ChatGPT

Comedy-Podcast trifft Hörspiel trifft KI

Ein Innovationsprojekt und Experiment zu “100 Jahre Hörspiel”

Team BR NEXT
BR Next

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Von Eva Deinert, Matthias Leitner und Till Ottlitz

Ende 2022 stellten sich die Entwicklungs- und die Hörspielredaktion des BR die Frage: Lässt sich der 100. Jahrestag des Hörspiels und der KI-Trend in ein gemeinsames Innovationsprojekt übersetzen? Das Ergebnis: Der sechsteilige Comedy-Podcast „In 5 Tagen Mord — Die Krimi-Challenge mit KI“

Worum geht es?

Christian Schiffer, BR-Journalist und Netzexperte, und Janina Rook, Comedian und Drehbuchautorin, nehmen eine anspruchsvolle Herausforderung an: In nur 5 Tagen ein Krimi-Hörspiel im Stil der 50er- und 60er-Jahre Radio-Krimis zu schreiben.

Der Haken: Die beiden haben das noch nie gemacht.

Christian Schiffer und Janina Rook (BR/Raphael Kast)

Unterstützung bekommen sie von Expert:innen wie Bestseller-Autor Volker Klüpfel oder Hörspiel-Autorin Anne-M. Keßel. Und von Künstlicher Intelligenz, darunter ChatGPT und Elevenlabs für Stimmgenerierung.

Der Podcast nimmt die Hörer:innen mit in den Writers’ Room, wo die Hosts Ideen spinnen, ihr Krimi-Wissen erweitern, sich Täter, Tatort und Mordopfer ausdenken und die Möglichkeiten der KI voll ausschöpfen. In Folge 6 gibt’s dann sogar das fertige Hörspiel zu hören: „Die Blondierung des Todes“.

In 5 Tagen Mord — der Trailer

Das Challenge-Design:

Wir wollten das Thema KI von Anfang an möglichst unterhaltsam aufbereiten, nicht als reinen Nachrichten- oder Informationspodcast.

Deshalb war es ein Geschenk, dass wir Christian Schiffer und Janina Rook für dieses Experiment gewinnen konnten. Die beiden haben sich auf diese verrückte Challenge eingelassen, denn: Sie hatten wirklich nur 5 Tage.

Klingt nach Design Sprint? Stimmt. Um Spannung im Podcast aufzubauen, haben wir bewusst das Setting und die Methode des Design Sprints genommen.

So konnten wir die Aufnahmewoche strukturieren und den Podcast dramaturgisch anlegen. Wir konnten planen, wann wir welche Expert:innen zu den beiden ins Studio schicken und welche Elemente des Hörspiels tatsächlich inhaltlich wann stehen müssen.

Zum Beispiel haben wir von vornherein einen Table Read mit Schauspieler:innen für Ende der Woche geplant — was im Design Sprint dem Nutzer:innentest eines Prototypen entspricht — bis zu diesem Tag musste die erste Szene stehen.

ChatGPT als dritte Autorin im Bunde

Der Fokus des Podcasts liegt dabei auf dem kreativen Prozess, auf dem Schreiben und auf dem praktischen Einsatz von KI, der im Moment reflektiert wird, weg von theoretischen Diskussionen.

  • Die Hosts nutzen ChatGPT, um Ideen zu generieren. Interessanterweise hat ChatGPT in vier von fünf Ideen, die es generiert hat, eine Künstliche Intelligenz als Hauptrolle immer mit reingeschrieben, ohne dass das so gepromptet war. Zu hören in Folge 1 (ab ca. Min 39:40). Keine der Ideen von ChatGPT ist es am Ende geworden.
  • Außerdem hat ChatGPT bei der Entwicklung von Charakteren geholfen und Vorschläge generiert für Namen anhand der Figurenbeschreibung.
  • Die größte Aufgabe an die künstliche Co-Autorin war: Szenen zu verfassen, die der Textart “Drehbuch” entsprechen — also Dialoge samt Regieanweisungen enthalten.
  • Dabei sind die Hosts so vorgegangen: Sie haben ihre Idee ausgearbeitet in einzelne Story Outlines, sprich: ihre Geschichte gegliedert in einzelne Szenen. Dabei hat ChatGPT zB die auf Post-its verfassten Szenen-Stichworte digitalisiert und Überschriften verfasst.
    Janina und Christian haben die Outlines der einzelnen Szenen ausformuliert und ChatGPT gebeten, eine Szene zu schreiben anhand der Informationen.

Ein Beispiel:

„Bitte erstelle mir aus der folgendem Outline eine Drehbuchszene für ein Krimihörspiel: Friseursalon Himmelreich. Geräusche von Föhnen, Schneiden, Damen etc. Kommissarin Margot “Maggy” Moser lässt sich in einen Stuhl fallen. Eine Kopfmassage ist genau das, was sie jetzt braucht: “Alter, bin ich verkatert.” Friseurin Christa Himmelreich stellt ihr einen Piccolo vor die Nase: “Der hilft.” Christa massiert Maggys Kopf und Schläfen. Maggy nimmt einen großen Schluck vom Piccolo und ist tiefenentspannt. Da ruft Maggys Assistent Vincent Weiss an, auf den sie gar keinen Bock hat. Sie drückt ihn weg. Sie ist wieder tiefenentspannt. Dann ruft er noch mal an: Warum Maggy nicht in der Dienstbesprechung ist. Maggy geht ran und lügt ihn an, dass sie woanders ist. Vincent checkt natürlich, dass seine Chefin bei der Friseurin ist. Maggy wimmelt ihn ab. Dann sinkt sie tief in den Stuhl zurück. Die Kopfmassage geht weit. Als Instagram-Queen Hailey in den Salon stürmt und Maggy wieder aus ihrer Entspannung herausreißt.“

Die Szene, die ChatGPT ausgibt, lesen Christian und Janina in Folge 4 (ab Min 30:30). Anhand dieser ersten Szene sieht man im Laufe des Podcasts gut die Weiterentwicklung. Sie taucht in Folge 5 im Table Read wieder auf und in Folge 6, also dem Hörspiel in der finalen Version.

Die endgültige Ausarbeitung bleibt also immer in den Händen der menschlichen Autor:innen. Oder wie es Host Janina Rook im Podcast formuliert: „Es ist immer leichter, eine schlechte Seite zu redigieren, als komplett neu anzufangen und zu schreiben.“

Christian Schiffer und Janina Rook im Studio (BR/Raphael Kast)

Weiterer Einsatz von KI

  • Im Podcast zu hören ist ChatGPT in Form einer synthetischen Stimme: Dafür haben wir die Stimme “Charlotte” von Elevenlabs genutzt. Ursprünglich wollten wir eine eigene Stimme aus Stimmproben beider Hosts mithilfe von Elevenlabs kreieren. Eine non-binäre Variante sozusagen. Elevenlabs hat aber unabhängig davon, wie viel Stimme man von der jeweiligen Person eingibt, immer versucht, entweder männlich oder weiblich zu sein — deshalb haben wir die schon sehr gut konfektionierte “Charlotte” gewählt.
  • Außerdem haben wir mit Stable Audio experimentiert, um künstliche Geräusche zu erzeugen. Das Ergebnis haben wir mit Geräuschemacher Otger Kunert angehört und thematisieren das direkt in Folge 5.
  • An der Entstehung der Episodencover war Adobe Firefly beteiligt. Dabei wurde von den Grafiker:innen verschiedene Ideen und Motive gepromptet und ausprobiert. Bei der Bearbeitung überwiegt allerdings der menschliche Anteil.
  • Im Podcast nicht zu hören: Die ursprüngliche Idee des Projektes war, mit einem eigenen KI-Modell historische Hörspiel-Transkripte aus Eigenproduktion für das Projekt zugänglich zu machen. Dafür hat das BR AI und Automation Lab experimentiert und einen Prototyp entwickelt — große Herausforderungen waren dabei allerdings der Umfang des Datensatzes (zu gering, obwohl dreistellig) und die Textform (Transkript — also ohne Zusatzinformationen wie Regieanweisungen). Wir haben dabei im Hintergrund viel gelernt, aber uns dann am Ende doch für ChatGPT als variantenreichste generative Text-KI als Tool der Wahl entschieden.

Hat die Challenge am Ende funktioniert?

Ohne zu spoilern, können wir sagen: Ja! Das Hörspiel „Die Blondierung des Todes“ ist als sechste Podcastfolge in der ARD Audiothek zu hören und auch im Feed „Auf der Spur“.

Die Hauptrollen übernehmen Lisa Jopt, Veronika von Quast, Angelika Bender, Ulla Geiger, Martin Feifel und Pirmin Sedlmeir.

Episodencover (Bild: BR)

Inhalt des Hörspiels:

Salon Himmelreich. Ein Juwel der Münchner Disco-Ära der 80er. Heute ringt der Friseursalon um seine Existenz. Ein unerwarteter Todesfall verwandelt das Himmelreich schlagartig in den Schauplatz eines Verbrechens.

Kommissarin Margot „Maggy“ Moser, die zufällig vor Ort ist, nimmt die Ermittlungen auf. Zusammen mit dem jungen Profiler Vincent Weiß und mit Unterstützung von Friseurin Christa Himmelreich beginnt die Suche nach der Wahrheit, die ein düsteres Netz aus Rache und Eitelkeiten enthüllt.

Ein Projekt des Bayerischen Rundfunks (Digitale Entwicklungen und Social Media, BR StoryTeam, BR AI and Automation Lab). Gefördert von der EBU. Wir danken allen, die beteiligt waren, mitgearbeitet haben und uns aktuell noch unterstützen.

Projektleitung: Eva Deinert & Matthias Leitner

Mehr zum Projekt: http://1.ard.de/in5tagenmord_dasprojekt

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Wir arbeiten in den verschiedensten Bereichen im Bayerischen Rundfunk an innovativen Projekten und bloggen darüber in der Publikation BR NEXT hier auf Medium.