Rund um das Ja-Wort erstmals alles online.
Die Anmeldung der Eheschließung mit VideoIdent

Der Pandemie sei Dank!
Das Pilotprojekt wurde in Wiesbaden in der Abteilung des Standesamtes und Bürgerbüros implementiert. Die Anmeldung der Eheschließung ist eine OZG-Leistung und somit nach rechtlichen Vorgaben des OZG bis Ende 2022 zu digitalisieren. Daher begann das Standesamt Wiesbaden gemeinsam mit dem Nachwuchskräfteprojekt „Team OnlineRathaus“ und den anderen städtischen Behörden die rechtlichen Voraussetzungen für eine Online-Anmeldung zur Eheschließung per Videoidentifikation und QES zu prüfen. Dann entstand mit der Corona-Pandemie und den infolgedessen verordneten Lockdowns eine neue Situation: Da es das Personenstandsgesetz erlaubt, von der persönlichen Anwesenheit abzusehen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, wurde die Umsetzung einer digitalen Anmeldung der Eheschließung zusätzlich befördert. Schließlich muss es auch in Pandemiezeiten möglich sein, zu heiraten und trotz Kontaktvermeidung Anträge zu stellen. Denn leider schlossen während der Corona-Pandemie viele Standesämter und ermöglichten so keine Eheschließungen. Dies konnten wir mit dem Projekt umgehen und konnten trotz Corona das Angebot aufrecht erhalten.

Prozessschritte (Quelle: Standesamt Wiesbaden)

Auch der visuelle Eindruck zählt
Nachdem die Machbarkeit und rechtlichen Voraussetzungen durch das Rechtsamt geprüft sowie der Prozess ausgestaltet waren, verlief die technische Integration schnell. Auch der visuelle Eindruck war wichtig. So hat eine Wiesbadener Illustratorin für „Corona-konforme“ Zeichnungen „Munnis“ — Strichmännchen der Illustratorin Rike Kühl — gesorgt.
Beide Heiratswillige besuchen den Traukalender des Standesamtes unter standesamt.wiesbaden.de, geben jeweils ihre persönlichen Daten ein und machen Angaben zum gewünschten Familiennamen, ggf. vorangegangenen Ehen und gemeinsamen Kindern.
Dann folgt das Videotelefonat mit den geschulten Mitarbeitenden von WebID, das die Identität des Traupaares sicherstellt. Danach ist die Anmeldung der Eheschließung rechtsgültig abgeschlossen.

https://youtu.be/zo2IyySZm-Y

Ein Erfolgskonzept
Die Landeshauptstadt Wiesbaden seit Dezember 2020 als erstes Standesamt in Deutschland ihren Bürgerinnen und Bürgern als Pilot in Pandemiezeiten den neuen Online-Prozess an. Quasi war es erstmals möglich, die Anmeldung (früher Aufgebot) bequem von Zuhause aus durchzuführen. Der neue Onlinedienst ist unmittelbar sehr gut angenommen worden: In den ersten drei Monaten meldeten sich bereits 646 Personen digital zur Eheschließung an. Somit konnte das Standesamt auf 1.292 Personenkontakte verzichten und die Bürger:innen wie das Personal zusätzlich schütze n.

In Deutschland werden jährlich rund 400.000 Eheschließungen durchgeführt, davon in Wiesbaden rund 2.000. Die neue Online-Dienstleistung ist bundesweit ausrollbar und so könnten theoretisch rund 398.000 weitere Anmeldungen der Eheschließung darüber abgewickelt werden.

Die Anforderungen der potentiellen Nutzer:innen sind uns durch unsere Voranmeldung der Eheschließung bekannt gewesen. Durch unseres integriertes Feedback-Modul erhielten wir bereits in der Vergangenheit hilfreiche Rückmeldungen, sodass wir unseren alten Online-Dienst gut aufsetzen konnten. Derzeit haben wir eine Nutzungsquote von 98 %. Dies beweist uns, wie beliebt der neue Online-Dienst tatsächlich ist. Hierbei ist besonders interessant, dass die Nutzung hauptsächlich zur Mittagszeit (quasi in der Mittagspause) oder am späten Abend ab 19:30 Uhr erfolgt.

Das Wichtigste in Kürze

Initiierende Stelle:
Ordnungsamt Wiesbaden, Standesamt und Bürgerbüro

Umgesetzt für:
Landeshauptstadt Wiesbaden

Ebene:
Kommune

Team:
Heike Paul, ehemalige Amtsleitung
Monika Rubbel, ehemalige Abteilungsleitung und Mit-Initiatorin

Jan Klumb, Sachgebietsleitung; Mit-Initiator und Projektleiter
Veronika Claus, Abteilungsleitung
Edwin Meier, Sachbearbeiter, Konzeptentwicklung

Beteiligte Disziplinen
Verwaltungsmitarbeiter:innen, inkl. Rechtsabteilung
Softwareentwicklung
Illustration

Dauer
Grundsätzlich besteht die Idee des Projektes seit 2018, damals noch für eine andere Dienstleistung gedacht. Aufgrund rechtlicher Hindernisse konnte eine Umsetzung nicht erfolgen, mit der Corona-Pandemie war dann die Ausnahmeregelung im Personenstandsgesetz zu nutzen. So konnte auf die bestehenden Vorüberlegungen zurückgegriffen werden und das Ganze wurde entsprechend der aktuellen Umstände aktualisiert. Dazu kam eine sehr gute Zusammenarbeit der städtischen Behörden, den Beteiligten von WebID sowie dem Hersteller der Traukalendersoftware, mit denen innerhalb von knapp 4 Monaten der Onlinedienst fertig war.

Budget
Das Budget wurde aus den Haushaltsmitteln des Standesamtes “zusammengekratzt”. Uns war eine Umsetzung sehr wichtig. Zusätzlich unterstützte das Digitalministerium das Projekt mit 75 % aus Fördermitteln. Insgesamt kostete der Onlinedienst rund 30.000 €.

Nachgefragt bei Jan Klumb

Was genau hat den Anstoß zur Umsetzung gegeben?
Trotz Pandemie sollte auch die Anmeldung der Eheschließung möglich sein und mit der Pandemie entstand die dringend benötigte Gesetzeslücke zur Implementierung des Onlinedienstes.

Wie stellen Sie ihr (erlerntes) Wissen zu Innovationsprozessen anderen zur Verfügung?
Gerne teilen wir alles was wir haben: Angefangen bei den Gutachten, bis hin zu Visualisierungen, die Munnis und natürlich unsere Erfahrungen.

Was war die größte (unerwartete) Herausforderung?
Die rechtliche Machbarkeit war die größte Herausforderung, da sonst ein zwingend erforderliches persönliches Gespräch notwendig ist. Auch glaubten nicht viele an die Akzeptanz eines solchen Onlinedienstes, so hätten wir gerne schon viel früher gestartet. Die rechtliche, wie auch die Herausforderung der Akzeptanz konnten wir nehmen. Der Onlinedienst findet große Akzeptanz und Beliebtheit.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Wir haben die Idee nie verworfen, sondern lediglich in die Schublade gelegt. Als der passende Zeitpunkt kam, konnten wir darauf zurückgreifen und als erstes Standesamt diesen Onlinedienst gestalten und zusätzlich als erste Behörde bundesweit „Videoident“ als Mittel der Identifikation eingeführt.

Bislang ist die Online-Anmeldung der Eheschließung mit Videoident in Wiesbaden einmalig. Obwohl es sogar eine OZG-Leistung ist, die bis Ende 2022 umzusetzen ist. Wir haben seit Einführung bzw. Nutzung dieser Lösung bereits vielfache Gespräche mit anderen Behörden geführt. Der Online-Dienst hat hier großes Interesse erzeugt und würden es uns wünschen, dass daraus weitere Umsetzungen folgen. Wir sind besonders stolz darauf, dass niemand an VideoIdent im öffentlichen Sektor glaubte. Bis heute ist auch hier die Nutzung einmalig. Das sehr positive Feedback der Paare und die unschlagbare Nutzung von 98% macht uns so richtig stolz!

Was würden Sie beim nächsten Mal anders machen?
In schlechten und demotivierenden Phasen positiver denken. Oder: Die Projektphasen verliefen wie in einer einer Ehe: Es gab Höhen und Tiefen.

Welchen Vorgang gehen Sie als nächstes an?
Im Personenstandswesen gibt es noch einiges zu digitalisieren. Wir arbeiten jetzt an der eBeurkundung mit VideoIdent.

Was würden Sie anderen Behörden raten, die sich aufmachen einen ähnlichen Prozess wie Sie anzugehen?
Da fällt mir ein Leitspruch ein: Innovation = 1 % Idee + 99 % Umsetzung — es fordert einen langen Atem, aber niemals aufgeben und sich nicht von rechtlichen Grenzen einschüchtern lassen.

Glauben Sie, dass das gleiche oder ein ähnliches Ergebnis mit anderen Mitteln hätte erreicht werden können? Mit welchen?
Ja, wir hätten es trotzdem geschafft. Es gibt immer mal einen Fördertopf oder unterstützende Personen.

Welche neuen Kompetenzen wurden eventuell erlernt und welche neuen Kompetenzen benötigt „Verwaltung“ in der Zukunft?
Wir haben gelernt, welche weiteren Arten es der Identifikation gibt und was sich Bürger:innen speziell im Rahmen der Anmeldung der Eheschließung wünschen. Dank des Feedbacks und gemeinsam haben wir einen guten Onlinedienst gestalten können.

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Preis für gute Verwaltung
Best Practice der guten Behördenarbeit

Die Auszeichnung macht neuartige Lösungen in der Verwaltung sichtbar und trägt so dazu bei, bürgerzentrierte Denk- und Arbeitsweisen weiter zu etablieren.