UX Graz Meetup zu Google Glass in der Herzl Weinstube in Graz (Foto: Astrid Tarkus)

Google Glass in Graz—ein Rant

Heinz Wittenbrink
Am Glacis
2 min readSep 24, 2014

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Gestern Abend war ich zum ersten Mal bei einem Grazer UX-Meetup. Thema: Usabiliy und Google Glass. Drei sehr interessante Vorträge zu Erfahrungen mit Glass im Alltag, zur Nutzung von Glass in der Medizin und bei der Wartung von Maschinen in Fabriken. Alles ist in diesem Etherpad zum Abend dokumentiert.

Auf den Rückweg sagte mir mein Sohn, der auch mitgekommen war: “Irgendwie komisch. Ganz anders als neulich in London.” In London hatte er an einem Hackathon zu Web Componenents teilgenommen.

Mir war klar, was er meinte. Ich hatte denselben Eindruck. Ich hätte ihn allein nur nicht formuliert: Im Rückblick waren die Themen der Diskussion—trotz der eindrucksvollen use cases und vieler Informationen zur Entwicklung mit Glass—weniger die Möglichkeiten dieser Technologie als die vielen Einschränkungen: alles, was noch nicht oder vielleicht nie funktioniert. Kombiniert damit das Dauerthema Datenschutz und Privatsphäre.

Vielleicht bin ich jetzt ungerecht. Vielleicht gebe ich nur einen Eindruck wieder, den meine eigene mentale Brille produziert hat. Mit kommt es so vor, als würden wir hier in Graz das, was an einer Technologie wie Glass faszinierend ist — das was auch gestern ziemlich viele Leute dazu gebracht hat, den Abend zu besuchen — am liebsten ignorieren. Richtige Technik ist für uns etwas, das mit schweren Laptops und Excel-Spreadsheets zu tun hat, aber bloß nichts mit Mode, Lifestyle und glänzenden Oberflächen. Wir sind spezialisiert auf die Realitätsprüfung, aber nicht auf die Wünsche. Wir haben wenig utopischen Drive.

Das mag in Österreich und Deutschland generell so sein. Hier war kalifornische Ideologie immer schon ein Schimpfwort. Jetzt kann man mit Totschlag-Stichwörtern wie Datenkrake und US-Konzern die alten antiwestlichen Ressentiments wiederbeleben. Hier in Graz hat diese Haltung aber einen besonderen Charakter, der, wenn ich es richtig sehe, mit der Entwicklung der Informatik an den Hochschulen zu tun hat. Und diese Haltung ist besonders bedauerlich, weil sie es uns erschwert, die vielen Chancen, die wir in dieser Forschungs- und Universitätslandschaft haben, ganz wahrzunehmen. Uns sollte das Schicksal von Hyper-G eine Lehre sein. Diese Technologie war einmal eine Konkurrenz zu den Basistechnologien des World Wide Web. Sie hat sich aber nicht durchgesetzt — und das lag vielleicht auch an der für uns typischen etwas rechthaberischen Vorsicht. Mit dieser Haltung beurteilen wir, was sich international tut, und wir schauen im Zweifelsfall lieber von außen zu, als selbst etwas zu riskieren. Dadurch machen wir uns langsamer und kleiner als wir sind — leider auch an der Hochschule, an der ich arbeite.

Sorry, wenn ich unsachlich bin. Ich formuliere nur einen Eindruck, und auch das nur in einer provisorischen Form. Ich will auch nicht Augenblickseindrücke hoch stilisieren. Ich lasse mich gern korrigieren. Ich freue mich über Kommentare, auch und gerade wenn sie mir widersprechen.

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