Ein Jahr “FrauenGeschichte” auf Instagram

Julia Pater
BR Next
Published in
6 min readJul 9, 2021

… und 4 Learnings, die wir beherzigen

Der Instagramkanal “FrauenGeschichte” feiert den 1. Geburtstag und das mit knapp 25.000 Abonnent:innen und mehr als 300 spannenden Frauenportraits aus der Geschichte. Ein aufregendes Jahr liegt hinter uns, in dem wir viele Learnings sammeln konnten.

“FrauenGeschichte” zeigt die unterschiedlichsten Portraits von spannenden Frauen

Zu Beginn war die Skepsis groß: „Ein Instagramkanal nur für Frauen? Das geht doch nicht!“ Dass das sehr wohl geht, sollten die nächsten Monate beweisen, denn der themenspezifische Zuschnitt auf eine klare Zielgruppe und das Festlegen von konkreten Bedürfnissen führten schnell ans Ziel: Nach drei Monaten abonnierten bereits 7.500 Nutzer:innen den Kanal und es wurden von Tag zu Tag mehr.

Dabei beflügelte besonders der Zuspruch der Abonnent:innen das gesamte Team und zeigte uns deutlich: Ja, wir sind hier auf dem richtigen Weg, dieses Thema war längst überfällig und wir schaffen einen Mehrwert für viele weibliche (und auch andere) Instagramnutzende, die sich für hintergründige Themen und aktuelle Debatten interessieren.

Kommentar aus der Community

Wir zeigen seit einem Jahr beinahe täglich inspirierende Frauen aus der Geschichte, die mit ihren Biografien begeistern, neue Wege gingen und genauso Vorbilder sind wie Persönlichkeiten, die Reibungsfläche zum Diskutieren bieten. Trotzdem verschwinden diese Frauen in der Geschichtsschreibung oft und sind kaum Thema in der öffentlichen Diskussion. Noch immer sind es eher die großen Männer der Geschichte, die scheinbar die Welt veränderten, Frauen wurden dabei oft vergessen, übergangen aber auch ganz aktiv beiseitegeschoben. Das wollen wir ändern: Frauen ins Rampenlicht und damit auch ihre Themen!

Bei diesem Vorhaben haben wir sehr schnell sehr viel gelernt. Hier die wichtigsten Learnings, die wir nach einem Jahr „FrauenGeschichte“ machen konnten:

1. Unterschätze nie die Nutzer:innen

An dieser Stelle könnte direkt das nächste Learning stehen: Sensibilität in der Sprache ist gefragt! Denn ganz so einfach über historische Frauen und deren Errungenschaften für die heutige Generation plaudern, ist bei Instagram dann doch nicht drin. Unsere Abonnent:innen sind bestens informiert über Themen zu Diverstity und Empowerment, da heißt es gut vorbereitet sein auf kritische Nachfragen und konstruktive Verbesserungsvorschläge im Community-Management.

Ein wichtiges Thema ist dabei immer wieder die Wortwahl. Was aus redaktioneller Sicht einfach „locker“ oder bayerisch „derb“ geschrieben ist, kommt nicht immer gut bei der Community an. Da führt etwa die Formulierung „sie verlor ihre Unschuld“ schnell zu Missmut und auch ein lapidares „sie war zickig“ überliest die Community nicht einfach. Die Redaktion muss hier mit einer anderen sprachlichen Sorgfalt arbeiten, sich immer wieder hinterfragen und — besonders wichtig — in einen Dialog mit den Nutzer:innen treten.

Auch die Frage „Wie viel Mann darf sein?“ hatte die Redaktion eher locker im Posting hinterhergeschoben und prompt von der Community die Quittung erhalten: „Die Frage ist wohl hier nicht angebracht.“

Wir merken: Der BR ist hier Dialogpartner, bewegt sich auf Augenhöhe mit den Nutzer:innen und muss kritische Anmerkungen schnell und mit großer Transparenz bearbeiten. Bei Social Media bleibt kein Platz für lange Gesprächspausen und Ausreden, denn die Nutzer:innen sind informiert!

2. Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern

Im Dezember 2019 begann die Zusammenarbeit zwischen den Redaktionen “Grundbildung, Geschichte und Gesellschaft” (GGG) und der “Digitalen Entwicklung” (DE). Ziel beider Redaktionen war es, eine Brücke zwischen zwei Welten zu bauen: Komplexe und intensiv recherchierte Geschichts-Themen, die ansonsten rund 45 Minuten im Fernsehen ausgestrahlt werden, auf 2.200 Zeichen und ein paar eingängige Bilder bei Instagram umzumodeln.

Dabei war von Beginn an wichtig, klare Rollen in Workshops zu erarbeiten und so konkrete Kompetenzbereiche abzustecken. So konnte jeder seine Stärken einbringen und die Autor:innen, die sich bestens mit Geschichte auskennen mit den Kolleg:innen aus der digitalen Welt zusammenzubringen. Zum Schluss entstand dadurch ein rundes, in sich geschlossenes Produkt.

Bereits zum Start des Projekts war das Archiv der Bayerischen Staatsbibliothek als externer Kooperationspartner im Boot und öffnete seine Türen zu den Bildbeständen. Die Archive sollten so erstmalig einer breiten Öffentlichkeit auf einer Social-Media-Plattform zugänglich gemacht werden. Die Herausforderungen auf redaktioneller Seite war dabei hoch, denn zunächst mussten im reichhaltigen Bestand die passenden Geschichten gefunden werden, die bestens zur Vision des Kanals passen.

Außerdem sollte die Bayerische Staatsbibliothek zwar als Kooperationspartner sichtbar sein, jedoch mussten auch andere Bildarchive als Quellen in Frage kommen, um die journalistische Sorgfalt und Ausgewogenheit zu bewahren. Wie wir das gemeistert haben? Durch viel Austausch, Transparenz in der Arbeit und klare Regeln was die Publikation betrifft.

Beispiele für die Archivschätze der Bayerischen Staatsbibliothek

3. Instagram ist und bleibt visuell

Eigentlich ist es kein Geheimnis, dass auf Instagram die Inhalte gewinnen, die optisch ansprechend und visuell eingängig sind. Die historischen Fotografien und Archivmaterialien des Kooperationspartners der Bayerischen Staatsbibliothek besaßen da bereits einen entscheidenden Vorteil, denn schwarz-weiß Bilder sind per se eher selten auf der Social-Plattform. Da war die Aufmerksamkeit im Feed schon gewiss!

Außerdem sind diese historischen Aufnahmen eine visuelle Brücke in die Vergangenheit, indem sie die historischen Personen und Ereignisse näher und greifbarer erscheinen lassen. Die Nutzer:innen haben das Gefühl, als Zeitzeug:innen das Ereignis/die Person aus nächster Nähe zu betrachten und somit nachvollziehen zu können, was in der Vergangenheit geschah. Dieser emotionale Mehrwert ist authentisch und macht den Reiz von Geschichte auf Instagram aus.

Deswegen lag und liegt unser Fokus immer auf dem treffenden Design der Bilder. Das Multimedia Design, das Grafikteam im BR für visuellen Content, entwickelte für die „FrauenGeschichte“ ein stark reduziertes Farbkonzept. Nur einzelne farbliche Highlights heben den besonderen Charakter der Archivmaterialien hervor. Auch die Wiedererkennbarkeit durch ein stringentes Design machen den Instagram-Feed erst so richtig spannend. Bisher gibt es kein vergleichbares Angebot, das diese Art der Bildbearbeitung anwendet.

Beispiel für die farblichen Highlights beim Archivmaterial der Bayerischen Staatsbibliothek

Die farbigen Bilder werden nicht bearbeitet. Sie sollen innerhalb des Feeds für ihre eigene Zeitperiode stehen, denn egal ob sie aus den 50er, 70er oder 90er Jahren stammen, sie bilden eine gute Balance zu den partiell colorierten schwarz-weiß Bildern.

Das Logo von “FrauenGeschichte”

4. Bedürfnis getroffen, reicht das? Perspektiven für das nächste Jahr

Wir haben gelernt, dass der klare Zuschnitt auf eine Zielgruppe grundlegend ist, um ein authentisches Format zu erstellen. Damit einhergehen selbstverständlich die konkreten Bedürfnisse dieser Zielgruppen, die sehr deutlich benannt werden müssen. Dabei gilt: Je klarer, desto besser!

Frauen wollen über Frauen sprechen und das nicht im negativen Sinne, sondern in einer unterstützenden und inspirierenden Art und Weise. Der Erfolg der einen, kann der anderen in einer wichtigen Lebensentscheidung helfen. Der Mut der anderen ist inspirierend für viele.

Wir haben schnell gemerkt, dass wir dieses Bedürfnis getroffen haben. Aber reicht das? Jetzt nach einem Jahr wird deutlich: Der Kanal muss sich ein Stück weit neu erfinden. Dabei bleibt das Thema weiterhin erhalten, doch das Angebot muss sich vergrößern, in dem wir den Nutzer:innen mehr Inhalte und tiefergehende Infos bereitstellen. Deswegen ist unser Learning hier: Bedürfnis treffen reicht — erstmal. Nach einer gewissen Zeit muss sich der Kanal optimieren. Und das wollen wir durch eine enge Anbindung an das bereits bestehende BR-Angebot zum Thema Wissen und Geschichte erreichen.

Ganz konkret wird in der BR Mediathek die „FrauenGeschichte“ als neue Rubrik eingeführt, unter der bereits bestehende aber auch neu produzierte Geschichtsdokumentationen rund um spannende historische Frauen zu finden sein werden. Diese Anbindung ermöglicht es, unsere Inhalte auch Nutzer:innen zur Verfügung zu stellen, die „nur“ über Instagram auf uns aufmerksam geworden sind und sie mit ausgewogenen sowie tiefergehenden Infos zu versorgen.

Außerdem wollen wir uns zusätzlich im Bereich Audio breiter aufstellen und im Podcast „Alles Geschichte“ und/oder radioWissen von Bayern 2 spannende Frauenportraits etablieren. So erreichen wir unsere User:innen in einer ganz anderen Nutzungssituation und haben die Möglichkeit, ihnen die Geschichten von tollen Frauen aus der Vergangenheit in einer ganz anderen Art und Weise zu erzählen, als es bei Instagram der Fall ist.

„FrauenGeschichte“ trifft den Nerv der Zeit, erreicht eine junge weibliche Zielgruppe und kann zur aktuellen Debatte mit Hintergrundinformationen beitragen. Durch die Anknüpfung an die BR Mediathek und die Podcast-Angebote können wir die Nutzer:innen an den BR heranführen, ihnen mehr Informationen zum Thema vermitteln und somit auch den Instagramkanal stärken. Es profitieren die linearen sowie die digitalen Inhalte voneinander und haben dabei eins im Sinn: Den Nutzer:innen zuhören!

Und hier geht es zum Instagramkanal “FrauenGeschichte”: https://www.instagram.com/frauen_geschichte/?hl=de

--

--

Julia Pater
BR Next
Writer for

Digitale Produktentwicklerin | Social Media | BR