»Ein bisschen Spaß«? Rassistische Stereotype und Schwarze deutschsprachige Schlagermusik

In der deutschen Schlagermusik werden die Topoi Heimat und Zugehörigkeit entworfen und aufrechterhalten — unter Abgrenzung vom ›Fremden: Rassistische Stereotype werden für diese Konstruktion produziert und reproduziert. Der Schwarze Sänger Roberto Blanco ist seit mehr als einem halben Jahrhundert ein erfolgreicher Schlagerstar. In seinem bekanntesten Lied sind solche Stereotype erkennbar. Dieser Artikel beleuchtet diesen Zusammenhang.

– Notiz zum Inhalt: In dem folgenden Artikel werden kolonial-rassistische Aussagen zitiert

Von Marli Spitz

»Ein bisschen Spaß muss sein / Dann ist die Welt voll Sonnenschein […] / Ein bisschen Spaß muss sein/ Dann kommt das Glück von ganz allein.«

Bereits diese wenigen Liedzeilen rufen die Erinnerung an eine bekannte Melodie hervor. Unweigerlich beginnt man zu summen und sich an den Text zu erinnern. »So soll es weitergehen …«
Die frühe BRD. Die unmittelbare Nachkriegszeit überstanden. An die deutsche Teilung gewöhnt. Eine Zeit geprägt vom Nachkriegsboom, dem Wirtschaftswunder. Mit dem neu errungenen Wohlstand stellte sich eine Gemütlichkeit ein in den meisten deutschen Familien. Politische Umbrüche? Ja, da gab es Anstrengungen zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen, nachdem das lange vernachlässigt wurde. Der Kalte Krieg schwelte irgendwo im Hintergrund und irgendwann erhob sich eine politische Jugend zu Protest. — Aber die Medien boten auch das, wonach man sich sehnte: Unterhaltung, Freude, gute Laune.

In diese Zeit hinein fällt die Phase großer Berühmtheit Roberto Blancos. Er gilt als einer der erfolgreichsten Entertainer und Schlagersänger in der deutschen Nachkriegszeit. Auf Kuba geboren, kam er 1956 nach Deutschland. Dort wurde er dann schnell durch seine Rolle in dem erfolgreichen Nachkriegsfilm Der Stern von Afrika (1957) bekannt. Die Handlung fokussiert sich auf eine Einheit der Luftwaffe der Wehrmacht, die im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zum deutschen Afrikakorps abkommandiert wird. Einige Kritiker*innen erinnerte der Film sehr an den Film-Stil, den Goebbels Propagandaministerium einige Jahrzehnte zuvor gefördert hatte. Blanco verkörperte darin eine Schwarze Person namens Mathias. In einer Szene (min. 40:00ff.) drängen die weißen Offiziere ihn, oberkörperfrei und barfuß auf einer Bühne zur Unterhaltung des vornehmlich weißen Publikums zu tanzen. Nach kurzem Zögern beugt er sich dem Willen der Offiziere und tanzt dann fröhlich und lachend.

Wer ist Roberto Blanco?

Schallplatte zur DVR-Kampagne »Hallo Partner — danke schön« (1974)
Schallplatte zur DVR-Kampagne »Hallo Partner — danke schön« (1974)

Roberto Blancos fröhliche Art, sein lautes Lachen sind nicht zuletzt die Erinnerungen, die bei den ersten Takten von »Ein bisschen Spaß muss sein« wachgerufen werden. Doch was davon ist Image? Betrachtet man Roberto Blanco mithilfe von Mitteln der Performance-Analyse wird die Frage aufgeworfen, inwiefern seine Auftritte der Kreation einer Kunstfigur dienen. Durch die »Art und Weise der Inszenierung von Personen und Figuren wird gesellschaftlich geteiltes Wissen rund um soziale Rollen« verarbeitet (Peltzer/Keppler 2015: 126). Zu diesem Wissen zählen auch existierende Stereotype, die hierdurch bedient werden, um einerseits das Interesse der Zuschauer*innen zu wecken und andererseits um bestimmte gesellschaftliche Erwartungen an die Figuren zu erfüllen. Diese Stereotypisierung der Figur hat im Falle Roberto Blancos Matias aus Der Stern von Afrika eine rassistische Konnotation. Als lachender, tanzender Mann entsprach er einem typischen Stereotyp Schwarzer Personen, das stetig und unreflektiert reproduziert wurde und immer noch wird.

Präsent waren in der Entertainmentbranche lange Zeit solche Schwarze Menschen, die in ihren Kunstfiguren und Performances verschiedene Stereotypen zusammenführten. Hier ist es zum einen der lustige Schwarze, ein Stereotyp, das auf die Standardfigur des Jim Crow in US-amerikanischen Minstrel Shows zurückgeht. Zum anderen findet man hier das Stereotyp, dass alle Schwarzen gut tanzen und singen können, wieder.

Aber alle Afrikaner*innen können doch tanzen?!

»Der Onkel Bumba aus Kalumba tanzt nur leidenschaftlich Rumba, Rumba Rumba …«

Die Comedian Harmonists besingen in diesem Hit aus den 1930er Jahren etwas, dass viele Menschen damals wie heute glauben: ›Alle Afrikaner*innen können tanzen.‹ Und nicht nur alle Afrikaner*innen! Diese Eigenschaft wird häufig bei allen Schwarzen Menschen angenommen. Unabhängig davon, wo die Person tatsächlich geboren, aufgewachsen und sozialisiert ist. Afrika habe demnach etwas ›Exotisches›. Es sei ein Ort »wo die Menschen zwar wenig haben, dafür aber viel lachen und tanzen« (Hasters 2021: 23).

Diese klischeehafte Betrachtung Afrikas fand ihren Ursprung bereits in den Schriften Immanuel Kants und Carl von Linnés. In den Rassentheorien von Kant und Linné wird die Hautfarbe mit bestimmten Charaktereigenschaften und Talenten in Relation gesetzt. Man kreierte eine bestimmte Mentalität und somit auch bestimmte Stereotypen im Zusammenspiel mit Äußerlichkeiten. Über Stereotypen wird weißen Menschen die Möglichkeit der Abgrenzung von Schwarzen gegeben und gleichzeitig wird ihr Zugehörigkeitsgefühl generiert. Es erfolgt eine Einteilung in ›Unsrige‹ und ›Fremde‹. Das kolonialgeschichtlich produzierte Bild des ›Afrikaners›, stellt diesen als unzivilisiert dar, was seine ›Zivilisierung‹ bzw. seine Ausbeutung und Unterdrückung rechtfertigen sollte.

Ein Teil dieses Bildes ist das vermeintlich urwüchsige Rhythmusgefühl von Schwarzen Personen. In solchen Vorstellungen ist Afrika stets eng mit Musik, vor allem Trommeln, Gesang und Tanzen verbunden. Diese Zusammenhänge lassen sich im Sammelband Farbe bekennen (1986) nachlesen, der unter Anderem herausgegeben wurde von May Ayim. Sie zitiert darin auch den deutschen Missionar J. Emonts, welcher seine Arbeit fast ausschließlich der vermeintlichen Zivilisierung und Kultivierung der Schwarzen Völker Afrikas und der Erforschung ihrer Bedeutung widmete. Ein drastisches Zitat von ihm aus dem Jahr 1923 zeigt, was er damit meinte: »An erster Stelle muss ihnen das wilde Heidentum ausgerupft werden. Das sitzt tief in den kleinen schwarzen Krausköpfchen drin. Sie müssen den heidnischen Sitten und Gebräuchen entsagen, die sie von Jugend auf geübt haben. Sie dürfen nicht mehr den heidnischen Tänzen beiwohnen.« (zitiert nach Ayim et al. 1986: 60) Hieran lässt sich erkennen, wie fest das Tanzen mit dem Bild ›des Afrikaners‹ verbunden ist. Es hat hier keine positive Konnotation, sondern repräsentiert das ›Heidnische‹ und die ›Unzivilisiertheit‹ Schwarzer Menschen.

Der Rassismus dieser Zeit besteht bis heute fort. Das Wissen über Stereotype ist jedoch meist implizit in das gesellschaftliche Handeln eingebunden und somit der*dem Einzelnen nur zu einem geringen Teil bewusst. Diese implizite Einbindung wird nicht zuletzt über Aspekte der Populärkultur geschaffen. Filme, Kunst und Lieder können zur Verbreitung von Stereotypen beitragen. Die Aussage ›Alle Schwarzen Menschen können doch tanzen‹ bzw. singen ist eine Form von positivem Rassismus. Gerade diese Form von Rassismus ist für viele Menschen schwer als solcher zu erkennen, da Kommentare wie der eben genannte auf den ersten Blick als Kompliment oder Anerkennung gedeutet werden können. Erst auf dem zweiten Blick werden für viele die Abgrenzung und die historische Bedeutung sichtbar.

Bin ich also Rassist*in wenn ich dieses Lied mitsinge?

In dem Versuch eine Antwort auf diese Frage zu finden, muss zunächst festgehalten werden, dass Musik gleich einen doppelten Einfluss auf unsere Gesellschaft und somit unser Denken hat. Während bereits Humboldt die Sprache als »bildendes Organ der Gedanken« (zitiert nach Weigmann 2007) beschrieb, ist Musik zudem ein zentraler Aspekt unseres alltäglichen Lebens. Ersteres meint, dass die Sprache sozusagen Grundlage unseres Denkens und somit auch unserer Wahrnehmung von Welt ist. Bestimmte Formulierungen und Begriffe rufen in der Folge bestimmte Assoziationen hervor, da sich unser Denken auf diese Weise verknüpft.

Insbesondere das Genre der Schlagermusik (aber auch die deutsche Unterhaltungsmusik, die vor allem in der DDR beliebt war) generiert mit verschiedenen Mitteln ein Gefühl der Zugehörigkeit: eine deutsche Identität. Das zentrale Motiv der Schlagermusik ist Heimat. Die Darstellung der ›Heimat‹ ist stets utopisch und mit einem Gefühl der Sehnsucht verbunden — nach einem Zustand des Zuhauseseins und der dazugehörigen Umgebung. Es ist eine weiße deutsche Welt, die in den Texten entworfen wird. Durch dieses Herauskristallisieren dieser typischen deutschen Heimat als Idealzustand, kreiert man gleichzeitig ein Negativ, in Form einer anderen, nicht-deutschen Fremde. Hierbei sind sowohl Rassifizierung als auch Sprache entscheidende Faktoren. Diese Abgrenzung funktioniert wie oben erklärt neben der Darstellung des ›Anderen› als negativ auch über das bloße Bedienen von Stereotypen. Anhand von sogenannten ›musical poetics‹ wird »ein Image […] konstruiert […], das nicht zuletzt die Aufgabe hat, das Selbstbild des Deutschen zu bestätigen« (Mendívil 2019: 381).

Was wir unter ›Heimat‹ verstehen, wird durch Kunst mitbestimmt; zum Beispiel durch Schlagermusik oder auch durch das prominente Bildmotiv des ›Röhrenden Hirschs‹.

Wie gelang es Roberto Blanco in Deutschland Fuß zu fassen? In den Erwartungen, die man an Roberto Blanco richtete, verbargen sich rassistische Stereotype. Er wurde akzeptiert, weil er mit seinem Auftreten den Erwartungen der weißen deutschen Gesellschaft entsprach. Doch gehörte er ›dazu‹? Ein anderer Schwarzer deutscher Sänger dieser Zeit war Billy Mo. In einem seiner Lieder (1959) singt er die Zeile: »Lass mich rein, ich will heut’ tanzen.« In diesem Satz stecken gleich zwei rassistische Implikationen: zum einen, dass Tanzen eine typisch Schwarze Eigenschaft sei, und dass dies — wie es im Text weiter heißt — Schwarzen Menschen »im Blut liege«; zum anderen lässt sich die Aussage »Lass mich rein« so deuten, dass Billy Mo versucht, dazuzugehören. Er, und wahrscheinlich auch Roberto Blanco strebten zur Zeit ihres Lebens nach Erfolg, in einer künstlerischen Umgebung, die sie implizit ausschloss. Dieses Ziel konnten sie offenbar nur erreichen, indem sie laut lachten, tanzten und sangen. Ob sie dadurch wahrhaftig Anerkennung und Zusammenhalt in der ›Heimat‹, wie sie die deutsche Schlagermusik konstruiert, erfuhren, bleibt unbeantwortet.

Was man jedoch weiß, ist, dass die Karrieren vieler Schwarzer Sänger*innen geradezu von Rassismus durchdrungen sind. Man muss sich dessen bewusst sein, wenn man Lieder wie die zuvor genannten mitsingt. Viele Inhalte, viele Aspekte des Auftretens waren und sind vermutlich nicht selbst gewählt. Die Handlungsmacht der Künstler*innen war von wenigen Rollen eingeschränkt, die ihnen mehr oder weniger explizit angeboten wurden — so wie Roberto Blanco die Rolle von Mathias in Der Stern von Afrika zu seinen ersten Erfolgen verhalf und wie das Tanzen der Figur Mathias Beliebtheit bei den deutschen Offizieren einbrachte. Deutschland — eine Heimat für alle? Daran müssen wir und insbesondere wir weißen Deutschen immer noch arbeiten. Auf allen Ebenen, angefangen in der Kultur, angefangen beim Hinterfragen von scheinbar harmlosen Stereotypen.

Marli Spitz studiert die Fächer Deutsch und Geschichte auf Lehramt. Das Bachelorstudium plant Marli demnächst mit einer germanistischen Arbeit abzuschließen. Marli wird sich auseinandersetzten mit »Philip Roth als jüdischer Autor und die Rezeption seines Romans Portnoy’s Complaint in der deutschen Nachkriegszeit.«

References

Songs

Comedian Harmonists: Der Onkel Bumba aus Kalumba tanzt nur Rumba. In: https:// www.youtube.com/watch?v=ks0IP9krR98, zuletzt abgerufen am: 07.06.2023.

Roberto Blanco: Ein bisschen Spaß muss sein. In: https://www.youtube.com/watch? v=hQ8tY0c-s04, zuletzt abgerufen am: 07.06.2023.

Billy Mo: Laß’ mich rein. In: In: https://www.youtube.com/watch?v=vJIirDrSU9g, zuletzt abgerufen am: 06.06.2023.

Literatur

Ayim/Opitz, May: Rassismus, Sexismus und vorkoloniales Afrikabild in Deutschland. In: Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. Hrsg. von Ayim, May et al. Berlin: orlanda Frauenbuchverlag 1986. S. 27–61.

Hasters, Alice: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten. München: hanserblau 2021.

Mendívil, Julio: Heimat 2.0. Über die imaginäre Heimat in der deutschen Schlagermusik. In: Heimat verhandeln? Kunst- und kulturwissenschaftliche Annäherungen. Hrsg. von Barboza, Amalia et al. Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2019. S. 373–402.

Peltzer, Anja u. Angela Keppler: Die soziologische Film- und Fernsehanalyse. Eine Einführung. Berlin u. Boston: De Gruyter 2015.

Weigmann, Katrin: Beeinflusst Sprache unser Denken? In: https://www.spektrum.de/ frage/beeinflusst-sprache-unser-denken/867091, abgerufen am 09.06.2023.

Illustrations

Ill. 1: Schallplatte zur DVR-Kampagne »Hallo Partner — danke schön« (1974), via wikimedia, CC BY-SA 4.0.

Ill. 2 Gemälde »Röhrender Hirsch« via getarchive, Public Domain.

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