UX & Usability

Nutzerzentrierung trifft agile Entwicklung

Wie wir unsere Digitalprodukte iterativ verbessern

Elisabeth Adelsberger
BR Next

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Zielgruppen, Nutzerkommentare und Use Cases sind unser Daily Business. Für eine erfolgreiche Produktentwicklung braucht es aber außerdem das regelmäßige Feedback der Nutzer:innen — auch mithilfe der RITE-Methode.

Quelle: Technology illustrations by Storyset

Die Idee: Jeden Monat mit fünf Testpersonen testen — das spart Ressourcen und Zeit

Das UserLab der pub., Public Value Technologies GmbH, führt im Jahr durchschnittlich 15 Tests mit rund 120 Testpersonen für verschiedene digitale Projekte durch. Wir testen vor allem remote (mehr Informationen hier „The web is our lab“) und setzen auf moderierte und unmoderierte Usabilitytests. Diese Arbeit hilft den Entwicklerteams, wichtiges Feedback aus erster Hand sowohl von potenziellen, als auch bestehenden Usern zu erhalten.

In Gesprächen mit Developer:innen, Designer:innen und dem Management wurde immer wieder betont, wie wichtig diese Stichproben sind, um bessere Produkte für den User zu machen.

“Wir sind immer ein Stück weit in unserer Blase gefangen. Deswegen ist es super zu sehen, wie unsere User z.B. andere Begrifflichkeiten verwenden oder zu welchen anderen Anbietern wir in Konkurrenz stehen.”
Alexander Stahl, Designer BR24

Die Herausforderungen

Zweifellos sind Erkenntnisse aus qualitativen Nutzertests wertvoll für alle Beteiligten, jedoch ist Nutzertesting auch zeit- und ressourcenintensiv. Folgende Herausforderungen sind in der Vergangenheit aufgetreten:

  • Tests werden aus den oben genannten Gründen oft vertagt oder auch als zu aufwendig beschrieben.
  • Die Testergebnisse sind so umfangreich, dass viele Ergebnisse nicht zeitnah besprochen werden können und so aus dem Fokus geraten.
  • Mehrere Testhypothesen sind nötig, um den Aufwand eines Tests zu rechtfertigen.
  • Das Hauptaugenmerk liegt meist auf Erkenntnissen zu fertigen Features. Kleinere Fragestellungen in z.B. der Konzeptphase eines Features sind meist zu klein, um dafür einen extra Test anzusetzen.

Die oben genannten Herausforderungen haben uns dazu bewegt, uns von einer weiteren qualitativen Testmethode inspirieren zu lassen:
RITE — rapide iterative testing and evaluation.

Was man über RITE wissen muss

RITE wird eingesetzt, um Tests effizienter durchzuführen. Indem man regelmäßig kleinere Probleme abfragt, identifiziert man viele Hindernisse in der Gebrauchstauglichkeit rasch und geht die Probleme auch sehr schnell an.
Es müssen hierbei nicht alle Interaktionselemente im Prototyp anklickbar sein, sondern nur die, die auch getestet werden. Ein 45–60-Minuten Test wird so auf 15–20 Minuten verkürzt.
Iterativ bedeutet im RITE-Kontext wiederholtes Testen in kurzen Phasen. Signifikant für die Methode ist, dass bereits nach ein bis zwei Tester:innen eine Zwischenevaluation erfolgt, um den Prototyp oder den Leitfaden anzupassen. Die Veränderungen des Tests werden dann bei der nächsten Testphase abgeprüft.

Beschreibung: Der RITE Prozess
Quelle: https://uxmag.com/articles/the-rite-way-to-prototype

Iterativer testen

Das Team des UserLabs war motiviert, diese Methode in das Portfolio aufzunehmen. Wir holten Informationen ein, wägten Vor- und Nachteile ab und überlegten, wie wir die Methode in unser tägliches Arbeiten integrieren möchten. Dabei sind wir zu dem Schluss gekommen, die RITE Methode für uns entsprechend abzuwandeln.

„Der Ansatz, noch iterativer zu arbeiten, spricht uns an. Wir sehen großes Potenzial, den Teams auch zwischen größeren & aufwändigeren Tests die Möglichkeit zu geben, mit Nutzern zu sprechen.“
Elisabeth Adelsberger, UserLab

Unsere Gedanken

Iterativ: Die RITE-Methode schlägt vor, Prototypen direkt bei Problemen anzupassen und die Änderung mit weiteren Testpersonen zu verifizieren. Wir schließen dies nicht kategorisch aus, sehen aber die Schwierigkeiten für unsere Praxis. Entscheidungsträger:innen müssen dafür eng eingebunden sein und Designer:innen sehr schnell Änderungen einpflegen. Zum Beginn werden wir Änderungen am Prototyp erst nach dem Test machen können, wollen dafür aber unsere Testhäufigkeit verbessern.

Mehrere Projekte gleichzeitig: Obwohl sich der Testumfang auf 15–20 Minuten verkürzt, bleibt die Zeit der Testvorbereitung gleich aufwendig, wie auch für längere Tests. Um mit Zeit und Ressourcen sinnvoll umzugehen, planen wir mehrere Testsessions á 15–20 Minuten hintereinander zu hängen. So akquirieren wir Testpersonen für 60 Minuten und können gleichzeitig bis zu drei Projekte abtesten.

Drei Produkte gleichzeitig klingt erstmal kompliziert und es bestand eine nachvollziehbare Skepsis im Team, wie Testpersonen damit zurechtkommen. Also wurden wir kreativ, um sie bestmöglich zu unterstützen und Verwirrungen vorzubeugen. Wir kreierten eine Art Landingpage, von der aus die Testpersonen Teil 1, 2 und 3 ansteuern können. Hinter jedem Button verbirgt sich entweder ein Prototyp (XD oder Figma) oder eine URL.

Fokus auf Endgerät: Diese Art des Vorgehens impliziert einen klaren Fokus auf ein Endgerät. Testen wir auf Desktop oder auf Smartphones?
Die Hypothesen sollten sich alle auf die gleiche Plattform beziehen, um den Test sinnvoll durchzuführen. Eine Vermischung kann in Ausnahmefällen auch Sinn machen, zum Beispiel bei Bedürfnisinterviews.

5 Testpersonen: Diese Art des iterativen Tests wollen wir regelmäßig durchführen und darf daher nicht zu viel Zeit und Ressourcen aufwenden. Ein/e Moderator:in hilft, um den Test anzuleiten und persönlich mit der Testperson ins Gespräch zu gehen, ist aber gleichzeitig sehr zeitintensiv.
Wir haben uns deshalb als Limit 5 Personen gesetzt. Einerseits kann man 5 Interviews gut in einem Tag unterbringen und sie sind für alle Beteiligten gut einzuplanen. Andererseits passt es mit den Erkenntnissen der Nielsen Norman Group zusammen. Sie bewerben die Idee, dass zu große Nutzertests eine Verschwendung von Ressourcen sind. Begründet wird diese Aussage durch Berechnungen, dass doppelt so viele Testpersonen nicht doppelt so viele Erkenntnisse bringen. Setzt man also Kosten und Nutzen in Relation, so ist es ideal, mit 5 Testpersonen zu testen.

Beschreibung: Landingpage mit drei verlinkten Produkten, um die Testpersonen besser anleiten zu können.

Unsere Vorgehensweise

  • Ein fixer Tag im Monat
  • 5 Testpersonen
  • Ein Moderator führt durch alle Tests
  • Maximal drei Produkte, die alle auf der gleichen Plattform stattfinden
  • Um unsere Testpersonen nicht zu überfordern, arbeiten wir mit einer Art Landingpage, von der aus die Testpersonen die einzelnen Produkte ansteuern können

Team einbeziehen

Als starken Partner sehen wir unsere Designer:innen, die Fragestellungen einbringen und ggf. den Prototypen vorbereiten. Sie sind auch diejenigen, die stark im Austausch mit dem Produkt Management und der Entwicklung stehen.
Unsere Kollegen:innen sind während des remote Tests als stille Beobachter eingeladen und dokumentieren live mit. Wir haben gute Erfahrungen gemacht, uns unmittelbar nach dem Test mit ihnen auszutauschen. Konnten die Usecases erfüllt werden? Was war am interessantesten? Welche Probleme konnten beobachtet werden? Erkenntnisse werden so direkt nach dem Test gemeinschaftlich zusammengefasst. Das spart Zeit und kann evtl. sogar eine Ergebnispräsentation ersetzen.

Zusammenfassung & Resümee

Es ist grade in den Konzeptphasen der digitalen Produktentwicklung wichtig, Feedback von Usern zu erhalten, um Probleme schnell zu identifizieren und Weiterentwicklung voranzutreiben. Oft handelt es sich um kleine Fragestellungen, wie z.B. versteht der Nutzer das Wording, ist das Icon intuitiv oder was erwartet der Nutzende an dieser Stelle?
Um dem Team die Möglichkeit zu geben, kleinere Fragestellungen und Konzeptideen Raum zu geben und gleichzeitig mit wenig Aufwand regelmäßig zu testen, haben wir darüberhinaus eine neue Art des Usabilitytests ausprobiert: Wir bieten dabei einen komprimierten Usability-Testtag an, an dem 5 Testpersonen eingeladen werden, uns Einblicke in ihr Nutzungsverhalten zu geben. Dabei können bis zu drei Produkte hintereinander Testobjekt sein.
Die von uns zu Anfang befürchtete Verwirrung der Testpersonen aufgrund mehrerer Produkte konnten wir nicht beobachten. Auch drei Produkte hintereinander stellten keine zu große Umstellung für die Testpersonen dar. Sie äußerten sich auf unsere Frage hin, wie sie den Test empfunden haben, sehr positiv.

„Ich fand den Umfang super.“
„Ich fand es cool, dass ich mehrere Produkte testen durfte.“
„Ich wüsste nicht, wie man das besser machen kann.“

Durch die guten Erfahrungen und das positive Feedback unserer Testpersonen und Kollegen:innen haben wir beschlossen, einen fixen monatlichen Testtag anzubieten. Trotzdem wollen wir die Prozesse der Testvorbereitung weiter optimieren.

Dieses Vorgehen hilft uns dabei, den Nutzer noch besser zu integrieren, iteratives Testen zu stärken und bringt uns unserem Ziel als pub. näher, digitale Produkte nutzerzentriert zu gestalten.

Anfragen zu Kooperationen:
Sie kommen aus dem Umfeld des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und wollen mit uns in Kontakt treten oder haben Interesse an einer Zusammenarbeit? Kontaktieren Sie uns unter userlab@pub.tech

Über Public Value Technologies:
pub. steht für Public Value Technologies GmbH. Wir sind die Anfang 2022 gegründete Digitaltochter des Bayerischen Rundfunks (BR) und Südwestrundfunks (SWR) und arbeiten vor allem innerhalb der ARD. Unsere Mission ist es, digitale Produkte für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu entwickeln und gemeinschaftlich auszubauen. Für mehr Informationen kontaktieren Sie info@pub.tech

Creator: Elisabeth Adelsberger, Lena Lampe, Ina Klautke-Miethaner, Vera Cornette, Rafael Meier

Quellen:
https://www.nngroup.com/articles/why-you-only-need-to-test-with-5-users/
https://measuringu.com/rite-method/
https://uxmag.com/articles/the-rite-way-to-prototype

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