Backen mit Großmüttern

All You Can Eat
All You Can Eat Magazine
8 min readDec 19, 2017

Wir können alle nicht backen bei All You Can Eat. Weil aber zumindest manche von uns trotzdem sehr gern Kekse (und andere Fett-Zucker-Mehl-Mischungen) essen, haben wir beschlossen, uns Menschen zu suchen, die davon deutlich mehr verstehen als wir. Wir präsentieren daher stolz die erste Geschichte in unserer Reihe „Backen mit Großmüttern“. Diesmal sind wir dafür nach Parndorf im Burgenland gefahren.

© Fotos: Ian Ehm

Wenn im Burgenland eine große Feier in einem Wirtshaus oder Restaurant steigt, dann wird die Nachspeise fast immer von den Gästen selbst mitgebracht — zubereitet von Damen wie Maria Lippert. Sie bäckt im Schnitt zwei Mal die Woche, sei es Kekse für den Parndorfer Slow-Food-„Markt der Erde“, Schaumrollen für den Parndorfer Theatersommer, Kuchen für Parndorfer Hochzeiten oder schlicht für ihre Enkelkinder (die sind keine Parndorfer). „Abnehmer“, sagt sie, „finden sich immer genug.“ Und weil auch Keksbacken in Österreich nicht ganz bürokratiefrei abläuft und ihr Mann zudem der Parndorfer Gemeindeamtsleiter ist, bäckt sie seit einigen Jahren offiziell im „häuslichen Nebenerwerb“.

Mit uns hat sie sich einen Tag in die Küche gestellt, unsere Keks-Fotografie über sich ergehen lassen, viererlei Sorten Keks gebacken und übers Backen einst und jetzt geplaudert. Und weil wir so begeistert von der Idee der „Schmerkrapfn“ waren, hat sie die ein paar Tage später auch noch für uns ins Rohr geschoben. Die meisten Rezepte dauern nicht lang, Lippert schafft sie in wenigen Minuten aktiver Arbeit, und selbst wir sollten alle vier in ein paar Stunden hinbekommen. Nur für die Schmerkrapfn braucht es etwas mehr Zeit und eine spezielle Zutat: Schmer, oder verständlicher, Schmalz vom Schweinebauch.

Mit uns hat sie gebacken: mürb-süße Linzer Augen, spielzeuggroße Schaumrollen, Schoko-Monde, die wie flaumige Punschkrapfen schmecken, und Pressburger, herrlich bröselig-saftige Mini-Nusskipferl.

Nebenbei erzählt sie:

„Als ich 1983 in Parndorf geheiratet hab’, gab es im Dorf noch die Hochzeitsbäckerinnen, die für alle großen Feiern die Kekserl und Kuchen gebacken haben. Ich weiß noch, dass es bei uns Linzer Augen, Pressburger, Monde und Vrtanj (kroatischer Hefezopf, Anm.) gab. Die Hochzeitsbäckerinnen haben beim Bäcker im Dorf die Backstube reserviert, am Samstag, eine Woche vor der Hochzeit, ist es dann schon losgegangen. Jeder Hochzeitsgast hat bestimmte Zutaten geschickt, der eine ein Kilo Butter, eine andere einen Sack Mehl, wieder ein anderer gemahlene Nüsse, jede Spende ist genau aufgeschrieben worden. Am Freitag, dem Tag vor der Hochzeit, sind dann Kekse und Kuchenstücke als Anteil zurückgeschickt worden. Den Rest haben wir auf der Hochzeit gegessen. Der Brauch hat aber dazu geführt, dass bei den Festen meist mehr zum Verschicken gebacken wurde als für die Hochzeit selbst. Heute wird das nicht mehr wirklich gemacht.

Für Kekserl-Rezepte will man trotzdem nicht auf Chefkoch.de schauen, sondern wissen, von wem es kommt und ob es wirklich funktioniert. Viele meiner Rezepte sind von meiner Mama, außerdem hat von meiner Tante die Schwiegermutter super gebacken. Ich hab’ also meine Cousine gefragt, ob sie die Rezepte ihrer Oma noch hat. Einen Teil hat sie mir dann kopiert. Ein Deutscher hat mir mal beim Backen zugeschaut und gestöhnt, ,Ah, da kommt so viel Fett rein!‘. Ja, glaubst, die täten sonst so schmecken?

Ansonsten sind Kekse nicht so heikel. So tragisch ist das da nicht mit den Mengenangaben, man muss nicht so genau sein wie zum Beispiel beim Rührteig. Ich verwende für alle Kekse glattes Mehl, aber Universal geht auch. Sie halten sich auch viel länger, als alle immer tun, bis Neujahr ist kein Problem. Meine Enkelkinder haben einmal eine Schachtel Weihnachtskekse im April im Keller gefunden, die waren auch noch gut. Nur kochen tu ich nix, was stark riecht, wenn ich backe, weil die Kekse sehr leicht Gerüche und Geschmäcker annehmen, vor allem, wenn sie noch heiß sind.“

Linzer Augen

„Das sind die Lieblingskekserl von den Enkeln. Das Mühsamste ist hier das erste Ausrollen des Teigs, das geht oft nicht. Dann muss man ihn noch mal mit etwas mehr Mehl durchkneten. Mir passiert das auch immer wieder.“

© Fotos: Ian Ehm

420 g Mehl
280 g Butter
140 g Zucker
4 Eidotter
Marillenmarmelade zum Füllen
Staubzucker zum Bestreuen

Alle Zutaten in den Mixer geben, mit den Knethaken 2–3 Minuten durchkneten, bis sich ein Teig formt. In Frischhaltefolie wickeln und eine Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. Ausrollen, Boden und Deckel ausstechen (der Deckel bekommt ein Loch in der Mitte), bei 150 Grad Umluft backen, bis sie Farbe bekommen haben. Marmelade in einen Spritzsack füllen, Böden mit einem Klecks füllen, Deckel daraufdrücken und noch warm mit Staubzucker im Sieb bestauben.

Schoko-Monde

„Die Monde sind ein Rührteig, wie Biskuit. Wichtig ist, dass keiner die Backofentür aufmacht, wenn sie einmal im Rohr sind, sonst werden sie speckig und bleiben sitzen. Außer man will das. Ich kenn’ wen, der hat seiner Frau immer die Ofentür aufgemacht, damit sie extra-speckig werden.“

© Fotos: Ian Ehm

Teig:
210 g Butter
210 g Zucker
110 g Mehl
110 g Nüsse
6 Eier
220 g Kochschokolade

Glasur:
500 g Staubzucker
10 EL Rum
optional: ein paar Tropfen rote Lebensmittelfarbe

Die Schokolade in einem Wasserbad schmelzen, die Eier trennen und die Eiweiß zu Schnee schlagen. Butter, Zucker und Eigelb im Mixer mischen, dann die geschmolzene Schokolade und schließlich Mehl und Nüsse dazugeben. Den Eischnee unterheben, erst ein Drittel, dann den Rest.

Die Masse gleichmäßig auf einem mit Backpapier belegten Backblech verteilen und bei 175 Grad Umluft circa 30 Minuten backen.

Rum und Zucker mischen und optional Lebensmittelfarbe dazurühren. Den fertig gebackenen Teig mit dem Papier vom Blech heben, umdrehen, Papier abziehen und die Glasur darauf verteilen. Mit einem Glas ausstechen (halbes Glas = halber Mond), bevor die Glasur hart wird, sonst bricht sie. Eine Schüssel mit Wasser daneben stellen, um das Ausstechglas immer wieder zu waschen und nass zu machen; das erleichtert das Ausstechen.

Schaumrollen

„Meine Schaumrollen sind mit der Zeit immer kleiner geworden. Ich mag es, wenn man sie auf einmal in den Mund stecken kann, ohne dass sie so furchtbar bröseln.“

© Fotos: Ian Ehm

500 g Mehl
200 g Butter, zimmerwarm 200 g Butter, sehr kalt
2 TL Salz
200 ml Eiswasser
5 Eiweiß
350 g Staubzucker

Schaumrollen-Wickler (kleine Metallrollen)

Mehl und Butter mischen, Salz und Eiswasser zugeben und zu einem Teig kneten. Rechteckig ausrollen. Kalte Butter in fingernagelgroße Stücke schneiden, auf dem Teigrechteck verteilen, und die schmalen Seiten des Teiges zur Mitte falten, sodass ein dreischichtiges Teigquadrat entsteht (siehe Rezept Schmerkrapfen). Erneut zu einem Rechteck ausrollen, sodass sich die Butter gut im Teig verteilt, wieder zu einem Quadrat falten und kalt stellen — 30 Minuten im Kühlschrank oder 15 Minunten im Tiefkühler. Diese Schritte — Ausrollen, Falten, Kaltstellen — mindestens 5 Mal wiederholen.

Teig über Nacht kalt stellen. Am nächsten Tag ausrollen und in 15 cm lange, fingerbreite Streifen schneiden. Die Streifen um die Schaumrollen-Wickler wickeln, sodass eine etwa fingergroße Rolle entsteht. Auf den Wicklern bei 160 Grad Ober-/ Unterhitze backen, bis der Teig goldbraun ist. Kurz auskühlen lassen und so lange sie noch warm, aber nicht mehr heiß sind, vorsichtig von den Wicklern drücken. Eiweiß mit Staubzucker mischen und über einem heißen Wasserbad zu Schnee schlagen. In eine Spritztüte geben und die Schaumrollen damit füllen. Mit Staubzucker bestreuen.

Pressburger

© Fotos: Ian Ehm

Teig:
200 g Butter
400 g Mehl
50 g Zucker
1 Ei
1/16 l Milch
1 Pkg. Backpulver

Fülle:
200 g gemahlene Nüsse 150 g Zucker
1 Pkg. Vanillezucker
1/8 l Milch
ein Schuss Rum

Alle Teigzutaten in den Mixer geben, mit den Knethaken gut durchkneten, eine Kugel formen, in Klarsichtfolie wickeln und eine Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. Für die Fülle Rum, Milch und Vanillezucker erhitzen, einmal aufkochen lassen, Nüsse dazugeben, einrühren und noch kurz köcheln.

Eine kleine Menge Teig ausrollen und rund ausstechen. Auf jeden Kreis eine kleine Kugel Nussmasse legen und zu einem Kipferl rollen. Fertige Kipferl mit verquirltem Ei bepinseln und bei 150 Grad Umluft backen, bis sie hellbraun sind. Staubzucker und ein Vanillezucker mischen und fertig gebackene Kipferl noch warm darin wälzen.

Schmerkrapfen

© Fotos: Ian Ehm

Schmerkrapfen werden mit dem weichen Bauchfett des Schweins statt mit Butter gemacht. Sie sind nicht das, was ein Wiener sich unter Krapfen vorstellt, sondern ein Blätterteiggebäck mit Marmeladefüllung. Ihre Saison ist der Spätherbst und frühe Winter, die Zeit vor Weihnachten, wenn die Schweine abgestochen werden. Dank des verwendeten Schmalzes schmecken sie köstlich und kräftig, mit einer leicht salzigen Umami-Note hinter der Süße, und einem Aroma, das ewig im Mund bleibt. Maria bäckt sie selten, weil sie doch mehr Arbeit machen als anderes Gebäck und Schmer nicht so leicht zu bekommen ist. Weil aber der Parndorfer Schweinebauer ein paar Tage nach unserem Besuch geschlachtet hat und wir gebettelt haben, hat sie für uns das Rezept ihrer Mutter herausgekramt.

© Fotos: Ian Ehm

550 g Bauchfett
700 g Mehl
2 Dotter
1/4 Liter Weißwein Marmelade zum Füllen Vanille- und Staubzucker zum Wenden

Das Bauchfett entweder mit einem Messer von der Haut schaben oder fein faschieren. Mit dem Mehl und dem Dotter im Mixer verrühren und langsam den Wein dazu- gießen, bis sich ein fester Teig formt. 1 Stunde im Kühlschrank rasten lassen.

Zu einem Rechteck ausrollen. Das linke Drittel des Teiges über das Mittelstück schlagen, das rechte Drittel über die beiden Teigstücke legen, sodass vor Ihnen nun ein dreischichtiges Teigstück liegt — so, wie wenn Sie einen Blätterteig machen würden. Rollen Sie das Stück erneut aus und falten Sie es dann wieder — zehn Mal (oder öfter) wiederholen. Dann den Teig über Nacht im Kühlschrank ruhen lassen.

Am nächsten Morgen ausrollen und kleine Quadrate ausschneiden. Mit einem Spritzbeutel einen Klecks Marmelade auf ihnen ver- teilen, die Rechtecke zu- sammenschlagen und bei 175 Grad backen, bis sie eine schöne hellbraune Farbe haben. Noch warm in einer Mischung aus Staub- und Vanillezucker wälzen.

Text: Tobias Müller

Die Geschichte ist Teil von All You Can Eat #1, die Fett-Ausgabe. Das ganze Heft kann unter www.allyoucaneatmagazine.com bestellt werden.

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