glück packen ja alle mit an…

Wir erkunden Sankt Pauli und landen schon bald in kleinen Second Hand-Boutiquen und Plattenläden. Dann sagen wir auch dem Schiff Good Bye und laufen Richtung Stadtmitte. Wir schlürfen Kaffee und Wein, was am Sonntag wegen der geschlossenen Supermärkte nicht ging. Hurra! Wir packen Bierwurst und Brot für unterwegs ein, genießen die bis jetzt genialste Currywurst bei Lucullus auf der Reeperbahn und machen uns auf den Weg ins 600 Kilometer entfernte Nürnberg.

Hurra! Wir packen Bierwurst und Brot für unterwegs ein, genießen die bis jetzt genialste Currywurst bei Lucullus auf der Reeperbahn und machen uns auf den Weg ins 600 Kilometer entfernte Nürnberg.

In der Nähe der Lüneburger Heide beschließen wir, uns ein paar Hünengräber anzusehen. Die Gegend ähnelt zwar der ‘Hooge Veluwe’, Hünengräber sehen wir allerdings leider keine. Wir müssen über die Schilder lachen auf denen in dieser Gegend für “Kutschenfahrten” geworben wird.

Schließlich landen wir in einem Riesenstau. Als der Abend dämmert, haben wir immer noch 200 Kilometer vor uns und amüsieren uns mit Bjorn’s App

‘Vogels van Nederland’. Vogelstimmen raten, was für ein schöner Zeitvertreib.

Um 22 Uhr sind wir endlich beim CULT in Nürnberg angekommen wo wir morgen spielen sollen.

Die Betreiber sind so nett uns eine Extraübernachtung zu spendieren und kaum angekommen, trinken wir ein lokales Biobier.

Um 23 Uhr gehen wir knock-out.

Tschüüüühüs! Bis morgen!

Tag 6

Wir wachen im Club auf und trinken erst mal einen Tee. Remco entdeckt bei einem kleinen Erkundungsgang zwei SM-Keller. Wie wir schon gestern bei unserer Ankunft vermutet hatten, spielen sich hier außer Konzerten und Tanzabenden noch andere interessante Sachen ab. Später kommt raus, dass jeden dritten Samstag im Monat die Andreaskreuze, Gynostühle, Hundehütten und Kirchenbänke intensiv genutzt werden. Gruselig, dass die letzte SM-Aktion erst letzten Samstag war. Gruselig, aber eben auch äußerst faszinierend. Wir duschen extralange, greifen in die Provianttasche und machen uns auf die Socken. Erst in einen Park, in der Nähe der Altstadt. Angeblich soll man da schwimmen gehn könnne, aber das Wasser sieht dann doch zu versypht aus. Remco geht ein Ründchen joggen, Björn geht in die Stadt bummeln und Daan holt sich einen Kaffee um im Bus ein bisschen zu schreiben.

Nürnberg hat eine reiche Geschichte und hat historische Sehenswürdigkeiten ohne Ende. Gestern wer der letzte Tag vom Oktoberfest und wir sehen wie die hölzernen Schaustellerbuden im Bayernlook abgebaut werden und die riesigen Maßkrüge in Kisten fallen und aufgestapelt werden. Der ganze Boden ist bedeckt mit Hopfen, der jetzt als Dekoration ausgedient hat. Bjorn sieht ein rotes Eichhörnchen in den kaiserlichen Burggärten. Auf dem Großen Markt probieren wir verschiedene Würste: Käsekrainer, eine einfache lange Bratwurst und eine traditionelle ‘Nürnberger’. Verdammt lecker. In der Sonne beim Dom spielt ein Straßenmusiker und wir vertilgen große Krüge eiskaltes Bier. Es ist 14 Uhr und das Leben ist schön.

15:00 Uhr: Zurück im Club. Weil wir völlig ahnungslos sind, wie es hier sonst so zugeht, fangen wir an über das Abendpublikum zu phantastieren. Wird der Keller wohl offen sein? Ist das hier so’n Club wo wir gleich alles Mögliche zu sehen kriegen? Alle Tische, die Bar und alle Hocker sind ziemlich klebrig und unsere Phantasie geht mit uns durch. Wir nehmen unsere Merch-Schaufensterpuppe, platzieren sie auf mehreren SM-Geräten im Keller und machen fotos. Immer schön für später. Der Soundcheck läuft wie geschmiert. Wir essen Pizza, chillen und trinken ein Bierchen.

21:00 Uhr: Show-Time ist gelaufen. Der Saal ist bis auf 450 Plätze ausverkauft. Das Publikum ist total begeistert und die Lightshow exzellent. ‘House of Sin’ bekommt hier natürlich eine ganz besondere, abgefahrene Bedeutung. Die SM- Keller und der Club bleiben von Undichtigkeiten verschont. Wir verkaufen unseren Merch, trinken Bier und 16 Jahre alten Lagavulin-Whiskey.

1:00 Uhr: Leicht
knülle fallen wir in die Betten. Tschööhöö! Morgen weiter nach
Offenburg.

Nürnberg — Offenburg
320 km

Tag 7

Nürnberg — Offenburg

320 km

Um 9 Uhr verlassen wir wohlbehalten das CULT.

Heute gehen wir schwimmen, irgendwo unterwegs zu unserem neuen Ziel, Offenburg das nur 330 km entfernt ist.

In nur fünf Minuten haben wir einen Flohmarkt entdeckt. Im nächsten Supermarkt mit Bäckertheke schnappen wir uns Brot, Käse, Äpfel, Konfitüre, Hausmacher-Mostert, Leberkäse und Kaffee.

Wir frühstücken im offenen Bus und gehen auf den Flohmarkt. Auch heute ist es wieder sonnig. Wir stromern eine halbe Stunde rum und kaufen ein Taschenmesser und einen gläsernen Aschenbecher mit Zigarrenbanderolen. Dann noch flott aufs Klo beim Bäcker und wir lassen die Stadt hinter uns.

Uns fällt auf, dass an den Autobahnen schwer gebaut wird. Zum großen Ärger von Remco stehen wir auch heute wieder zu oft im Stau. Nach zweieinhalb Stunden Fahrt verlassen wir die Autobahn und vor uns entfaltet sich eine herrliche Landschaft aus malerischen Dörfchen, Apfel- und Birnbäumen und Weinbergen.

Der Überfluss an Obst lässt Bjorns Schnapsbrennerherz schneller schlagen. Wir fahren weiter bis zum ‘Bildersee’. Wir schwimmen eine ganze Weile im herrlich kalten Wasser. Mit Aussicht auf den See, ein paar tiefbraune Damen und ein Eichhörnchen ruhen wir uns aus. Bei einem Restaurant am Ufer kaufen wir uns Currywürste die der Wirt mit zwei Soßen übergießt: Warme Tomatensoße und Schaschliksoße. Irre. Die kannten wir noch gar nicht.

17:32: Wir fahren weiter nach Offenburg und kommen beim ‘Spitalkeller’ in der Nähe eines mittelalterlichen Gebäudes in der Altstadt an. Es war wohl früher mal ein Hospital.

Nachdem wir unser Equipment über Treppen und Aufzüge in den Kellerclub geschleppt hatten, werden wir auf ein Tannenzäpfle und Riesling eingeladen. Beim Soundcheck erweist sich der Klang als überraschend gut für so ein Kellergewölbe mit Steinboden.

Später erfahren wir, dass Claus, der hauseigene Tontechniker, Molekularphysiker ist und seine Brötchen als Akustikdesigner verdient. Er hat das Soundsystem des Clubs entwickelt und das ist unüberhörbar. Furztrocken. Whow!

Nach dem Soundcheck gehen wir umgehend im Restaurant an der Ecke speisen zusammen mit Sound-Claus und Beleuchter-Klaus. Wir vertilgen eine solide Mahlzeit: Schnitzel, Cordon Bleu, jede Menge Salat und Gemüse. Das war genau was wir jetzt brauchten!

Schon beim backstagechillen spüren wir, dass es heute nicht voll wird. Es ist Mittwoch und Bayern-München spielt gegen Atletico Madrid, und das will hier wohl was heißen.

21:30: Showtime. Zum Glück sind doch noch ein paar Leute gekommen und auch wenn er nicht ganz voll ist, so ist der Keller doch anständig gefüllt. Der Beleuchter hat unseren Wunsch erfüllt, uns in rotes Licht zu tauchen und das Stroboscop und Rauch verfehlen ihre Wirkung nicht! Wir spielen ein hartes und geradliniges Set und dem Publikum scheint’s zu gefallen. Ein älterer Herr steht während des ganzen Konzerts wie ein Schamane, die Hände in der Luft, mit geschlossenen Augen und macht dabei kleine Schritte vor uns zurück. Nach der Show kauft er ein Cassettentape und lacht freundlich. Haha… der hatte auf jeden Fall seinen Spaß! Vinyl und T-Shirts gehen weg wie geschnitten Brot, wir trinken noch ein paar Bier und packen dann.

Die Nacht verbringen wir im schönen alten Hotel ‘Zur Sonne’, Hauptstraße 94, im Zentrum.

Morgen müssen wir früh raus. Es geht zur Weinprobe ins Elsass! Und wir können’s kaum erwarten, neue Weine zu entdecken!

Offenburg — Villingen-Schwenningen

74 km

Tag 8

Die Nacht haben wir in Hotel ‘Sonne’ verbracht, einem wunderschönen Hotel, das mit seinen Jagdtrophäen, dunklen Holztüren, Schränken und alten Gemälden, die die Atmosphäre vergangener Zeiten verströmen, ein bisschen an ein Jagdschlösschen erinnert. Jeder hat sein eigenes Zimmer. Die antiken Holzbetten knarzen. Bademäntel und schlappen stehen bereit, was dem Besuch des Badezimmers einen Hauch von aristokratischem Stil verleiht. Zumindest in unserer Phantasie.

9:00 Uhr: Frühstück. Wir rutschen an den Tisch und werden von üppigen Damen im Dirndl empfangen deren Brüste gekonnt im Ausschnitt gebändigt werden. Verschiedene Köstlichkeiten defilieren.

10:30 Uhr: Heute ist es so weit. Von Offenburg nach Goxwiller im Elsass sind es nur 40 Kilometer. Da residiert ‘Fritsch André et Fils’, unser

Lieblingswinzer. Der alte Fritsch und seine Söhne produzieren wunderbare Rieslinge, Klevener, Pinot Blancs, Pinot Gris, Muscats und Gewürztraminer. Vor zehn Jahren hatten Björn und seine Freundin Cindy diese Goldmine entdeckt. Seither machen wir auf den zZz-Touren, wenn es das Routing eben erlaubt, immer einen Abstecher zum Fritsch um bemerkenswerte Mengen des flüssigen Goldes zu bunkern und mit nach Hause zu nehmen. Und genau das werden wir heute wieder tun. Zumindest ist das der Plan… Wir überqueren den Rhein und sind in Frankreich. Der Fluss präsentiert sich auf der Höhe von Straßburg strahelnd blau und klar. Wenn er in den Niederlanden angekommen ist, wirkt er viel brauner. Wahrscheinlich wegen den Massen von Schlick, die er bis dahin aus dem Ruhrgebiet mitgenommen hat.

11:30 Uhr: Wir kommen bei Fritsch in Goxwiller an. Die Türen und Fenster stehen offen, aber keiner zu sehen. Es ist Lesezeit, also sind sie vielleicht im Weinberg. Wir rufen an, hören das Bakelittelefon im Haus klingeln, aber niemand hebt ab. Unverrichteter Dinge ziehen wir wieder ab. Von Klaus dem Tontechniker hatten wir auch ein paar Tipps bekommen. Also fahren wir 15 kilometer weiter nach Blienschwiller, um die Kellereien von Hubert Metz zu besuchen. Mit dem Büsschen düsen wir durch die Weinberge und die glänzenden Weintrauben lachen uns an. Die Trauben sind zum Bersten prall. Bei der Ankunft bei Hubertz Metz empfängt uns seine Tochter herzlich. In dem alten Weinkeller mit steinalten drei Meter hohen Fässern probieren wir acht Weine. Es sind ein paar wunderbare dabei. Wir nehmen knapp hundert Flaschen vom Riesling, Vies Vines bis zum Pinot Noir. Während die bestellung eingepackt wird, sitzen wir leicht besäuselt draußen bei einem gläschen prickelndem Crémant. Hach, das Leben kann doch so schön sein. Wir laden die Kisten ein und fahren über Colmar nach Eguisheim. Da, so erinnert sich Remco zich, soll es auch noch einen guten Winzer geben. Nach einigem Suchen in dem hübschen Dörfchen kommen wir bei Josef Freudenreich an. Eine attraktive Francaise berät uns und wir fangen an zu probieren. Auch hier gefallen uns ein paar Tropfen sehr gut und wir packen ein paar Flaschen ein. Bein einem Traiteur kaufen wir ein Stück Zwiebelkuchen, eine Munsterpastete und ein Stück Broccoli-Quiche.

Wir nehmen Kurs auf Offenburg. Es geht quer durch den Scharzwald und wir machen unterwegs eine Verabredung beim Fritsch für morgen.

18:30 Uhr: Ankunft beim Limba. Es ist ein winziger Club für 80 Personen mit Bar. Drinnen sitzen etwa zwanzig Stammgäste und alle, wirklich alle paffen. Remco ist total begeistert. Daan und Björn sind noch skeptisch, aber dass dies ein denkwürdiger Abend werden wird, ist schon klar. Nach dem Soundcheck gehen wir uns noch kurz frisch machen bzw. ausnüchtern im Hotel, das zu Fuß nur drei Minuten vom Club liegt.

20:45 Uhr: Wir gehen zurück zum Limba. Bevor wir um die Ecke biegen hören wir ein ziemliches Rumoren. Ach du je… Auf der Straße vor dem Club ist ein Menschenauflauf. Das Limba selbst ist auch pickepackevoll. Das wird der Wahnsinn. Wir gehn an den Start und die Leute direkt an die Decke. Meine Fresse! Was für ein Volk. Was für eine Party! Wir geben zwei Zugaben. Die zweite besteht komplett aus Improvisationen mit deutschen Texten. Nach der Show hören wir von vielen, dass sie die zweite Zugabe ‘Hammer’ fanden. Klatschnass geschwitzt gönnen wir uns ein kaltes Bier und machen Umsatzrekorde mit Platten und T-Shirts. Im Hintergrund läuft eine Kickass-Playliste mit jeder Menge Electro und Rock’n’Roll. Ganz gemütlich packen wir unser Zeugs ein und beladen den Bus. Man bringt uns zwei platten mit warmen türkischen Spezialitäten, die wir uns schmecken lassen. Danach hauen wir noch verschiedene Obst-Brände weg, lachen üns kaputt über die vielen schickeren Damen und unterhalten uns noch nett mit Bernhard, dem Limba-Wirt und seinem Personal. Das war mal ein astreiner Tourabschluss! Und morgen statten wir Fritsch einen Besuch ab!

--

--

Excelsior Recordings

Independent Record Label based in Amsterdam • Musis Sacrum est. 1996.