„Niemals ohne mich“ — Die Kultserie Tatort und das Jugendamt

Tatort: Köln, ausgestrahlt am 22. März 2020

Eine Mitarbeiterin des Jugendamtes, Monika Fellner, wird tot aufgefunden. Sie war bekannt dafür, hart durchzugreifen, sollten es Elternteile verabsäumen, Unterhaltszahlungen zu leisten. Ihre Kollegin Ingrid Kugelmaier hingegen drückt gerne mal ein Auge zu. Bei den Ermittlungen treffen die beiden Tatort-Kommissare Max Ballauf und Freddy Schenk auf getrennt lebende Elternteile, die zerstritten sind: Der von Hartz IV lebende Rainer Hildebrandt kämpft mit schweren finanziellen Problemen während seine getrennt lebende Frau Katja förmlich im Geld ihres Chefs schwimmt, der auch ihr neuer Liebhaber ist. Dachdecker Stefan Krömer darf seine Tochter nur selten bis gar nicht sehen, seine Ex-Freundin und Mutter des Kindes muss jeden Euro zweimal umdrehen — bleibt noch die junge Tülay Firat, die nicht weiß, wer der Vater ihres Kindes ist. Zusätzlich verdächtig erscheint der Abteilungsleiter und Vorgesetzte des Opfers Markus Breitenbach.

Die beiden Ermittler Max Ballauf und Freddy Schenk | Bild: WDR/Martin Valentin Menke

Zwischen den Veranschaulichungen der Alltagsprobleme findet auch etwas Polizeiarbeit statt. Während die Hauptkommissare Currywurst frühstücken, muss ihr anscheinend völlig unfähiger Kollege Norbert Jütte versuchen im Jugendamt etwas zu finden, das den Fall weiterbringt. Jütte scheitert allerdings an der Installation seiner Lichtdusche — ein Gag, der mindestens einmal zu oft bemüht wird. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt dieser drauf, dass Sozialarbeiterin Ingrid Kugelmaier neben ihm Beweise manipuliert. Ballauf und Schenk klappern die üblichen Sonntags-Krimi-Stationen ab, die Ausflüge in die zerrütteten Familienwelten werden immer länger.

Schlussendlich gibt es so etwas wie eine unerwartete Wendung. Nachdem sich alle Beteiligten verdächtig verhalten, entpuppt sich Fellners Chef Breitenbach als Täter. Er hatte ein Verhältnis mit mehreren Klientinnen und überwies ihnen regelmäßig Geld. Fellner kam dahinter, der Familienvater sah sein Leben und die Karriere auf dem Spiel und brachte sie um. Ballauf und Schenk lösen zwar den Fall, die Probleme der Familien bleiben jedoch.

Gesellschaftskritik scheint ein Markenzeichen des Kölner Tatort-Krimis zu sein. In „Niemals ohne mich“ stehen Themen wie Sorgerecht, Hartz VI, Unterhalt und Sozialarbeiterinnen im Fokus. Die Produzenten des WDR schaffen es leider nur bedingt, die Arbeit des Jugendamtes glaubhaft darzustellen. Zu oft sehen die ZuseherInnen die klassischen Klischees — ein Elternteil weigert sich Unterhalt zu zahlen, die Kinder leiden. Auch wenn versucht wurde, verschiedene Fälle zu skizzieren, verfallen die Geschichten zu sehr in ein Schema. Drehbuchautor Jürgen Werner, der in den vergangenen Jahren neben Büchern für den Dortmunder „Tatort“ auch Geschichten für die Nonnenserie „Um Himmels Willen“ oder „Das Traumschiff“ geschrieben hat, liefert eine nur bedingt überzeugende Kreuzung aus bitterem Sozialdrama und klassischem Sonntagskrimi. Trotzdem regt es wohl manche ZuseherInnen zum Nachdenken an — „In Deutschland zahlt nur jeder vierte Unterhaltspflichtige den vollständigen Betrag für die eigenen Kinder“, beschreibt etwa der Abteilungsleiter Breitenbach das Problem. Die Konflikte zwischen den Eltern zeigen, dass oft keine Seite wirklich recht oder unrecht hat. Viele Textstellen, die erklären, wie das denn so ist mit dem Unterhaltsrecht, klingen klassisch auswendig gelernt, gehören aber anscheinend unbedingt dazu.

Leider schlichen sich bei der durchaus guten Recherche offenbar auch Fehler ein. Etwa bei Hartz VI-Empfängern muss nicht wie behauptet das dazuverdiente Geld komplett abgegeben werden. 100 € bleiben definitiv beim Betroffenen und 20 % des restlichen Betrags ebenfalls.

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