Digitale Services demokratisieren das Gesundheitswesen – wenn sie gut gestaltet sind

Katina Sostmann
Aperto Stories
Published in
3 min readOct 23, 2019

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Die digitale Medizin braucht emanzipierte Patienten, die Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen und ihre medizinischen Daten selbst verwalten. Noch ist das eine Zukunftsvision — oder vielleicht doch nicht? Der Mindshift wird bereits von vielen digitalen Anwendungen unterstützt.

Der Gesundheitssektor boomt. Das Potenzial, mit digitalen Anwendungen die Patientenreise von der Prävention bis zur erfolgreichen Behandlung unterstützen und sogar radikal erneuern zu können, hat auch die Tech-Riesen Apple, Google und Co. auf den Plan gerufen. Und es fordert uns als Service Designer und Digitalisierungsexperten auf, die Zukunft des Gesundheitswesens rund um Themen wie seriöse Medizin und Forschung, vernetzte Kommunikation, Transparenz und Datenschutz aktiv mitzugestalten.

Technologiestandort Deutschland braucht Digital Health-Anwendungen

In Deutschland besteht großer Aufholbedarf. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Digitalisierung des Gesundheitswesens von 2018 in 17 EU- und OECD-Ländern belegte Deutschland Platz 16. Eine bescheidene Bilanz für unseren Forschungsstandort. Und weitere Rückschläge sind vorprogrammiert. Wenn in Deutschland auch in den kommenden Jahren nicht genügend Daten erhoben werden können, wird die Forschung auf die Bestände großer Datenunternehmen zurückgreifen müssen. Es ist darum im Interesse der gesamten Gesellschaft, dass die Daten in den Institutionen bleiben, wo die Forschung betrieben wird.

Aber selbst bei uns in Deutschland zeichnet sich Veränderung ab. Zwar steht die Neugestaltung des Gesundheitswesens erst am Anfang, doch deutet der politische Kurs in Richtung Partizipation und Selbstverwaltung. Große Investitionen in die digitale Medizin sind geplant. Der Gesetzgeber fordert die elektronische Patientenakte, Apps auf Rezept sind im Gespräch. Experten sprechen von einem Meilenstein in der Modernisierung der Patientenversorgung.

Allerdings hängt ihr Erfolg davon ab, ob es gelingt, Nutzer und Fachwelt von Mehrwert und Sicherheit digitaler Angebote zu überzeugen. Ihre Akzeptanz setzt nicht nur digitale Kompetenzen der Nutzer voraus sondern auch die Entwicklung einer Gesundheitskompetenz sowie die Alltagstauglichkeit der Anwendungen.

Usability by Design — Was müssen digitale Lösungen im Health-Bereich können?

Die beste Technologie ist erst dann sinnvoll, wenn sie positive Veränderungen im Leben der Nutzer anstößt. Weil digitale Lösungen die Individualisierung von Wissen möglich machen, haben wir erstmals die Chance, wirklich alle Menschen abzuholen. Barrierefreiheit heißt hier auch, dass wir ihre unterschiedlichen Ausgangssituationen wie zum Beispiel Kultur, Bildungsgrad und digital literacy berücksichtigen. Dazu gehören auch situationsbedingte Bedürfnisse wie der Wunsch, schnell auf bestimmte Informationen zugreifen zu können.

Technologie kann Patienten künftig über Grenzen hinweg begleiten. Sie kann Ärzte und pflegendes Personal im Krankenhaus bei der Therapie eines Patienten unterstützen und die Kontinuität der Behandlung nach dem Klinikaufenthalt gewährleisten. Nachsorge per Tablet mit der Option des persönlichen Kontakts zum medizinischen Personal erleichtert zum Beispiel die körperliche Reha. Bislang ist jeder vierte Patient mit den Übungen für zu Hause überfordert und übt aus Furcht vor Schmerzen und Fehlhaltungen oft lieber gar nicht. Auch dafür sind bereits spielerische Anwendungen in Sicht. Dank verbesserter Möglichkeiten für das 3D-Tracking steckt mit dem aktuellen iPhone-Release der Therapeut quasi im Smartphone.

Was heißt das für die Community der Service Designer?

Unser Ziel ist klar: Wir möchten erreichen, dass sich Gesundheits-Apps ganz selbstverständlich in den Alltag von Patienten und medizinischem Fachpersonal integrieren. Der Weg dorthin führt über Co-Creation: Wenn wir Ärzte, Patienten und Institutionen von Anfang an am Gestaltungsprozess beteiligen, bringen die Services allen Beteiligten einen deutlich erkennbaren Mehrwert und werden unseren Umgang mit unserer Gesundheit nachhaltig verändern. Das ist aktuell eine der inspirierendsten Aufgaben für Digitale Service Designer — wir sind bereit!

Co-Autorinnen: Yvonne Gruendler und Nilüfer Caliskan / IBM iX

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