Wie du eine neue Gewohnheit trainierst und verinnerlichst

Andreas Haubold
Andreas Haubold
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6 min readAug 24, 2022

Wann hast du das letzte Mal versucht, dir eine neue Gewohnheit anzueignen? Hast du es geschafft, deine Absicht in die Tat umzusetzen oder war da dieses schale Gefühl, dass es doch nicht geklappt hat? Neue Gewohnheiten zu etablieren, ist nicht immer leicht. Aber es lohnt sich. Denn unsere Gewohnheiten zu beherrschen, gibt uns die Kraft, selbstbestimmt zu handeln.

Gerade kleine, alltägliche Handlungsweisen eignen sich dafür: Den Rechner ausschalten ab 21:00 Uhr, um nachts besser schlafen zu können. Nach 19:00 Uhr nichts mehr Essen, weil es gesünder ist. Die Ausgaben direkt nach dem Einkauf erfassen, um die notwendigen Daten für die Monatsauswertung zu haben. Dreimal pro Woche joggen gehen, um körperlich fit zu bleiben.

Um neue Gewohnheiten zu etablieren, ist es hilfreich zu verstehen, wie sie funktionieren.

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Gewohnheiten sind antrainierte Verhaltensmuster, die wir so sehr verinnerlicht haben, dass wir sie oft unbewusst ausführen. Ich bezeichne Gewohnheiten auch gern als das, was uns innewohnt. Sie sind die mentalen Abkürzungen in unserem Kopf, die es uns erlauben, Handlungen sehr schnell und ohne großes Nachdenken durchzuführen. Wir können Dinge gewohnheitsmäßig sehr viel schneller bearbeiten, als wenn wir erst intensiv darüber nachdenken und lange vorbereiten müssen. Sie lassen uns schneller kommunizieren, weil wir nicht um jedes Wort ringen müssen. Gute gedankliche Gewohnheiten lassen uns klarer denken, weil wir bereits bestimmte gedankliche Strukturen im Kopf haben und damit bessere Lösungen finden können. Da Gewohnheiten uns schneller werden lassen, sind sie auch der Schlüssel zu unserer Effizienz — oder Ineffizienz.

Stephen Covey, der bekannte Autor, nennt Gewohnheiten die Schnittmenge zwischen Wissen, Können und Wollen. Sie haben immer von allen drei Aspekten etwas. Ich verstehe den Hintergrund und weiß, wie es zusammenhängt. Ich weiß, welches Ergebnis ich anstrebe und wozu es gut ist und ich verstehe, welche Schritte ich gehen muss, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.¹

Diese drei Aspekte sind es, die ich beachten muss, wenn ich eine neue Gewohnheit trainieren will. Um meinen schlechten Gewohnheiten nicht ausgeliefert zu sein, lasse ich die positiven Routinen mehr werden und schwäche die negativen ab oder reduziere sie. Herr über unsere Gewohnheiten zu werden, kann einem ein Gefühl von Selbstbestimmtheit geben. Oder wie es Aristoteles formulierte:

Wir sind was wir wiederholt tun.
Vorzüglichkeit ist daher keine Handlung,
sondern eine Gewohnheit.
— Aristoteles

Eine neue Gewohnheit trainieren

Training dient dazu, eine Handlung so oft auszuführen, bis sie als Fähigkeit ausgeprägt ist. Gleichbleibende Handlungsmuster werden dabei wiederholt, bis sie verinnerlicht sind.

Doch bevor es so weit ist, brauchen wir Klarheit über die Motivation.

Werde dir über dein „Warum“ klar.

Ich will mir eine neue Gewohnheit aneignen, weil ich mir positive Veränderungen verspreche. Vielleicht habe ich seit Jahren immer wieder gehört, wie positiv joggen für die Gesundheit ist. Und erst neulich, als ich spazieren war, ist wieder einer dieser Gesellen auf dem Gehweg an mir vorbeigekeucht. Grund genug, um es nun endlich selbst einmal auszuprobieren.

Eine bewährte Methode ist es, seine Ziele aufzuschreiben, denn das erhöht die Wahrscheinlichkeit sie zu erreichen. Das muss gar kein langer Roman werden, sondern es reicht ein kurzes Statement, welches ich in drei Monaten überprüfen kann.

Beim Setzen eines Zieles hilft es mir, mir nicht nur einen Zielzustand vorzustellen, sondern noch viel mehr das dahinterstehende Bedürfnis zu erkunden. Dabei helfen mir Formulierungen mit dem Wort „um“.

Ich möchte _____, um ____ zu erreichen.

Ausformuliert könne es also heißen: „Ich möchte dreimal pro Woche joggen gehen, um körperlich fit zu sein.“ oder auch „Ich möchte dreimal pro Woche joggen gehen, um leistungsfähig zu sein.“ Wenn mein Bedürfnis Leistungsfähigkeit ist, dann werde ich meine Zeiten sehr genau erfassen und mit dem Vortag vergleichen, um die Verbesserungen zu sehen. Wenn mir körperliche Fitness und Gesundheit wichtig sind, dann gehe ich vielleicht lieber im Wald als in der Stadt joggen, damit ich dort auch ein bisschen frische Luft abbekomme.

Ein weiterer hilfreicher Tipp: überlege dir, wie sich dein Selbstbild ändert. Wenn Gewohnheiten an die eigene Identität geknüpft sind, dann fällt die Verhaltensänderung leichter. Der Gedanke „Puh, ich muss heute noch laufen.“ erzeugt ein anderes Gefühl, als dieser: „Ich bin Jogger. Ich will heute noch eine Runde laufen!“

Ist dein Warum erst für dich klar, dann beginnt die Gewohnheit attraktiv zu werden.

Bereite dich vor

Du hast dir dein Ziel gesetzt, jetzt geht es an die ersten Schritte der Umsetzung. Ziele sind das eine — sie sind wichtig, weil sie Antrieb geben. Bei Zielen geht es um die Ergebnisse, die du erreichen möchtest. Bei den Systemen geht es jedoch um die Mechaniken, die zu diesen Ergebnissen führen.

Gerade am Anfang will die Gewohnheit deshalb gut vorbereitet sein, weil die Umsetzung durch gute Vorbereitung viel leichter von der Hand geht. Vorbereitung ist notwendig, damit man bereit ist.

Es mag logisch sein und wie ein kleines Detail klingen, aber wenn du regelmäßig joggen gehen willst und keine passenden Sachen oder Schuhe zu Hause hast, weil du nie zuvor gejoggt bist, dann wird es schwierig die Gewohnheit aufzubauen. Du willst Vegetarier werden, aber dein Kühlschrank ist voller fleischhaltiger Lebensmittel? Auch das wird schwierig und bedarf einiger vorbereitender Änderungen, die an deinem Ziel ausgerichtet sind.

Überlege dir, was hindert dich aktuell daran, dass du loslegen kannst. Erstelle dir im Kopf eine kleine Checkliste und dann gehts ran ans umsetzen.

Schaffe dir physische Reminder

Eine Gewohnheit muss so offensichtlich wie möglich sein. Die Jogging-Schuhe dürfen nicht im Keller stehen, sondern müssen ganz vorn im Schuhregal sichtbar sein. Damit wirst du regelmäßig daran erinnert, wenn du daran vorbeigehst. Du brauchst also Auslösereize, die dich immer wieder an die von dir angestrebte Gewohnheit erinnern. Damit wird die Gewohnheit offensichtlich.

Angenommen du hast dir vorgenommen nicht nur irgendwann während des Tages zu laufen, sondern gleich als erstes früh morgens. Dann legst du dir deine Sportsachen am besten gleich neben das Bett, sodass du diese als Erstes siehst. Du fällst quasi direkt aus dem Bett in die Jogging-Sachen und Schuhe und ehe du dich versiehst, findest du dich auf im Lauftempo vor der Haustür wieder. Damit ist die Gewohnheit nicht nur offensichtlich, sondern auch einfach.

Je häufiger wir das tun und unserem angestrebten Verhalten folgen, umso zufriedenstellender ist es.

Fassen wir kurz zusammen: indem wir unser „Warum“ definiert haben, wurde die Gewohnheit für uns attraktiv, indem wir unnötige Schwierigkeiten beseitigt haben, haben wir sie einfach gemacht, durch physische Reminder, haben wir Auslösereize geschaffen, die die Gewohnheit offensichtlich gemacht haben. Mit den ersten Durchführungen haben wir gemerkt, dass wir unseren Erwartungen gerecht werden. Die Gewohnheit wird zufriedenstellend.²

Ein wichtiger Aspekt fehlt noch, um die Gewohnheit auszuprägen.

Bleib dran

Einen Anfang haben wir gemacht und die ersten Wiederholungen durchgeführt. Nun heißt es dran bleiben und durchhalten.

Dazu bringt Brian Tracy zwei weitere Elemente ins Spiel. In seinem Framework, um Gewohnheiten auszuprägen, nennt er es die „3D“: decision, discipline, determination.

Eine Entscheidung (oder Decision) haben wir bereits getroffen, als wir Klarheit über unserer Motivation gewonnen haben. Zusätzlich braucht es aber die Disziplin, um die notwendigen Wiederholungen für längere Zeit durchzuführen. Es braucht außerdem die Entschlossenheit, auch bei unangenehmen Gefühlen, die auftreten werden, dranzubleiben. Wenn du dir also etwas vorgenommen hast und es für dich einen Wert hat, dann bleib dran!³

Übrigens: Zum Ausprägen einer Gewohnheit ist die Häufigkeit der Wiederholung wichtiger als die Dauer. Die Dauer der Durchführung ist nicht so wichtig, sondern es ist viel wichtiger, wie oft sie durchgeführt wurde. Du kannst etwas dreimal in dreißig Tagen durchführen oder dreihundertmal. Die Frequenz macht den Unterschied.

Anfangen

Wenn du anfängst, dann nimm dir am besten etwas Einfaches vor. Der „Gewohnheitsmuskel“ wächst wie jeder andere Muskel durch Training. Deshalb ist es wichtig, kontinuierlich dranzubleiben. Um etwas regelmäßig und ausdauernd zu üben, ist es gut, wirklich erstmal klein anzufangen.

[1] Covey, S. R. (2018). Die 7 Wege zur Effektivität: Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg (A. Roethe, N. Bertheau, & I. Proß-Gill, Übers.; 57., Überarbeitete Aufl.). GABAL.

[2] Clear, J. (2020). Die 1%-Methode — Minimale Veränderung, maximale Wirkung: Mit kleinen Gewohnheiten jedes Ziel erreichen — Mit Micro Habits zum Erfolg (A. Tschöpe, Übers.; Deutsche Erstausgabe Edition). Goldmann Verlag.

[3] Tracy, B. (2007). Eat that frog! 21 great ways to stop procrastinating and get more done in less time (2nd ed). Berrett-Koehler Publishers.

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