Josef Schreiner
accent
Published in
5 min readNov 27, 2017

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Rainbow mountains

Der Blonde Gringo — Erfahrungen eines Deutschen in Peru/ The Blond Gringo — Experiences of a German in Peru

Original

Peru ist ein Land von atemberaubender Schönheit und unglaublicher Vielfalt. Von der historisch reichen Stadt Cusco mit ihrer großen Anzahl an Incaruinen und Hinterlassenschaften über die von Vulkanen umschlossene „weiße Stadt“ Arequipa bis zu der chaotischen, dennoch sympathischen Großstadt Lima, hat Peru soviel mehr zu bieten, als manch einer glaubt.

Aber erstmal alles von Anfang an. Auf dem Flug von Düsseldorf über Madrid und Lima nach Arequipa, versuchte ich mir mein fehlendes Wissen durch einen „0815“ Reiseführer zu füllen. Schon am ersten Tag in Cusco habe ich gemerkt, dass die Historie und die Touristenhotspots aus dem Reiseführer ganz nett waren, allerdings waren das eigentliche Highlight die Menschen. Diese Art zu Leben und generell die Einstellung der Leute, ist als Deutscher schwer nachzuvollziehen. In diesem Sommer habe ich zum ersten Mal die Fragmentierung zwischen der deutschen und der peruanischen Gesellschaft gespürt. Diese Fragmentierung hat eine tiefere Wirkung als offensichtliche wirtschaftliche und historische Unterschiede, die auch in jedem beliebigen Reiseführer zu finden sind. Man hört immer von der südamerikanischen Mentalität, doch wie weit diese wirklich in jedem Winkel des Landes zu finden ist, hat mich nicht nur begeistert, sondern mein komplettes Weltbild auf den Kopf gestellt.

Durch das Reisen in Europa sind mir schon die kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern deutlich geworden. Diese Unterschiede spiegeln sich in der Sprache, dem Essen, dem Kleidungsstil und vielem mehr wieder. Dennoch war ich in diesen Reisen immer ein Außenstehender, der beobachtete, aber nicht Teil der Stadt oder des Landes. In Peru war ich durch mein Freiwilligenprojekt hingegen mitten drin in dem peruanischen Leben und habe in eigener Person erfahren, dass die sogenannte Globalisierung in Peru, wie auch in vielen anderen südamerikanischen Ländern, nahezu nicht existent ist. Diese Erfahrung zeigt, dass die Welt aufgeteilter und zerrissener ist, als manch einer behauptet.

Die Sache, die mich in Peru am meisten beeindruckt, berührt und beeinflusst hat, waren die Menschen — sowohl die Einheimischen, als auch die zum größtenteils südamerikanischen Freiwilligen meines Projektes. Nicht nur vom Aussehen, sondern auch von der Mentalität, war ich wie ein Außerirdischer. Die Lockerheit, die Großzügigkeit, die Energie, die Offenheit und einfach der generelle Spaß am Leben der Menschen hat definitiv auf mich abgefärbt. Diese Art hat mich nicht nur fasziniert, sondern auch verändert. Ein Beispiel für diese unvergleichliche Selbstlosigkeit habe ich selber mitbekommen, als ich eines Abends in einem völlig überfüllten und viel zu kleinen Bus nach Hause gefahren bin. Anstatt sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, fragte mich eine Frau, ob Sie meine Tasche halten sollte, da ich in einer ziemlich ungemütlichen Sitzposition war. Zudem fragte mich ein anderer Fahrgast, wo ich den herkomme, und wirkte ernsthaft interessiert an meiner Herkunft. Dieses sind zwar alles nur Kleinigkeiten, dennoch war ich von dieser Art sofort angetan. Ein anderes und weit einflussreicheres Beispiel waren die Freiwilligen in meinem Projekt. Egal von welcher Nationalität sie abstammten, alle waren voller Energie und Lebensfreude, sodass ich nach paar Wochen schon das Gefühl hatte, sie ein Leben lang zu kennen. Die Freiwilligen hatten keine Angst, Gefühle offen zu zeigen, auch fremden Menschen gegenüber, was aus persönlicher Erfahrung in Deutschland unvorstellbar ist.

Als ich dann wieder nach Deutschland zurückkam, habe ich mich mehr als Außenseiter gefühlt, als während meiner Zeit in Peru. Dieses zeigt einfach, dass Fragmentierung auch positive Seiten hat. Viele Leute in Deutschland können von der großherzigen Art der Peruaner, aber auch im Allgemeinen von den anderen Kulturen, viel lernen. Trotz allem hat die Deutsche Kultur auch viel Gutes, und insbesondere durch die deutschen Reisenden in der Welt, wird das Bild des humorlosen und kaltherzigen Deutschen so langsam zerschlagen. Letzten Endes sind es doch die Diskrepanzen von denen man am meisten lernen kann.

Translation

Peru is a country of breathtaking beauty and amazing diversity. From the rich history of Cusco, with its many Inca ruins running through it, to the quiet “white city” of Arequipa surrounded by mountains, to the chaotic, but still likable, city of Lima, Peru has much more to offer than people may think.

On the flight from Düsseldorf to Madrid to Lima to Arequipa, I tried to compensate for my missing knowledge by reading a run-of-the-mill travel guide. However, already on the first day, I realized that although Peru’s history and tourist hotspots were pleasant, the people were the real highlight of the country. That said, their way of living and their general attitude was difficult for me to comprehend, especially as a German. I truly experienced the division between German and Peruvian societies for the first time. This fragmentation goes deeper than the solely economic or historical differences described in travel guides. Although people often talk about the “South American” mentality, I was amazed at the extent to which it really was spread around every corner of the nation, and it turned my world upside down.

During my past travels through Europe, I had observed strong cultural differences between countries, reflected in language, food, fashion style and much more. However, during my european travels, instead of being fully part of these countries, I generally took the role of a passive observer. In contrast, during my volunteer project in Peru, I was integrated into the society and I learned that the world is even more fragmented than I had previously thought.

At the beginning of my time in Peru, I felt like a foreigner, not only from my physical features, but also from my mentality. However, the attitude of the people not only fascinated, but also changed, me. The generosity, energy, openness and general happiness of everyone around me strongly rubbed off on me. I experienced an instance of the incomparable selflessness of the Peruvians while riding on a small and completely full bus. As a passenger saw that I was standing in an uncomfortable position, she offered to hold my backpack during the ride. Additionally, another passenger asked me where I was from, and he seemed genuinely interested in my culture back home. Instead of everyone minding their own business, which is normal in Germany, people were open and eager to start conversation or help out someone they didn’t know, which immediately impressed me. Another, perhaps more powerful example, is the group of volunteers working with me on my project. No matter what their specific background was, everyone was so full of energy and vitality that it felt like I had known most of them for ages. Moreover, the volunteers weren’t scared to show their emotions, even towards strangers, which I expect would not happen in Germany.

When I returned to Germany, I felt more alienated from my own society than I did from the community back in Peru. This experience showed me that fragmentation also has its positive aspects: Many people in Germany can learn a lot from the big-hearted Peruvians. Nevertheless, Germans, especially the ones that are travelling around the world, are working on improving the stereotypical picture of the humorless, cold German. In the end, our differences are what we can learn from the most.

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