Formatentwicklung

Von der Facebookgruppe zum Podcast

Wie wir Bergfreundinnen“ zusammen mit der Community entwickelt haben

Katharina Kestler
BR Next

--

Bergfreundinnen ist ein Podcast für berginteressierte Frauen zwischen 25 und 40. Das Besondere daran: Er wurde gemeinsam mit der bestehenden Bergfrauen-Community der Munich Mountain Girls entwickelt.

Die Berge boomen, genau wie das Thema Female Empowerment. Und beide Themen zusammen genommen sind ohnehin der eigentlich viel zu spät entdeckte Kniff der Outdoor-Industrie, ihre Stammkundschaft zu vergrößern.

Wenn man dann noch an mediale Trends denkt, kommen einem Podcasts natürlich schnell in den Sinn. Es war also gar nicht so eine verrückte Idee, mit der meine Kollegin Julia Schweinberger und ich vor drei Jahren die Entscheidenden im Bayerischen Rundfunk genervt haben:

Lasst uns einen Bergpodcast für Frauen machen!

Die Community der Munich Mountain Girls

Natürlich ging unsere Idee über diesen bloßen Ausruf hinaus. Vor allem wollten wir uns für den Podcast mit der Bergfrauen-Community der Munich Mountain Girls zusammentun, in der ich selber aktiv bin und die auch schon auf dem Thema Podcast herumgedacht hatte.

Seit 2016 verbinden die von Christine Prechsl ins Leben gerufenen Munich Mountain Girls fast 10.000 bergbegeisterte Frauen — online in Facebook-Gruppen und auf Instagram, und offline bei Stammtischen in der Stadt und bei Kursen, Events und gemeinsamen Ausflügen in den Bergen. Hier findest du die richtige Bergfreundin für deinen Bergsport und dein Level, das ist das Versprechen der Community:

„Egal ob Bergsteigen, Klettern, Skitouren, Freeriden oder Mountainbiken — jede (Berg-)Sportart findet bei uns Anhängerinnen — von der Anfängerin bis zum Pro, von 16 bis 66+.“

Von der Idee zum Design Sprint

Nach unseren Bemühungen, für die Idee des Bergfrauen-Podcasts im Haus Begeisterung zu wecken, mussten wir uns erst einmal ein wenig gedulden — gut Ding will eben Weile haben, das gilt in einem großen Sender wie dem Bayerischen Rundfunk besonders.

Doch genauso zahlt sich Geduld fast immer aus, zumindest wenn man die richtigen Verbündeten am Start hat. Philipp Grammes, der seit 2019 der Podcast-Beauftragte des BR ist, und Sebastian Nachbar, zuständig für digitale Bergthemen in der Bergsteiger-Redaktion, nahmen sich unserer Idee an.

Zunächst begeisterten sie die Bergsteiger-Redaktion und ihren Chef Ernst Vogt und dann holten sie für die Formatentwicklung Katrin Nachbar aus der digitalen Entwicklungsredaktion dazu.

Die Community der Munich Mountain Girls wurde an Bord geholt und ein einwöchiger Design Sprint angesetzt, der sich als fokussierte Methode zur Formatentwicklung bereits vielfach bewährt hat.

Die Sprintfrage und Zusammensetzung des Teams

„Wir entwickeln für die Marke Bayern 2 einen Podcast im Bereich Bergsport für eine junge, eher weibliche Zielgruppe zusammen mit den Munich Mountain Girls.“

So lautete die Sprintfrage, unter der wir uns im BR-Funkhaus in München versammelt hatten. Unser Ziel war: die Bergkompetenz des BR einer jungen, netzaffinen Zielgruppe zugänglich zu machen. Außerdem wollten wir die Munich Mountain Girls in den Podcast einbinden und von der bestehenden Community ausgehend eine breitere, bergaffine Zielgruppe anzusprechen.

Wir wollten Menschen zwischen 25 und 35 Jahren, die in der Stadt, aber auch auf dem Land leben können, und die Sinus Mileus der Expeditiven und der Performer ansprechen. Das heißt also auf der einen Seite die kreative, urbane Avantgarde und auf der anderen Seite die effizienzorientierte Leistungselite.

Bei der Auswahl der Sprintteilnehmenden wurde darauf geachtet, sehr unterschiedliche Berg- und Medienkompetenzen zu vereinen. Unter der Leitung von Katrin Nachbar und Nadja Armbrust waren die BR-Journalistin Julia Schweinberger und ich als Ideengeberinnen dabei.

Außerdem Kollegen aus der Bergsteiger Redaktion, die bereits Erfahrung mit digitalen Videoformaten im Berg(sport)bereich gesammelt hatten. Die Bergkompetenz wurde ergänzt mit drei Frauen aus der Munich Mountain Girls Community, die berufliche Backgrounds in der App-Entwicklung, im Grafik-Design und in der Outdoorsportindustrie mitbrachten.

Weitere BR-Kolleginnen ergänzten die Medien- und Journalismuskompetenzen mit Podcastwissen oder Expertise in Reise- und Langformaten.

Eines unserer zahlreichen Treffen, hier noch vor Corona in Real Life.

Bedürfnisinterviews, Ideenentwicklung und Prototypen-Testing

Doch wie immer bei Design Sprints zählte nicht nur das Wissen und der Input der Menschen vor Ort, sondern galt der erste Tage des Sprints dem Ziel, das potentielle Publikum eines Bergfrauen-Podcasts und dessen Bedürfnisse zu verstehen.

Dazu wurden nicht nur die Medienforschung und Fachleute befragt, sondern auch Bedürfnisinterviews geführt. Wir haben dafür vorab in der Munich-Mountain-Girls-Facebookgruppe freiwillige Bergfrauen gesucht.

Bei den Bedürfnisinterviews ging es darum, ein Bild möglichst unterschiedlicher Bergfrauen zu zeichnen — nicht nur im übertragenen Sinn, sondern auch ganz konkret auf Flip Charts.

Später hingen an der Wand verschiedene Bergfrauen mit ihren Hobbies, ihren liebsten Bergdisziplinen, dem sportlichen Niveau, ihren Bergzielen und ihren Themeninteressen. Aber es ging nicht nur um die Berge: In den Bedürfnisinterviews haben wir natürlich auch ihre Podcast-Nutzung, ihren Konsum anderer Bergmedien und ihr Social-Media-Verhalten abgefragt:

Hören sie überhaupt Podcasts — und wenn ja dann welche und wann? Woher holen sie sich ihre Berginspiration und Tipps für Touren? Die Bergfrauen auf den Flipcharts waren die Hörerinnen, die wir uns bei der Skizzierung unserer Podcastideen immer wieder vor Augen führten.

Im nächsten Schritt präsentierten alle ihre ganz persönliche Idee für einen Bergpodcast mit weiblicher Zielgruppe vor den Sprintteilnehmenden. Aus den Einzelideen wählten Munich-Mountain-Girls-Gründerin Christine Prechsl und Bayern2-Digitalchef Philipp Grammes drei Ideen aus, die in Kleingruppen als Prototypen umgesetzt wurden: ein Gesprächspodcast, ein produzierter Storytelling-Podcast und ein Reportagepodcast mit Reporterin im On.

Und dann lag der Ball wieder bei der Munich-Mountain-Girls-Community: Wir haben die Podcast-Prototypen in der Facebookgruppe inklusive eines Fragebogens geteilt und um Feedback gebeten. Die sehr diversen Ergebnisse wurden vor der Sprintgruppe präsentiert — keine Idee ging als klarer Sieger hervor, jede hatte ihre Fans, jede ihre ganz unterschiedlichen Stärken oder Schwächen.

Am Ende des Design Sprints stand die Entscheidung von Bayern2-Digitalchef Philipp Grammes und Munich-Mountain-Girls-Gründerin Christine Prechsl darüber, an welcher Idee nach Ende des Sprints weiterentwickelt werden sollte.

Und es war keine klare Entscheidung für oder gegen ein konkretes Podcast-Format, also zum Beispiel für den Talk und gegen das Storytelling-Format. Dafür war es aber eine Entscheidung für eine innovative Idee, die vor allem Jasmin Körber ins Spiel brachte: Wie wäre es, den Podcast als Feed zu betrachten, in dem verschiedene Formate einen Platz finden?

Smart an dem Feedgedanken war vor allem, dass er den, während des Sprints deutlich gewordenen, sehr unterschiedlichen Interessen und Vorlieben der Bergfrauen genauso gerecht wird wie dem Sprintziel, gleich zwei Sinusmilieus anzusprechen: die Expeditiven und die Performer.

Der Herausforderung, thematisch einerseits sehr spitz zu sein, in der anvisierten Zielgruppe der bergbegeisterten Frauen aber dann doch möglichst breit unterschiedliche Disziplinen und Levels abzuholen, sollte mit insgesamt drei Hosts begegnet werden. Eine davon sollte ich sein.

Nach dem Design Sprint kommt die Formatentwicklung

Es war also klar: Der Podcast für Bergfrauen, dessen Entwicklung nach dem Design Sprint startete, sollte nicht NUR ein Gesprächs- oder Interviewpodcast werden, aber auch nicht NUR ein Storytellingpodcast.

Und es war klar: Wir brauchen drei Hosts, mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, unterschiedlichen Sportarten, unterschiedlichen Levels, drei die ihre Bergliebe auf ganz verschiedene Weise leben. Es musste also ein Casting her und auch hier war die Munich-Mountain-Girls-Community wieder zur Stelle — in diesem Fall als eine Art Casting-Agentur.

Wir teilten den Aufruf wieder in der Facebookgruppe und riefen dazu auf, uns ein kurzes Video eines kleinen Bergabenteuers zu schicken. Die überzeugendsten Kandidatinnen wurden zum Vor-Ort-Casting in den Bayerischen Rundfunk eingeladen.

Beim Casting wollten wir zum einen wissen, welche Bergthemen den Kandidierenden selbst unter den Nägeln brennen und wie sie im Talk zu dritt harmonieren.

Am besten schlugen sich Antonia Schlosser, die bereits für den Bayerischen Rundfunk arbeitet, vor allem bei PULS, zum Beispiel als Expertin für Social Seeding, und Anna Hadzelek, die mit Journalismus bisher nichts am Hut hatte, sondern eigentlich gerade ein StartUp im Bereich nachhaltige Mode aufbaute. Als die beiden weiteren Hosts feststanden, ging es daran, gemeinsam mit ihnen die Podcast-Idee zu schärfen.

Zusammenarbeit mit der Community im Regelbetrieb

Das Ergebnis nach Design Sprint, Formatentwicklung und ersten Anpassungen im Regelbetrieb: Bergfreundinnen, der Podcast für dein Leben mit den Bergen. Ein Podcast von Bayern2 in Kooperation mit den Munich Mountain Girls.

Ein Thema bekommt bei uns vier Folgen Platz. Los geht es immer mit einer Storytelling-Folge, dann folgt der Talk der drei Hosts, garniert mit Sprachnachrichten aus der Munich Mountain Girls Community, weiter geht es mit der Service-Folge, einem Interview mit einer Person vom Fach und abgeschlossen wird das Thema mit dem Interview einer prominenten Person aus dem Bergsportbereich.

Die Themen im ersten halben Jahr: Selbsteinschätzung, Beziehung am Berg, Nachhaltigkeit, Menstruation & Zyklus, Selbstdarstellung & Social Media und Kinder.

Die Community ist in alle Entscheidungs- und Produktionsphasen eingebunden: Der Podcast wird über die Kanäle der Munich Mountain Girls beworben, die Community darf bei neuen Themen mitentscheiden, die Sprachnachrichten der Community finden Platz in den verschiedenen Folgen, vor allem im Talk, es werden sogar ganze Storytelling-Folgen aus den Geschichten von Frauen aus der Community produziert.

Natürlich wurde die Community auch bei unserem ersten Review-Termin nach drei Monaten nochmals in einer detaillierten Umfrage befragt und die größtenteils sehr positiven Ergebnisse in die kontinuierliche Weiterentwicklung einbezogen.

Fazit: Was ist gut daran, einen Podcast mit einer bestehenden Community zu entwickeln?

Im Fall des Bergfreundinnen-Podcasts ist die Zusammenarbeit zwischen dem Bayerischen Rundfunk in Form von Bayern2 und den Munich Mountain Girls die perfekte Kombination: Während der BR seit sehr vielen Jahren seine Kompetenz in einem bergjournalistischem Umfeld beweist, bringen die Munich Mountain Girls eine weibliche, moderne und social-media-affine Perspektive ein.

Das Podcast-Entwicklungsteam konnte auf einen ständigen Pool von fast 10.000 Testpersonen zugreifen. So ist es wohl auch nicht weiter verwunderlich, dass der Bergfreundinnen-Podcast sowohl seine qualitativen als auch quantitativen Benchmarks erreicht und auf positives Feedback stößt.

Und auch für die Munich-Mountain-Girls-Community ergibt sich aus der Zusammenarbeit ein Benefit, haben die Bergfrauen darin doch ein neues Sprachrohr gefunden, das ihre Themen und ihre Geschichten in die Welt trägt und dafür sorgt, dass die Berge noch weiblicher werden.

--

--

Katharina Kestler
BR Next

Host des Bergfreundinnen Podcasts, Head of PULS Talente Programm