Preis für gute Verwaltung 2020. Die Preisträger*innen, die Jury und ein kleiner Einblick in die Diskussion.

Wie überall in Zeiten des Corona-Virus findet natürlich auch unsere Sitzung digital statt.

Die Preisträger des Verwaltungspreises 2020

ServicebüroBauen. Zukunftsfähige Bauberatung. Herrenberg.

Die Bearbeitung von Bauanträgen dauerte deutlich zu lange. Die Stadtverwaltung Herrenberg überarbeitet mit einem ganzheitlichen Ansatz ihr komplettes Antragsverfahren.

Bauberatung und Baugenehmigung konnten vorher nur gekoppelt von Bauverständigen vorgenommen werden und die zeitliche Belastung war aufgrund der vielen Anfragen und dem vermehrten Wunsch nach individueller Beratung enorm hoch. Die anderen Mitarbeiter*innen des Amts waren oftmals gefrustet, da sie zwar informell Teile der Beratungsleistung erbrachten, letztlich aber aufgrund der TVöD-Eingruppierung weder den Lohn dafür erhielten, noch selbst Verantwortung übernehmen konnten.

In Zusammenarbeit mit IAO Frauenhofer Institut Stuttgart und der HöVF Ludwigsburg (insbes. Frau Prof. Dr. Schenk sowie Studierende) wurde ein vorbildlicher Arbeitsprozess mit zahlreichen kreativen und analytischen Methoden initiiert: Design Thinking, Mystery-Shopping, Prozessbegleitung, Soll-Prozessdefinition, Handlungsempfehlungen, Personas.

Das Ergebnis: Elektronische Aktenführung, Homepage-Relaunch, neue Raumgestaltung sowie digitale Kommunikationskanäle. Erstanfragen werden nun überwiegend direkt und sofort in der Erstberatung beantwortet. Bauherren und -frauen, sowie Architekt*innen erhalten direkt Feedback, die Bearbeitung der Anträge geht schneller, gesetzliche Fristen werden unterschritten, die Servicequalität ist enorm gestiegen. Die Bauverständigen wurden stark entlastet, die Mitarbeiter*innen des Baurechtsamts konnten fachlich und persönlich wachsen.

Und was sagt die Herrenberger Verwaltung selbst?

Es ist eine immense Zufriedenheit ALLER Nutzer*innen entstanden, die große Motivation bei den Mitarbeiter*innen ausgelöst und andere Bereiche ansteckt hat. Das spürt man jeden Tag!

NWdigital. Das Kundenportal des Kommunalen Jobcenters Kreis Bergstraße

Der Perspektivwechsel und eine emphatische Grundhaltung sind die Eckpfeiler eines nutzerorientierten Arbeitsprozesses. Das Jobcenter in Heppenheim hat sich dies wirklich zu Herzen genommen und das Verfahren der Harzt 4-Antragsstellung vom ersten Schritt an aus in dieser Logik überarbeitet.

Lange und unnötige Wege- und Wartezeiten, der große Aufwand, ein vergessenes Formular nachzureichen — ist der Erstantrag endlich gestellt, steht auch schon der Folgeantrag vor der Tür. Das langwierige und unangenehme Verfahren wurde nun enorm vereinfacht. Fehlende Formulare werden einfach abfotografiert und über das Portal hochgeladen. Eine Dokumentenübersicht zeigt an, welche Dateien bereits hochgeladen wurden. Andersherum steht der fertige Bescheid natürlich digital zur Verfügung.

Um an diesen Punkt zu kommen, hat das Jobcenter hat in einem Design Thinking-Workshop mit Kunden am entsprechenden Onlineantrag gearbeitet. Für schnelle Rückmeldungen wurde unkompliziert auf die Meinung von Kunden im Haus zurückgegriffen. Am Ende des Vorgangs können Nutzer*innen eine Sternebewertung abgeben. Aktuell verfügt der Service über eine Benotung von 4,4 von 5 Sternen.

Und das Jobcenter Heppenheim macht weiter: Kund*innen, die schlechte Beurteilungen und Verbesserungsvorschläge hinterließen, wurden kontaktiert und, wenn einverstanden, interviewt. Daraus ergab sich bereits eine 2.0 Version. Die 3.0 Version wird von einer Studentin im Rahmen ihre Masterarbeit begleitet. Dazu wurden 400 Nutzer für eine Onlineumfrage angeschrieben.

Und was sagen die Sieger?

Das Heppenheimer Jobcenter war das deutschlandweit erste, das einen solchen Dienst für seine Kunden anbieten konnte. Die Resonanz der Kunden ist extrem positiv und es wird breit genutzt.

aha plus — Jugend.Engagement.App

Freiwilliges Engagement ist eine zentrale Säule unserer Gesellschaft. Aber: Das Ehrenamt ist im Wandel. Freiwillige wollen mehr Freiheit und keine Ämter auf Lebenszeit. Junge Menschen sind mit ihrem Lebenswandel daher oft für Vereine unerreichbar.

„aha plus“ geht mit diesen Gegebenheiten um und hat ein Online-Portal entwickelt, das Vereinsarbeit und Angebote für Jungendliche zusammenführt. Jugendliche können sich bei konkreten, auch einmaligen Angeboten engagieren und dafür Punkte sammeln, die sie gegen „Dankeschöns“ wie Event-Tickets oder Trainings mit Sportprofis eintauschen können.

Das Tool ermöglicht es Jugendlichen ausserdem ihre freiwilligen Aktivitäten in Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche zu reflektieren und per “Engagement-Nachweis” sichtbar zu machen.

Es fanden zwei Workshops zu den Themen Funktionalität und Punktevergabe mit zwölf unterschiedlichen Institutionen statt, bei denen sich Jugendliche freiwillig engagieren können. Ausserdem wurden fünf Workshops mit Jugendlichen zum generellen Konzept sowie zu den Themen Look-and-feel, Punktevergabe, technische Umsetzung durchgeführt. In weiteren drei Workshops mit Pilotorganisationen wurden Themen wie Anwendungsfreundlichkeit und verschiedene Adaptionen besprochen. Die Jugendlichen waren in der Jury für die Auswahl der Agentur (Grafik, technische Umsetzung) vertreten. Hierbei wurde auch der Name aha plus und das grundlegende Design mit der Jugendjury festgelegt. Elemente aus Design-Thinking, Behavioral-Design und Art of Hosting waren die methodischen Grundlagen.

Und was sagen die Macher*innen?

Wir haben etwas Kompliziertes einfach gemacht. Das Tool und die Begleitung von Freiwilligenorganisationen haben Bewegung in die Engagement-Szene gebracht. Es sind über 2500 “Mitmach-Möglichkeiten” angeboten und mehr als 8.000 Freiwilligeneinsätze über die App geleistet worden. Es funktioniert!

Ein Stimmungsbild: Wie schwer fiel es die Top 3 auszuwählen?

Obwohl der noch junge Preis erst zum zweiten Mal verliehen wird, zeigen die Einreichungen einen bemerkbaren qualitativen Sprung.

Es sind sehr(!) gute Projekte dabei. Die Auswahl fällt vor allem schwer, da bei einigen Einreichungen eher ein guter Prozess, bei anderen eher ein gutes Ergebnis im Vordergrund steht.

Es gab neue und mutigere Herangehensweisen.

Es wird zunehmend einfach mal gemacht. Das ist nicht immer gleich die eleganteste Lösung, aber dennoch ein guter Ansatz, der für mehr Bewegung und Tatkraft spricht.

Man sieht, das Verwaltungen sich teilweise an bewährten Modellen orientieren, die Bürger*innen bereits kennen: Online-Portale; digitale 24-Stunden-Services, wo es keine individuelle Beratung braucht oder der einfache Up- und Download von Daten, wenn der Postweg wirklich unnötig ist. Das ist ein guter Start!

Viele Einreichungen sind durchdachter und konzeptionell stärker.

Man merkt zunehmend: Das Feld ist sehr breit und der Vergleich nicht immer einfach. Zukünftig könnten konkrete Kategorien eingeführt werden.

Die Jury 2020

Stephan Naundorf, Bundeskanzleramt, tätig im Referat für Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau), ausserdem Vorsitzender des Regulierungspolitischen Ausschusses der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Jan-Ole Beyer, Bundesministerium des Innern. Leiter der Projektgruppe „Konzeption und Aufbau eines Digital Innovation Teams / E-Government-Agentur“

Prof. Daniela Hensel, Hochschule für Wirtschaft und Technik Berlin (Fachbereich Design und Kultur)

Christina Schoch, Stadtverwaltung Freiburg. Leitung Amt für Bürgerservice und Informationsmanagement

Simone Carrier, Service Designerin und Mit-Initiatorin des Public Service Lab.

Nils Hoffmann, Head of GovStart, public.io

Johanna Götz, Gute Verwaltung (Initiative für bürgerzentrierte Behördenarbeit) und Gründungsmitglied von studiovorort.

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Preis für gute Verwaltung
Best Practice der guten Behördenarbeit

Die Auszeichnung macht neuartige Lösungen in der Verwaltung sichtbar und trägt so dazu bei, bürgerzentrierte Denk- und Arbeitsweisen weiter zu etablieren.