Blockchain & Aktien — eine sinnvolle Anwendung für KMUs im digitalen Zeitalter¹

Markus Abbassi
Alethena
Published in
5 min readSep 12, 2019

von Markus Hartmann und Tim Glaus, Alethena, Zug

Vielleicht haben Sie sich beim Lesen des Titels gefragt, ob nun der Krypto-Wahnsinn auch im KMUnext Newsletter Einzug gehalten hat? Nein, hat er nicht. In unserem Artikel möchten wir einen Anwendungsfall vorstellen, bei welchem es völlig irrelevant ist, wie hoch der Bitcoin Preis morgen steht und bei dem es noch weniger darum geht, über irgendwelche intransparenten Initial Coin Offerings (ICOs) Kapital aufzunehmen. Vielmehr möchten wir herausstreichen, welches Potential die Technologie vor allem für den KMU-Markt in der Schweiz hat und wie wir letztere verwenden können, um tagtäglich komplizierte und aufwändige Unternehmensprozesse effizienter und einfacher zu gestalten.

Als Mitgründer eines jungen und innovativen Schweizer KMUs im Finanzsektor, oder Fintech Startups, wie es auf Neu-Deutsch heisst, haben wir es uns zum Ziel gesetzt, die Aktienkultur in der Schweiz nachhaltig zu verändern. Nachdem es über Generationen hinweg stets zu einer Besserstellung der jüngeren gegenüber der älteren Generation kam, ist mittlerweile davon auszugehen, dass bereits die Generation Y, ganz zu schweigen von der Generation Z, gegenüber ihren Eltern finanziell schlechter gestellt sein werden.

Dies ist an und für sich kein Wunder, da sich das Sparen in Zeiten von Negativzinsen kaum mehr rentiert und hohe Boni im Job gerne gegen mehr Selbstbestimmung eingetauscht werden. Letztere Entwicklung hat zur Folge, dass auch die Aktie als Wertanlage in der Vergangenheit an Bedeutung verloren hat und Beteiligungen, sei es aus finanziellen oder auch aus sentimentalen Gründen (Regionalität, persönliche Verbindung etc.) nicht mehr einen kulturellen Stellenwert haben. Nichtsdestotrotz sind Firmen — kleine wie auch grosse — auf Kapital angewiesen.

Auf den ersten Blick mag ein tiefes Zinsniveau für eine Firma lukrativ erscheinen, hauptsächlich für Finanzierungen über Fremdkapital, auf der anderen Seite ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass eine Eigenfinanzierung gerade hinsichtlich Reputation und Abhängigkeit einer Firma zu Gute kommen kann. Eine ausführliche Marktstudie, bei welcher wir uns mit zahlreichen KMUs, Banken und auch sogenannten Over-the-Counter (OTC) Plattformen (Handelsplattformen für nichtkotierte Aktien) unterhalten haben, hat gezeigt, dass es in der Schweiz Gang und Gäbe ist, dass Kleinaktionäre über die Administrationsabteilung verschiedenster Firmen Anteile erwerben können.

Der Investor überweist dazu einen oftmals «willkürlich» erscheinenden Betrag X auf das Firmenkonto und wird dafür ins Aktienregister — oftmals eine individuell gestaltete Excel-Tabelle — der Firma eingetragen. Im Rahmen dieses Prozesses kommt es leider oft zu Irrtümern, Falsch- oder Nichteintragungen. Geht es später beispielsweise um eine Regelung der Unternehmensnachfolge oder gar um einen Verkauf der Firma, kommt es vor, dass sich dann plötzlich noch weitere angebliche Aktionäre bei der zuständigen Rechtsperson melden, oder von sicher-geglaubten Aktionäre jeglicher schriftlicher Nachweis fehlt.

Ein kürzlich geführtes Gespräch mit einem Anwalt hat gezeigt, dass es nicht ganz so einfach ist, die Dokumentation der Aktienübertragungen der vergangenen 15 Jahre aufzuarbeiten und solche Streitigkeiten öfters vorkommen als man denkt (juristisch gesprochen ist damit die Zessionskette gemeint).

Wir haben uns nun überlegt, wie wir mit einer Klappe gleich beide Fliegen schlagen können. Reduziert man die Blockchain auf ihre Grundfunktionalität, so erhält man ein dezentral geführtes Transaktionsregister. Genau diese Funktionalität nutzen wir, um die Transaktionen von Aktien zu dokumentieren, und zwar pseudonymisiert durch eine auf den ersten Blick willkürliche Abfolge von Zahlen und Buchstaben. Im Hintergrund führt die Firma ein Online-Aktienbuch, zu deren Daten nur sie Zugriff hat, in der sich die Aktionäre dann mit den Aufbewahrungsadressen der Aktien registrieren und identifizieren.

Dies bringt auch für den Aktionär die Sicherheit, dass er mit der Aktie, welcher er auf seiner Aufbewahrungsadresse verwaltet, eine digitale Sicherheit hat, und nicht der Administration der Excel-Tabelle vertrauen muss. Dass dies kein Hexenwerk ist, beweist ein Vergleich mit einer technologischen Entwicklung von vor ein paar Jahrzehnten: Wie die E-Mail das Netzwerkprotokoll des Internets zur Übermittlung von Informationen nutzt, so nutzt die Aktie in Form eines Tokens die Blockchain zur Übermittlung von Werten.

Komplettiert man den ursprünglichen Ideenstrang, so kommt man unweigerlich zur Frage, ob jetzt jedes Unternehmen, jedes KMU in Zukunft einen Börsengang machen soll. Die klare Antwort ist nein. In der Schweiz sind von mehr als 100'000 Aktiengesellschaften gerade einmal 230 im Swiss Performance Index börsengelistet und weisen entsprechende Handelsmöglichkeiten und Liquidität auf. Das nächste Segment ist bereits fast komplett illiquide: die so genannten OTC-Märkte, welche beispielsweise von der Berner und der Zürcher Kantonalbank betrieben werden. Das Fazit daraus ist, dass eine Listung auf einem solchen Marktplatz nicht notwendigerweise Liquidität der Aktie mit sich bringt und sich genau deshalb viele Schweizer KMUs mit einem bilateralen Aktienhandel zwischen der Firma und dem Investor behelfen.

Viele Aktien von Schweizer AGs sind nicht handelbar.

Hier setzt nun unsere Lösung, der Aktienautomat an: musste bisher aufwändig ein so genanntes Matchmaking betrieben werden oder wurden Aktien auf die eigenen Bücher genommen und wieder verkauft, so kann der Aktienautomat problemlos auf jede Website eingebaut werden. Entsprechend platziert die Firma jeweils ein Paket an Liquidität (momentan über einen digitalen Schweizer Franken) und ein Paket an eigenen Aktien in einem durch die Generalversammlung definierten Preisbereich. Ist der Preis der Aktie zu hoch, so werden keine Aktien gekauft und der Preis sollte entsprechend gesenkt werden, ist der Preis umgekehrt zu tief, so kann das nächste Aktienpaket zu einer höheren Bewertung offeriert werden. So ist es möglich, dass Investoren direkt in KMUs investieren und deren Aktien handeln können, ohne, dass dabei ein aufwändiger Prozess zum Einsatz kommt und teure Ressourcen gebunden werden.

Mögliche Einbindung des Aktienautomaten auf einer Unternehmenswebsite.

Die Lösung mag für Sie als Leser möglicherweise noch komplett undenkbar erscheinen, sie ist aber bereits Realität. Die Aktien unserer eigenen Aktiengesellschaft sind seit vergangenem Jahr auf der Blockchain und seit März dieses Jahres können Investoren jederzeit Aktien kaufen oder auch wieder verkaufen. Derzeit arbeiten wir eng mit den ersten Unternehmen zusammen, welche unsere Lösung integrieren möchten, um entsprechende Wünsche bezüglich des Produkts zu entwickeln und in unserer Lösung zu integrieren.

Weiter gilt es auch für Themen wie Aktionärsbindungsverträge, Steuerthematiken, Insiderhandelsproblematiken und sicherer Handhabung entsprechende Lösungsansätze bereit zu halten. Auch wenn wir uns noch in einer frühen Entwicklungsphase der Technologie befinden, so können wir trotzdem auf der rechtlichen Seite die grösstmögliche Rechtssicherheit für unsere Lösung gewährleisten (juristisch gesehen wird die Aktie als Wertrecht klassifiziert).

Wir sind davon überzeugt, dass wir in gut fünf bis sieben Jahren in der Schweiz eine komplett neue Aktienkultur haben werden. Weshalb ermöglichen wir nicht Investitionen in die grösste Stärke der Schweiz: das Unternehmertum? Man braucht als Unternehmer dazu auch keine Mehrheit an seiner Firma abzugeben, sondern es geht vielmehr darum, einen Teil der Firma mittels eines bestimmten Prozentsatzes der Aktien öffentlich und investierbar zu machen. Weshalb machen wir nicht viel öfters unsere Kunden zu Aktionären und unsere Aktionäre zu Kunden? Steht bei Ihnen Digitalisierung weit oben in der Agenda und sind sie dabei, ihr Unternehmen fit für die Zukunft zu machen? Wir freuen uns über einen Austausch mit Ihnen.

¹ Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit KMU Next entstanden und als Themenschrift im August 2019 erschienen.

Alethena ist ein auf Blockchain-Applikationen und Digitalisierung spezialisiertes Schweizer Fintech Unternehmen, welches das Firmensetup der Zukunft mit digitalen Aktien, smarten Verträgen, einfacher Administration und handelbaren Aktien anbietet. Besuchen Sie www.alethena.com für weitere Informationen.

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