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Wie sich einmal das Bundesverwaltungsgericht bis auf die Knochen blamierte

Alter Vorgang holt Gericht bei BER-Revision wieder ein (Teil 1)

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BER Skandal
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3 min readNov 6, 2013

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Am 13.08.2004 präsentierte der damalige Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD), auf einer Pressekonferenz den Planfeststellungsbeschluss für den BER. Der Termin war mit Bedacht gewählt, denn für den September standen Landtagswahlen an. Ziel war es, noch rechtzeitig vor der Wahl Erfolgsmeldungen für die Öffentlichkeit zu produzieren.

Die blieben auch nicht lange aus. Nur wenige Tage später, genau am 20.08.2004, veröffentlichte die “Financial Times Deutschland” (FTD) einen Bericht ihres Berlin-Korrespondenten Jens Tartler.

Berliner Großflughafen hat gute Chancen vor Gericht

Der geplante Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) wird voraussichtlich grünes Licht vom Bundesverwaltungsgericht bekommen. Das Verfahren könnte sich aber noch hinziehen.

“Wir denken nicht, dass das Projekt als solches scheitern wird”, sagte eine Gerichtssprecherin. Eine Ablehnung sei nur “theoretisch möglich”. Es sei aber denkbar, dass das Gericht das brandenburgische Verkehrsministerium als Genehmigungsbehörde verpflichtet, zusätzliche Auflagen zu machen. Das würde dann im Wege eines Planergänzungsverfahrens geschehen.

Dem BBI wird eine große Bedeutung für die Wirtschaft in Berlin und Brandenburg zugesprochen. Das Ministerium in Potsdam hatte am vergangenen Freitag seinen Planfeststellungsbeschluss veröffentlicht, mit dem es den BBI genehmigte. Die zahlreichen Gegner des Flughafenausbaus in Berlin-Schönefeld haben angekündigt, vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen den Beschluss zu klagen. Die Anwohner wollen unter anderem die Lärmbelästigung und die Wertminderung ihrer Häuser nicht akzeptieren.

Grundsätzlich ist das Bundesverwaltungsgericht die erste und letzte Instanz in dieser Frage. Privatleuten steht aber noch der Weg zum Bundesverfassungsgericht offen. Sie können in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde erheben, wenn sie sich wegen ihrer Immobilien in ihrem Eigentumsrecht verletzt fühlen. Direkt gegen den Beschluss des Verkehrsministeriums oder gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts können sie dort aber nicht mehr vorgehen.

Urteil erst 2006

Allein die Würzburger Kanzlei Baumann wird die Klagen von rund 7000 BBI-Gegnern bündeln. Aus großen Gruppen von Klägern werden Musterverfahren gebildet, die dann zügig abgearbeitet werden sollen. Die Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichts sagte: “Nach einem Gespräch mit den Anwälten hatten wir nicht den Eindruck, dass sie das Verfahren lahm legen wollen.” Mit einem Urteil wird erst 2006 gerechnet. 2010 soll der BBI eröffnet werden.

Die Sprecherin verwies darauf, dass auch die Berliner Flughafengesellschaft gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen könnte — etwa wegen der strengen Lärmschutzauflagen. Flughafensprecher Ralf Kunkel wollte das nicht ausschließen, bezeichnete es aber als eher theoretische Möglichkeit. Die Auflagen orientierten sich an einschlägigen Gerichtsurteilen und am geplanten Fluglärmgesetz. Generell seien “alle wesentlichen Punkte” für den BBI genehmigt worden, sagte Kunkel.

Vor einem endgültigen Gerichtsurteil will die Flughafengesellschaft nicht mit dem Bau beginnen. Nur einige vorbereitende Arbeiten wie die Räumung von Müllkippen und Kampfmitteln aus dem Krieg sollen vorher erledigt werden. Auch ein Dorf wird umgesiedelt.

Während der Recherche am Vortag hatte der Autor zwei Telefon-Interviews mit der Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichts geführt. Die hatte darin wiedergegeben, was wohl auf den Gängen in Leipzig Tagesgespräch war. Selbst bei der Zeitung sei man nach den Worten von Chefredakteur Steffen Klusmann über diese “Offenheit” des Gerichts überrascht gewesen.

Denn zu dieser Zeit gab es weder eine Klage gegen das Projekt, noch dürfte auch nur ein Richter einen Blick in den erst wenige Tage alten Genehmigungsbeschluss geworfen haben. Die Aussagen der Sprecherin konnten daher nur auf der Berichterstattung in den Medien beruhen. Ein handfester Skandal, der Zweifel an der Unabhängigkeit und Vorurteilsfreiheit des höchsten Verwaltungsgerichts aufkommen ließ. So ist denn auch überliefert, dass der Präsident des Gerichts, Eckart Hien, bei seiner morgendlichen Lektüre der Tagespresse “im Kreis gesprungen” sein soll.

Im Hinblick auf die derzeit anhängige Beschwerde der Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH (FBB) wegen der Nichtzulassung zur Revision könnte der Vorgang nun wieder von Interesse sein. Denn Ziel der Beschwerde ist es, die für den BER geltenden Standards beim Schallschutz aus Kostengründen abzusenken. Nur es stellt sich die Frage, warum der Flughafen nicht dem “Rat” der Sprecherin folgte und “wegen der strengen Lärmschutzauflagen” schon damals klagte. Ausdrücklich wollte er das nicht. Sein Sprecher Kunkel bezeichnete das als “eher theoretische Möglichkeit“, denn “die Auflagen orientierten sich an einschlägigen Gerichtsurteilen und am geplanten Fluglärmgesetz “.

Deshalb sind wir auf die Gründe gespannt, warum fast zehn Jahre danach alles anders sein soll.

Fortsetzung folgt.

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