Personalentwicklung und Scrum — it’s a match!
5 Dinge, die wir daraus gelernt haben
Zugegeben, am Anfang hatten wir ziemlich viele Fragezeichen: Wozu brauchen 6 Kolleg:innen aus der Abteilung Personalentwicklung eine Scrum-Master-Ausbildung? Nur ein interessantes Add-on oder sollen wir damit auch arbeiten? Und was sollen wir damit am Ende ausliefern? Heute, gut 12 Monate später, können wir uns nicht mehr vorstellen auf Scrum zu verzichten. Warum? Letztlich sind es zwei Erfahrungen, die uns Personalentwickler:innen überzeugt haben: Wir sind auf neue Ideen und Formate und als Team in einen kreativen Flow gekommen.
Wenn agil, dann alles?
Bereits während der Ausbildung zum Scrum-Master Anfang 2021 stand für uns fest, dass wir als Abteilung Personalentwicklung Scrum nicht nach der „reinen“ Lehre werden umsetzen können. Zu viel Tagesgeschäft, das nicht mit dem Framework zusammengeht. Deshalb haben wir für uns eine Art Scrumframework light entwickelt. Der Erfolg bestätigt uns darin. Als die Programmdirektion Information mit einer Anfrage auf uns zukam, die Führungskräfte gemäß ihrer Strategie in remote leadership fit zu machen, waren die Rahmenbedingungen für Scrum perfekt: Es gab eine Kundin (Programmdirektion Information), eine Produktvision (remote leadership), einen Product Owner, einen Scrum-Master und ein 5-köpfiges, selbstorganisiertes Entwicklerteam. So entstand unser erstes SCRUM-Projekt, die digitale Kompetenzwerkstatt. Daraufhin folgte das nächste Projekt Skills4Professionals, ein Qualifizierungsangebot für laterale Führungskräfte zu Themen wie Change, gesunde Selbstführung und Kommunikation im Team.
Mut zur Anpassung — wie wir arbeiten
Unser erstes Learning: Nicht die Entscheidung zu treffen, Scrum ganz oder gar nicht. Vielmehr Möglichkeitsräume schaffen und das Framework an die Bedarfe der Arbeitsabläufe anpassen.
Als unverzichtbar sind für uns die Rollen des Scrum-Masters, eines Product-Owners und des Entwickler:innen-Teams (momentan mit 5 Expert:innen aus der eigenen Abteilung besetzt). Wir haben regelmäßige Sprints, Sprint-Plannings, Retros und Reviews. Und statt eines Dailys haben wir ein Weekly eingeführt. Da wir neben einem Scrum-Projekt auch alle noch in den jeweiligen Referaten unserem Tagesgeschäft nachgehen, setzen wir einige Dinge aus dem Framework nicht um. Dazu zählt z.B. ein genaues Controlling des Teamfortschritts anhand von Charts oder wie viel wir in den Sprints schaffen müssen sowie die explizite Schätzung der Größe von einzelnen Aufgaben.
Unser Tipp: Wer Scrum-Master ist, sollte nach Möglichkeit nicht auch zusätzlich in die Rolle der/s Entwicklers/in schlüpfen.
Zweites Learning: Auf das Team kommt es an
Diskutiert haben wir immer die Frage: Ist die Methode für alle geeignet? Schließlich wird doch alles transparent, wer was macht und wer eben weniger macht. Entsteht da nicht ein zu großer (Leistungs-)Druck in einem Scrum-Team, was sich wiederum negativ auf das gesamte Team auswirkt?
Alles halb so wild, würden wir rückblickend sagen. Denn: Als Entwickler:innen-Team haben wir gelernt, in unseren Retros konstruktives Feedback zu geben und uns darauf committed, dass jede und jeder ehrlich sein muss, ob ein Scrum-Projekt –zusätzlich — gerade noch in den Arbeitsalltag passt oder nicht. Nein zu sagen ist ok, solange man es kommuniziert. In den regelmäßigen Retros geben wir uns nicht nur konstruktives Feedback, sondern auch viel Wertschätzung für die geleistete Arbeit– das motiviert!
Was uns auch in unserem zweiten Scrum-Projekt immer noch fasziniert, ist der Teamgeist und die Motivation, die bei uns entsteht. Auch virtuell.
Wir glauben, das liegt daran, dass in unserem Scrum-Team jede und jeder unverzichtbar ist. Alle sind Expertinnen und Experten und können ihr eigenes Wissen einbringen, so auch in unserem aktuellen Projekt Skills4Professionals, das überfachliche Angebote entwickelt hat für gut 200 Kolleg:innen, die verantwortlich sind für Teams, Content oder Formate. Und so setzt sich unser interdisziplinäres Team aus Kolleg:innen zusammen, die aus der Weiterbildung, Ausbildung, dem digitalen Lernen und der Veränderungsbegleitung kommen. Der Mehrwert mit anderen „Disziplinen“ zusammenzuarbeiten, ist enorm: zum einen erhält man neue Einblicke, zum anderen kommt man schneller voran und hat das Gefühl, wirksamer zu sein.
Eigenverantwortliches Arbeiten ohne Hierarchien
Ein weiteres Learning ist, dass für den Projektfortschritt Hierarchien keine Rolle spielen, vielmehr die Verlässlichkeit jeder und jedes Einzelnen, sodass die jeweiligen Aufgaben korrekt und innerhalb des zweiwöchigen Sprints erledigt werden. Auch hier gilt: Jede:r muss für sich (und gflls. mit der Führungskraft) im Vorfeld selbstverantwortlich klären, ob das Mitwirken in einem interdisziplinären Scrum-Team zusammengeht mit den „anderen“ Aufgaben, also mit dem bisherigen und vertrauten Tagesgeschäft. Kann ich an allen Scrum-Terminen teilnehmen und Aufgaben übernehmen? Das ist quasi die Eintrittskarte, denn durch die regelmäßigen Retros und Weeklys fällt es auf, wenn jemand nicht da ist oder keine Aufgaben übernehmen kann. Was grundsätzlich in Ordnung ist, problematisch wird es nur dann, wenn es überdurchschnittlich häufig bei einer Person auftritt, was automatisch zur Mehrarbeit bei den anderen führt.
Der User weiß es am besten
Ein weiterer Eye Opener sind für uns die Userstorys. Bei beiden Projekten, die wir mit Scrum angegangen sind, haben wir uns intensiv mit den jeweiligen Zielgruppen beschäftigt und die Gewichtung stärker als bisher auf die Bedarfsanalyse verlagert. Mit Einzelinterviews, Erstellung von Personas, einer permanenten Evaluierung sowie den Austausch mit den Auftraggeber:innen können wir die Nutzer:innen noch besser verstehen als bisher. Das Learning für uns: Es lohnt sich, ausreichend Zeit in eine gründliche Bedarfsanalyse zu investieren. Dadurch können wir passgenauere Angebote und Formate entwickeln, diese permanent anpassen oder aber auch streichen. Wir haben beispielsweise einstündige MS Teams-Sprechstunden oder Q&A-Sessions mit internen BR-Expert:innen angeboten. Ein weiterer Erfolg war beispielsweise unsere Communities of Practice zu Themen wie virtuelle Kommunikation, hybrides Führen oder psychologische Sicherheit, denn in der Bedarfsanalyse haben wir herausgefunden, dass sich viele Kolleg:innen stärker vernetzen und sich über aktuelle Themen austauschen möchten. Genau dafür sind Communities of Practice da.
Die ganze Abteilung profitiert davon
Nicht nur wir, die Mitglieder des Scrum-Teams, haben von der neuen Arbeitsweise und dem Experiment profitiert, sondern die ganze Abteilung Personalentwicklung. Sukzessive haben wir in dem vergangenen Jahr in allen Referaten und deren Teams sowie in der gesamten Abteilung regelmäßige Retros zur Zusammenarbeit eingeführt. Die Motivation, in selbstgesteuerten, interdisziplinären Teams mitzuarbeiten, ist auch auf andere Kolleg:innen im Team übergeschwappt. Wir haben seitdem vier weitere selbstgesteuerte Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen auf den Weg, z. B. zu “Mission, Vision und Purpose der Abt. Personalentwicklung” und “Shared Desk”.
Als Personalentwicklung haben wir einen Rahmen gefunden, innerhalb dessen es Spaß macht, innovative Projekte für den BR iterativ und nutzerorientiert zu entwickeln. Nach mittlerweile einem Jahr sind wir überzeugt: Das nächste Scrum-Projekt wird kommen! Probiert es aus und passt die Methoden für euch an, jede und jeder kann mit Scrum oder Teilen davon arbeiten!