Anregung

Sebastian Herold
Publik
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3 min readOct 12, 2015

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Der 5 Euro Schein ist an jeder Ecke mit Tesafilm abgeklebt. Ich trage diesen Schein seit ein paar Wochen in meinem Geldbeutel mit mir herum, ohne ihn ernsthaft loswerden zu wollen. Stehe ich irgendwo an der Kasse, durchwühle ich mein Portemonnaie für das nötige Kleingeld, dann führt das zu einer regelmäßigen Verzögerung und murrenden Menschen hinter mir in der Schlange. Das tut mir leid, aber ich kann nicht anders. Sobald ich diesen abgeklebten Schein in den Fingern halte erzählt er mir eine Geschichte. Warum die Klebeecken? Das ist wie eine Art Flüsterpost, die von Geldbeutel zu Geldbeutel wandert.

Über das Motiv der Abklebeaktion lässt sich schön spekulieren. Vielleicht wurde eine Windeltorte damit dekoriert, es geht um ein neues Leben, den Geruch von Hautcreme, um glückliche Menschen; selbstgestrickte Söckchen und die Erleichterung, von dem Geld Schnabeltasse, Hygienetücher und das ganze nötige Kinderbrimborium kaufen zu können.

Oder hat jemand sein Fenster gegen die brennende Junisonne in einem Anflug total dekadenter Langeweile mit 5 Euro Scheinen abgeklebt? Ein Mann der einfach nur dasitzt, in seiner Mansardenwohnung, in Unterhosen und bald genervt ist vom Kunstleder des Sofas, das langsam mit der Haut seines Rückens verschmilzt. Seinen schwitzigen Überdruss über diese äußerst unangenehmen Situation bekämpft er mit eisigem Cuba Libre, einem Berg Kokain und einem mit 5 Euro Scheinen abgedämpften…

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