Sozialarbeit in Krisenzeit

Katharina Prutsch ist Sozialarbeiterin beim Jugendamt Graz Südost. Wir haben uns mit ihr über die Schwierigkeiten und Veränderungen in der Sozialarbeit zu Coronazeiten unterhalten.

Die Sonne scheint, eine leichte Brise weht und erfreutes Kindergeschrei hallt über den Spielplatz am Grazer Augarten. Es ist Mittwoch Vormittag. In der dritten Juniwoche herrscht eine gewisse Gelöstheit, lange mussten die Spielplätze ihre Pforten wegen der Coronakrise geschlossen halten. Umso reger scheint das Treiben im Park nun zu sein.

Wie für viele andere Menschen in Österreich hat sich auch für Katharina Prutsch der Arbeitsalltag fast um 180 Grad gedreht. Als Sozialarbeiterin baut man bekannterweise auf persönliche Kontakte und Gespräche. Aber was genau macht man in diesem Beruf überhaupt? Und wie lief ihre Arbeit in Zeiten von Social Distancing und Homeoffice ab?

Keine Meter

Normalerweise betreut Prutsch Familien mit minderjährigen Kindern in ihrem zugeteilten Grazer Sprengel. “Entweder ist es so, dass die Familien selbst an uns herantreten, weil irgendwas nicht passt”, erklärt sie. Wenn Eltern zum Beispiel das Gefühl haben, sie können den Kindern schwer Grenzen setzen, diese vielleicht rebellieren, weil sie gerade in die Pubertät kommen. “Wenn die Eltern merken, dass sie ‚keine Meter’ mehr haben. Dann können wir Beratungen machen, Tipps geben, weitervermitteln an Stellen oder auch organisieren, dass eine Hilfe eingesetzt wird”. Aber Meldungen können auch extern kommen, wie beispielsweise von Schulen, wenn LehrerInnen Gewalt oder Vernachlässigung auffällt. Aber auch Nachbarn, ein getrennter Elternteil oder Verwandte können das Jugendamt informieren. Diese Meldungen können anonym sein. Danach beginnt die Recherche nach den Kontaktdaten der betroffenen Eltern, die daraufhin zu einem Gespräch ins Büro gebeten werden.

Treffen unter dem Dach

Aber gerade diese persönlichen Kontakte konnten wegen des erhöhten Gesundheitsrisikos nicht wie gewohnt in den Räumlichkeiten des Jugendamts stattfinden. Nur in Notfällen konnte man KlientInnen treffen. Aber nur im Freien. Genau das hat Katharina Prutsch einmal getan. “Es war eine Jugendliche, mit der ich vorher schon in Kontakt war. Sie hat mir gesagt, sie würde sich gerne unterhalten. Ich habe gewusst, dass in ihrer Familie so einige Punkte sind, und weil jetzt auch der Corona-Shutdown war, muss man da eher noch mal genauer hinschauen”, so Prutsch. Deshalb fragte sie ihre Chefin nach einer Erlaubnis für das Treffen, und konnte das Mädchen im Augarten treffen.

Aber wie das Leben manchmal so spielt, fiel dieser Plan buchstäblich ins Wasser. Weil es am Tag des geplanten Treffens regnete, musste Prutsch kurzfristig umdisponieren. Gemeinsam mit einer Kollegin traf sie die junge Klientin dann bei einem Gebäude mit großem Vordach. “Man kann zwar ein angenehmes Gespräch führen, wenn man so nebeneinander geht”, sagt Prutsch über KlientInnenkontakte im Freien. Aber dennoch sei es schwierig, wenn man sich Dinge nicht wie gewohnt mitnotieren kann. Und die Jugendliche wollte über intime Themen lieber im Büro reden. “Es ist ja doch ihr Viertel, das heißt, sie könnte jemanden treffen oder von Leuten gesehen werden, die sie kennen”, erzählt die Sozialarbeiterin.

Online-Kaffee

Abseits der persönlichen Kontakte liefen vor allem die Telefonleitungen im Jugendamt heiß. Denn die Corona-Situation warf bei Familien ganz neue Fragen auf. Anfangs waren die Besuchskontaktregelungen bei getrennten Elternteilen ein großes Thema. Aber auch die Heimfahrten von Personen, die in Wohngemeinschaften leben, sorgten für Verwirrung. Grundsätzlich betreute das Jugendamt weiterhin Familien über telefonischen Austausch oder blieb über andere Medien in Kontakt.

Das habe laut Katharina Prutsch eigentlich gut funktioniert: “Von meiner Seite aus habe ich telefonisch alle erreichen können.” Auch der Austausch mit KollegInnen veränderte sich. Natürlich ist man über Telefon in Kontakt, aber auch gemeinsames Online-Kaffeetrinken durfte nicht fehlen, genauso wie der gemeinsame Austausch.

Langsam wird es wieder

Auch jetzt, Ende Juni, werden strenge Auflagen eingehalten, die KlientInnenkontakte sind weiterhin eingeschränkt. Statt in den Büros der jeweiligen SozialarbeiterInnen dürfen die Treffen nur in einem besonderen Raum, der gebucht werden muss, stattfinden. Wenn es passt, werden weiterhin Kontakte im Freien abgehalten. Dazu kommt, dass viele nicht dringliche Termine nachgeholt werden müssen. Prutsch ist überzeugt: “Man ist ein bisschen eingeschränkt, man weiß, jetzt gerade ist der Umbruch. Es gibt noch immer die Auflagen, aber langsam kommt die Normalität zurück.”

Von einem ist Katharina Prutsch überzeugt: “Persönliche Kontakte sind nicht zu ersetzen. Vor allen Dingen bei Familien, die man noch nicht kennt. Wo man überhaupt kein Bild dazu hat und die Reaktion nicht sieht. Ich war echt froh über diesen einen persönlichen Kontakt, den ich da gehabt habe”.

© Fotos: Anja Schalk 2020

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