‚Big bad motherfucker’ im agilen Umfeld

Kai Dahlke
Bitgrip
Published in
4 min readDec 14, 2017

Agiles Projektmanagement — gibt es dazu nicht schon Hunderte Fachbücher? Richtig, aber wer hat schon Zeit und Lust, ein Buch zu lesen, wenn man nur einen schnellen Überblick haben will.

Ich will agilen Einsteigern einen leicht verständlichen Zugang zu Rollen und Funktionsmechanismen von agilen Prinzipien bieten — und gleichzeitig auf häufige Widersprüche und Probleme hinweisen.

Damit es nicht zu trocken wird, habe ich einige prägnante Figuren und Zitate aus Quentin Tarantinos Meisterwerk „Pulp Fiction“ entlehnt. Für die wenigen unter uns, die diesen Filmklassiker nicht kennen — Sie können trotzdem weiterlesen und den Film einfach später gucken, hier wird nichts gespoilert.

Die aus meiner Sicht wichtigsten Rollen im agilen Umfeld sind der Product Owner, der Scrummaster und das Scrum Team.

Mr. Wallace — der Product Owner

„Ich sage dir, was jetzt ansteht…“

Der Product Owner ist der Boss, der Macher, der Mann, der sagt, wo´s lang geht. Genau wie Mr. Wallace. Er plant und steuert die Produktentwicklung und ist verantwortlich dafür, dass die Ergebnisse in einem gesunden Verhältnis zu den Kosten stehen.

Mr. Wolf — der ScrumMaster

„Ich löse Probleme!“

Der eingängige Slogan von Mr. Wolf beschreibt ziemlich genau das Aufgabengebiet des ScrumMasters: Er beseitigt pragmatisch alle Schwierigkeiten oder Blockaden, die das Team davon abhalten, seine Aufgaben zu erfüllen und mithin die gesteckten Ziele zu erreichen. Einen guten ScrumMaster zeichnet eine ausgeprägte Hands on-Mentalität aus.

Vincent und Jules — das Scrum Team

“Hast du schon viele gemacht? Scheiße, ja. Ich habe eine Technik drauf, Mann.“

Das Scrum Team hat in der Tat die Technik drauf, denn es besteht schlicht gesagt aus den Leuten, die die eigentliche (Entwicklungs)arbeit machen. Sie liefern das Produkt und verantworten dessen Qualität. Dabei sind sie autorisiert, alles zu tun, um die benannten Ziele zu erreichen. Na gut, vielleicht nicht wirklich ALLES, hier passt unser Beispiel nicht zu 100 Prozent.

Alle Theorie ist grau

Es gibt noch weitere Rollen, etwa den Kunden oder den Manager, aber ich beschränke mich bewusst auf die für mich wichtigsten Player. Deren Aufgaben sind hier stark vereinfacht beschrieben, aber im Kern — und der Theorie — stimmt es genau so.

Nun weiß jeder, der mit agilen Methoden im IT-Projektumfeld tätig ist, dass es in der rauen Wirklichkeit deutliche Unterschiede zwischen Theorie und Praxis gibt. Im IT-Projektalltag bestimmen diverse Faktoren, ob und inwieweit methodische Vorgaben eingehalten oder über den Haufen geschmissen werden.

Mr. Wolf kann nicht alle Probleme lösen

Agilität bedeutet im IT-Umfeld vor allem, flexibel auf neue oder sich ändernde Anforderungen zu reagieren zu können. Im Widerspruch dazu sind viele IT-Projekte, besonders in großen Unternehmen, immer noch geprägt durch starre Zeitpläne, unflexible Lasten-/Pflichtenhefte und feste Projektbudgets.

Daraus resultierende strukturelle Störfaktoren können selbst von Mr. Wolf, unserem legendären Problemflüsterer, nicht so einfach beseitig werden und führen im schlimmsten Fall zum Scheitern des Projekts.

Wer weiß, wie es am Ende kommt?

Zudem glauben Projektverantwortliche oft schon von Anfang an zu wissen, wie die spätere Lösung oder das Produkt genau aussehen werden. Das mag vielleicht bei Mr. Wallace und seinem mysteriös-funkelndem Koffer funktionieren, aber sicher nicht bei IT-Projekten. Zu schnell ändern sich technische Spezifikationen, fachliche Anforderungen oder ganze Geschäftsmodelle.

Dieser Fakt wird von vielen Entscheidern immer noch ignoriert. Also: Kein seriös arbeitender Projektleiter wird Ihnen am Anfang sagen, wie genau die finale Lösung aussehen wird.

Leistung entscheidet, nicht die Position

Neu gegründete Scrum Teams müssen sich erst finden. Das gilt besonders bei Teams, die sich aus Mitarbeiter von verschiedenen Firmen zusammensetzen, wie es bei großen IT-Projekten häufig der Fall ist. Klassische Rangfolgen oder Hierachien gibt es innerhalb eines Scrum Teams nicht. Alle Mitglieder sind gleichberechtigt, wie Vincent und Jules. Ein Junior Developer kann genauso einen wertvollen Beitrag leisten wie ein Senior Softwarearchitekt.

Auch diese theoretische Vorgabe wird in der Praxis oft gerissen. Der augenscheinliche Verzicht auf das eigene Standing stellt besonders erfahrene Mitarbeiter vor Probleme. Hier zeigt sich schnell, wie durchsetzungsfähig und empathisch der Scrummaster ist.

Zusammenfassung

Agile Prinzipien eigenen sich sehr gut, IT-Projekte jeder Größe zu planen, zu steuern und erfolgreich abzuschließen. Der flexible Ansatz kollidiert in der Praxis allerdings oft mit starren Zeit- und Budget-Vorgaben der Auftraggeber. Das führt im Alltag zu Störungen, die den Projekterfolg gefährden. Oder um es mit den Worten von Mr. Wallace zu sagen:

„You see, this profession is filled to the brim with unrealistic motherfuckers.“

--

--

Kai Dahlke
Bitgrip
Editor for

Storyteller, Word-Nerd, IT-Chinesisch-Übersetzer @bitgrip