Formatentwicklung

Von 0 auf 50.000 YouTube-Abos

Was wir bei “Lohnt sich das?” von unserem Publikum lernen

Anna Siefert
BR Next

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Auf dem YouTube-Kanal “Lohnt sich das?” geht es ums Geld — und um Menschen. Unser Versprechen “Wir reden über Geld” nehmen wir ernst. In etwa 10-minütigen Reportagen erzählen Menschen, wieviel sie verdienen — und für was sie ihr Gehalt jeden Monat ausgeben. Im Austausch mit unserem Publikum entwickeln wir das Format ständig weiter.

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Hätte ich die Überschrift für diesen Artikel vor 9 Monaten schreiben müssen, hätte sie wohl geheißen: Von 0 auf 8.000 Abos. Glücklicherweise haben wir unsere selbstgesetzten Ziele weit übertroffen.

Das liegt sicher am Tabu-Thema Gehalt, aber vor allem auch an der konsequenten Ausrichtung unserer neuen Redaktion auf die Zielgruppe und YouTube.

Wie genau sich unsere Arbeit dank der schnellen Rückkopplung mit dem Publikum von einer linear arbeitenden Redaktion unterscheidet, habe ich in fünf Punkten zusammengefasst.

1. Lieber alltäglich als spektakulär

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Beginnen wir ganz am Anfang: Wen wählen wir aus, wessen Leben, wessen Gehalt und wessen Einstellungen lohnt es, in einer 10-minütigen Reportage zu zeigen?

Am Anfang dachten wir, es müssten die ganz großen Einblicke in Exotisches sein: Pornodarsteller, Unternehmensberaterin, Pilot. Inzwischen wissen wir: Nicht das Besondere, sondern das “Alltägliche” interessiert unsere Community besonders.

Klar, die Folge über die Unternehmensberaterin wird auch laufen — aber die großen Erfolge erzielen wir mit Berufen, denen unsere Zielgruppe oft im Alltag begegnet: (Fahr-)Lehrer, Bäckerin, Fliesenleger.

Die Maxime, je näher, desto interessanter, gilt aber nicht nur für den Beruf, sondern auch für Charakter und Persönlichkeit. Oft geben uns Protagonistinnen und Protagonisten Einblick in ihre Hobbys, ihre großen Träume und ihren Umgang mit Geld.

Je mehr sich unsere Community darin wiederfindet, desto besser kommt der Film an. Im Umkehrschluss: Je besser wir unser Publikum kennen, desto erfolgreicher können wir Filme machen.

2. Das Publikum setzt Themen

Wer Reportagen machen will, lernt: Nah dran sein, eine Geschichte erzählen, Spannung erzeugen und auflösen. Und ja: Das ist der Stoff, aus dem gute Filme gemacht sind. Dass wir diese Prinzipien ernst nehmen, macht einen Teil unseres Erfolgs aus.

Die Kurve zeigt die Absprungrate der Zuschauer im Verlauf des Filmes.
In Minute 6:47 wird endlich verraten, was dieser Anwalt verdient. Hier spulen viele zurück, so entsteht der Anstieg der Zuschauer.

Der andere Teil ist aber mindestens genauso wichtig: Wir analysieren unsere Filme, schauen tief in die Statistiken von YouTube, vergleichen Absprungraten, Filmeinstiege und Kurvenverläufe.

So haben wir zum Beispiel schon gelernt — Vorsicht, bittere Wahrheit für Medienleute: Unsere Filme werden nicht wegen der inhaltlichen Spannung geguckt — die kann helfen, keine Frage — aber was eigentlich interessiert, sind die Zahlen.

Eigentlich logisch: Wir geben mit Filmtitel und Thumbnail ein Versprechen ab, nämlich, dass wir hier über Geld reden. Und je besser wir dieses Versprechen einlösen, desto besser befriedigt der Film das Bedürfnis unserer Zielgruppe.

Tatsächlich schaut sich unser Publikum die Szenen mit Zahlen gern öfter an (auch um nachzurechnen). Weshalb wir inzwischen nicht mehr nur für die Abschlussrechnung relevante Zahlen einblenden, sondern zum Beispiel auch die Anzahl der Mitarbeitenden, die Anzahl der gefertigten Lederhosen in einem Monat, die Kosten für eine Fahrstunde und und und. So bleibt das Interesse im Idealfall hoch — und die Absprungrate niedrig.

Hier klicken fürs Video “Was verdient ein Anwalt?”

Zahlen sind in diesem Prozess aber nur ein Beispiel. Das Gleiche gilt auch für bestimmte Themen: Unser Publikum interessiert sich unter anderem auch sehr stark für Autos (ja, darunter viele Männer) oder fürs Thema Sparen. Weil wir das wissen, berücksichtigen wir das in unseren Filmen besonders.

3. Dialog mit dem Publikum

Nach der Veröffentlichung eines Filmes kommentieren durchschnittlich 600 Userinnen und User darunter. Da wird schnell klar, wo die Reise (sprich: die Fragen) hingeht. Die Redaktion liest alle Kommentare und antwortet (mit Unterstützung) auch auf die allermeisten.

Die Community merkt und schätzt das. Denn: Wenn es um Verbesserungen geht (und wenn es Sinn ergibt), versuchen wir es oft schon im nächsten Film besser zu machen.

Außerdem verwenden wir inzwischen auch viel Sorgfalt darauf, im festgepinnten Kommentar wichtige Details zu erklären, die die Infos aus dem Film ergänzen.

Glücklicherweise deckt sich hier das Bedürfnis des Publikums mit unserem Wunsch nach Transparenz in der Berechnung.

Nicht zuletzt gibt es uns die Möglichkeit, transparent zu zeigen, wie sorgfältig wir arbeiten. So entsteht ein enges und wertschätzendes Verhältnis zu unserer Community, es steigert unser eigenes Finanz-Know-How und verbessert so unsere Filme.

Zu diesem Selbstverständnis gehört auch, dass wir als Redaktion nicht “unsichtbar” sind: Wir stehen in den Kommentaren Rede und Antwort, haben (bisher) in einem Q&A einen Blick hinter die Kulissen gegeben und fragen im Community Tab auch mal um Hilfe oder bedanken uns für Unterstützung.

4. Wir sind schnell

Der Dialog ergibt aber nur Sinn, wenn wir auch schnell gute Anregungen umsetzen und unser Format anpassen können. Diese Flexibilität läuft auf zwei Ebenen: In den Köpfen des gesamten Teams und in der technischen Infrastruktur.

Unsere Filme haben eine Vorlaufzeit von wenigen Wochen (dank Corona oft sogar noch kürzer). Das Schnitt-, Grafik-, Finanz- und Abnahme-Prozedere zu synchronisieren, ist hier so wichtig wie schwierig.

Funktionieren kann es nur, wenn alle im Team nicht nur ihre eigene Rolle mitdenken, sondern auch die der anderen (fast alle CvDs sind auch Autorinnen und Community Manager, einige Kameraleute sind auch Autoren, usw.)

Und: Die Technik muss einfach unter Zuständigen auszutauschen und anzuwenden und schnell anpassbar sein.

5. Wir sind niemals fertig

“Lohnt sich das?” wurde für eine bestimmte Zielgruppe konzipiert, auf die Interessen und Mediennutzungsgewohnheiten eben dieser ausgerichtet. Diese Menschen werden nicht nur älter, auch ihre Bedürfnisse und die Medienlandschaft um sie herum ist ständig im Wandel.

Die Zeiten, in denen ein Spielshow-Konzept jahrzehntelang für hohe Quoten sorgte, sind vorbei. Wer im digitalen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit eine Rolle spielen will, muss mitmachen, sich selbst immer wieder hinterfragen und weiterentwickeln.

Deshalb machen wir regelmäßig Publikumsbefragungen — von Menschen aus unserer Zielgruppe und der Community, die auf unserem Kanal unterwegs ist.

Was wir dort lernen, wenden wir an — in den aktuellen Filmen aber auch bei neuen Formaten, die wir im Kanal testen. Diesen stetigen Wandel in eine routiniert arbeitende Redaktion zu integrieren, ist eine große Herausforderung.

Und in der Zukunft?

Genau diese “Kontinuität im Wandel” soll unser Stichwort bleiben. Mit durchschnittlich über 100.000 Views pro Video sind wir schon eine Weile nicht mehr ganz leicht zu übersehen, im März 2021 wird “Lohnt sich das?” ein Jahr alt und ist damit auch offiziell raus aus den Kinderschuhen.

Gemeinsam mit der Community wollen wir dann noch stärker versuchen, neue Themenfelder und Videoformate auszutesten, die unser Versprechen, unterhaltsam über Geld zu sprechen, auch weiterhin einlösen. Bleibt dran!

Team

Redaktion: Anna Siefert, Manuela Baldauf
CvD: Eva Limmer, Anna Ellmann, Benedikt Angermeier, Julia Schweinberger
Autoren: Christian Orth, Tobias Brunner, Joseph Huber, Alexander Brutscher, Thomas Becht u.v.m.
Host: Sophie Grund
Community Management: Clara Eder
Kamera: Stuart McSpadden, Gregor Simbruner, Robert Stöger, Benedikt Nabben, Markus Valley
Schnitt: Stuart McSpadden, Maximilian Hofstetter
Grafik: Simon Heimbuchner, Laura Sommer

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