Journalismus im Rampenlicht

Stephanie Schiller
#betajournalism berlin
4 min readNov 21, 2014

Urban Journalism will den Journalismus von den Schreibtischen anonymer Verlagsbüros zurück in den öffentlichen Raum bringen. Oder ins Theater. Dort sollen JournalistInnen dann auch wieder richtig Kontakt mit dem Publikum aufnehmen.

Jens Twiehaus, Mitinitiator von Urban Journalism, im Gespräch über interaktiven Journalismus. (Foto: Stefanie Tomaschitz)

Über die Zukunft des Journalismus gibt es die verschiedensten Vorstellungen. Gewiss ist bloß, dass die Zukunft in der Regel ungewiss ist. Ein Quartett junger JournalistInnen aus Berlin hat nun beschlossen diese ungewisse Zukunft selbst offensiv mitzugestalten. Sie wollen, dass sich JournalistInnen nicht mehr hinter ihren Bildschirmen verstecken, sondern die direkte Konfrontation mit ihrer Leserschaft suchen. Auf einer Bühne. Im Rampenlicht. Im Gespräch. Das Projekt heißt Urban Journalism und steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. „Das Potenzial liegt darin, Journalismus zu erklären und zu zeigen, dass er eine wichtige Funktion in der Gesellschaft hat“, erzählt Jens Twiehaus beim Frühstück im Berliner Trendlokal St. Oberholz. Der freie Journalist leitet das Projekt gemeinsam mit Mark Heywinkel, Rabea Edel und Eva Schulz.

Ein erster Versuch
Die Gründung von Urban Journalism ist ganz schnell gegangen. Die Idee, Journalismus auf der Bühne zu einem lebendigen Magazin werden zu lassen, stammt von Mark Heywinkel. In Deutschland sind die Berliner mit diesem Projekt einzigartig. International gesehen gibt es einige Vorreiter wie das Pop-Up Magazine aus den Staaten. Nur rund zwei Monate nach der Entwicklung der Theorie folgte im August diesen Jahres der Praxistest beim ersten Urban Journalism Salon in Berlin. In fünf Darbietungen brachten JournalistInnen dem Publikum ausgewählte Themen — wie die Darstellung von Frauen in Wirtschaftsmagazinen — näher. Die Palette der Darstellungsformen reichte von einer lebenden Infografik mit Schildern, über einen Live-Podcast, bis hin zu einem Quiz. Interaktivität steht klar im Vordergrund.

Jens Twiehaus arbeitet als freier Journalist und beschäftigt sich intensiv mit aktuellen Entwicklungen in der Medienbranche. (Foto: Stefanie Tomaschitz)

Rund 350 ZuseherInnen wohnten diesem ersten Testlauf bei. „Wir haben das damals ganz bewusst so schnell gemacht, weil es unser Ziel war, aus den Fehlern, die wir dort machen, zu lernen“, meint Twiehaus. Mittlerweile wird es laut im St. Oberholz. Die Galerie füllt sich mit den üblichen Macbook-Usern. Ein Mittzwanziger geht am Frühstückstisch vorbei — mit einer Zeitung unterm Arm. Twiehaus macht mitten im Satz eine Pause und schaut dem jungen Zeitungsleser verblüfft nach. Dann fährt er fort und spricht über die Besonderheiten von Urban Journalism.

Das von den Gründern als zukunftsträchtig angesehene Konzept, geht in der Umsetzung erst einmal einen Schritt zurück zu den Ursprüngen des Journalismus — in Richtung der englischen Kaffeehauskultur des 17. Jahrhunderts. Im heutigen Zeitalter von Social Media und Mobile Reporting stehen live erzählende JournalistInnen eigentlich konträr zu aktuellen Entwicklungen der Branche. „Im Kern ist Urban Journalism total analog, hätte aber ohne digitale Formate im Marketing nicht funktioniert. Es ist also ein analog-digitales Projekt.“ Es sei wichtig die Menschen wieder näher an die BerichterstatterInnen zu bringen, da die herkömmliche digitale Kommunikation in der Regel sehr oberflächlich bleibe.

Fortsetzung folgt
Bisher ist nur dieser eine Urban Journalism Salon über die Bühne gegangen. Wiederholungen davon wird es sicherlich geben — auch in anderen Großstädten. Der nächste Salon lässt allerdings noch etwas auf sich warten. Einen fixen Termin gibt es bisher nicht. „Wir peilen gerade Mai 2015 für den nächsten Event an“, so Twiehaus. Denn bis dahin ist Moderatorin Schulz in Israel. Twiehaus, Heywinkel und Edel befinden sich derzeit in intensiven Gesprächen mit diversen Medienhäusern und Firmen. Außerdem gilt es, sich thematisch einzugrenzen: Die künftigen Salons sollen nämlich nicht mehr derart breit gefächert ausfallen, sondern vielmehr durch „Titelthemen“ — „Reisen“ könnte so eines sein — eingegrenzt werden. Dies erleichtere den Leuten zu entscheiden, ob sie ein Besuch des Salons interessiert und zudem helfe es bei der Suche nach jeweils passenden Sponsoren.

Denn wie die meisten jungen Projekte, ist auch Urban Journalism noch mit der Frage nach der Finanzierung konfrontiert. Alleine durch die Eintrittskosten lassen sich die mit 20.000 Euro budgetierten Veranstaltungen nicht refinanzieren. Auf den großen Profit sind die vier zwar nicht aus, dennoch ist es ihr Ziel, Gewinn zu machen — um ihre eigene Arbeitsleistung und die der Bühnenakteure mit einem kleinen Honorar zu entlohnen.

Beim Frühstück im St. Oberholz erzählt Jens Twiehaus,was er mit Urban Journalism noch erreichen möchte. (Foto: Stefanie Tomaschitz)

Zukunftspläne
Wo Urban Journalism in fünf Jahren steht, kann sich Twiehaus heute noch nicht vorstellen. Twiehaus spricht von „Events“, wenn er von zukünftigen Vorhaben erzählt. Diese sollen nicht fix an eine Bühne gekoppelt sein, sondern auch im öffentlichen Raum stattfinden. Neben den vierteljährlichen Salons sollen künftig auch andere Formate, wie journalistische Stadtführungen, unter dem Namen Urban Journalism laufen. Er kann sich beispielsweise vorstellen, dass ein Politikjournalist durch den Bundestag führt. So auf: ‚Und hier drüben hat Angie Wladimir die Hand geschüttelt.’

Allgemein prognostiziert Twiehaus dem Printjournalismus keine rosige Zukunft — große Medienmarken sieht er aber nicht in Gefahr. Zu groß sei hier der Orientierungsbedarf der Leser. Der Journalismus wird seiner Meinung nach vielseitiger werden und sich in verschiedene Interessensmilieus fragmentieren. Urban Journalism versucht, eines dieser Segmente abzudecken. Eine große Redaktion wird wohl auch zukünftig nicht hinter Urban Journalism stehen. Twiehaus gibt sich damit zufrieden: „Ich denke, es ist ganz gesund, wenn es ein kleines Projekt bleibt und unter Umständen sogar einige Nachahmer findet.“

Im Kurzinterview erklärt der Urban Journalist Jens Twiehaus das Konzept, den Ursprung und Zukunftspläne des Journalismus-Projekts:

--

--

Stephanie Schiller
#betajournalism berlin

Journalismus & PR - Studentin / FH JOANNEUM / aus Salzburg / wohnt derzeit in Glattbrug (CH) / bloggt aus der Schweiz auf http://gzsz13.wordpress.com /