Du bist nicht Wonder Woman!

Eva W.
BeChange
Published in
5 min readNov 30, 2018

11 Dinge, die ich in der Praxis über Change-Management gelernt habe.

Wenn ich mich an Veränderungsprozesse erinnere, in denen ich Führungsverantwortung getragen haben, fallen mit diese zehn Lehren ein — ich gehe davon aus, dass sich meine Erfahrungen teilweise mit der Leadership-Literatur decken, teilweise bewerte ich meine Erlebnisse sicher über. Ich bin für jeden Tipp dankbar, der meine Meinung belegt, aber noch dankbarer für Hinweise, dass die Wissenschaft etwas anders sieht.

1. Die Veränderung fängt bei dir an!
Ok, das ist jetzt keine Überraschung, mit dieser Erkenntnis beschäftigt sich dieser Kanal. Leider geht das nicht so wie bei Wonder Woman im (Hand-)Umdrehen sondern ist echt harte Arbeit an sich selbst.

2. Übernimm die Verantwortung!
Eine guter Leader übernimmt die Verantwortung, den der Fisch fängt vom Kopfe her zu stinken an. Egal, ob die Dinge gerade gut laufen oder nicht, er (oder sie) trägt immer die Hauptschuld am Ergebnis. Die US-Amerikaner sagen: Succesful people don´t blame others. Dem kann man leicht zustimmen, aber wenn ich genauer überlege, fallen mir leider einige Begebenheiten ein, in denen ich zu Ausreden griff, warum etwas nicht geklappt hat, in denen ich mein Versagen auf die Umstände schob, in denen ich andere beschuldigte. Diejenige, die immer das Gefühl hat, von Idioten umgeben zu sein, ist aber am Ende wohl selbst die größte Idiotin.

3. Würdige die Vergangenheit!
Verändern kann man nur eine Organisation die bereits eine Geschichte hat, alles andere wäre eine Neugründung. Wer Veränderungsprozesse mit besonders viel Elan und Schwung angeht, läuft Gefahr, dass viele Menschen das als Diskreditierung ihrer Leistungen in der Vergangenheit betrachten. Den Menschen für ihre Arbeit einmal zu danken, das reicht bei weitem nicht — wenn es so toll war, warum muss dann alles geändert werden? Diese Befindlichkeit habe ich einmal so gemildert: Ich setzte mich dafür ein, dass meine Abteilung für ihre Arbeit (vor meiner Zeit) einen renommierten Preis bekam (Man kann es Schiebung nennen oder erfolgreiches Lobbying.) Die Verleihung in einer anderen Stadt war Betriebsausflug und Würdigung der Vergangenheit zugleich.

4. Achtung, Betriebskultur!
Für diese Erkenntnis braucht es nicht viel Erfahrung, wie stark die Kultur eine Organisation prägt, merkt man in seinem ersten Job. Oder spätestens im zweiten, wo plötzlich so vieles so anders gehandhabt wird. Gegen die Betriebskultur zu arbeiten, bringt leider gar nichts, so stößt man nur alle vor den Kopf. Man muss sie versuchen, zu verstehen: Warum haben die Kollegen seinerzeit hier angeheuert? Warum arbeiten sie noch immer hier? Warum stehen sie morgens auf? Was ist ihnen wichtig, was motiviert sie? Wer entscheidet hier wirklich? (das muss nicht immer die offizielle Führung sein.) In der Start-up-Szene heißt es: Culture eats strategy for breakfast. Das Zitat wird dem US-Management-Professor Peter Drucker zugeschrieben, gesichert ist das nicht — es trifft jedenfalls einen Punkt.

5. Erarbeitet gemeinsam eine Vision!
Wenn niemand weiß, wohin die Reise geht, marschiert niemand mit. Sehr charismatische Leader können Menschen mit ihrer Vision, verpackt in eine Erzählung mitreißen: Yes we can! Wir anderen können uns damit behelfen, viele Teammitglieder so früh wie möglich einzubinden, um ein gemeinsames Bild zu entwickeln.

6. Lebe die Vision!
Das wichtigste ist dann jedoch, diese Vision auch selbst jeden Tag zu verfolgen, also den Worten auch Taten folgen zu lassen. Einen Chef (oder eine Chefin), der in Sonntagsreden das Blaue vom Himmel verspricht und am Montag dann bereits wieder in alte Gewohnheiten verfällt, das kennen und verachten wir alle. Aber, Achtung! Sich selber auf ein Ziel einzuschwören ist gerade, in unsicheren Zeiten, gar nicht so leicht.

7. Du bist der Trainer!
Ein direktiver Führungsstil bringt dich heutzutage nicht mehr weiter. Gute Führungskräfte coachen ihr Team, geben jedem die Untersützung die er braucht, um mitspielen zu können — aber spielen müssen sie dann auch alleine können.

8. Sei ehrlich, aber nicht zu ehrlich!
Die ewige Frage: Darf, muss ich mein Team immer vollständig informieren? Vor allem, wenn Gefahr droht? Oder ist es auch die Aufgabe einer Führungskraft, ihrem Team gewisse Informationen zu ersparen, vor allem dann, wenn das Wissen um die Probleme nichts ändert? Darauf habe ich noch keine allgemeine Antwort gefunden und handle je nach Situation. Als Bild fällt mir dieses ein: Der Leader sitzt an einer Informationsleitung. Es sollte immer Wasser, also Wissen, durchfließen, aber bereits von der Kläranlage trinkbar gemacht und in einem gleichmäßigen Strom, nicht so, als würde der Wasserhahn tropfen, aber auch nicht in einem Schwall wie bei einem Rohrbruch.
Ein Beispiel dafür, wann eine Führungskraft meiner Meinung nach auch schweigen können sollte: Sie bekommt den Auftrag, einen beachtlichen Teil des Budgets einzusparen, das heißt es müssen wohl auch Teammitglieder gehen. Bevor die Details nicht geklärt sind, bevor die Sache nicht mit dem Betriebsrat geklärt ist, muss die Führungskraft das mit sich selbst ausmachen. Denn, sobald die Mannschaft informiert ist, muss gehandelt werden. Es leiden ohnehin immer alle, wenn es Kündigungen gibt, aber je länger die Ungewissheit dauert ­– trift es auch mich? –, desto größer der Schaden.

9. Lerne aus Fehlern!
Scheitern als Chance, ja, Fail faster, fail better, ok. Diesem Spruch kann ich jedoch nichts abgewinnen: Aufstehen, Krönchen richten, weitergehen. Ja, man muss Fehler zulassen, sonst traut sich niemand, überhaupt etwas zu versuchen. Ja, man muss sich rechtzeitig Fehler eingestehen, mit Verzögerung und Verleugnung vergrößert man nur den Schaden. Aber dann sollte man eben nicht gleich weiter gehen, sondern ganz genau analysieren, was schief gelaufen ist und — Binsenweisheit — daraus lernen. Eine Kultur des Scheiterns wie in den USA gibt es in Mitteleuropa meiner Beobachtung nach noch nicht, Versagen wird immer noch als solches gebrandmarkt, niemand spricht wirklich ehrlich über seine Downs. Da hilft auch die hunderste Fuck-up-Night nichts.

10. Halte durch!
Ich fürchte, ich war bisher nie gelange in einem Führungs-Job, um tatsächlich nachhaltig etwas zu verändern. Sobald ich weg war, entwichelten sich die Organisationen wieder zurüch in die Richtung, wo sie früher gewesen waren. Drei Jahe sind also nicht genug. Ich fürchte, es dauert viel, viel länger, bis sich nachhaltig etwas ändert und die Betriebskultur nicht zurückschlägt. Abgesehen davon, ist Change ohnehin kein abgeschlossener Prozess, sondern die Aufgabe der meisten digitalen Transformationen ist es, die Organisation zu einer innovativen zu machen, die sich stetig weiter entwickelt.

11. Feiere die Erfolge, wie sie fallen!
Office-Partys, Umtrunk, Torte zur Morgensitzung — im Stress vergisst man zu oft, sich bei seinem Team für die Leistungen zu bedanken. Wenn die Veränderung aber nicht gewürdigt wird, schwindet die Motivation, sich weiter zu verändern.

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