Allison Crutchfield - Tourist In This Town

Britta Helm
Britta Helm
Published in
2 min readMar 20, 2017
Merge/Cargo/27.01.2017

Alle Großen müssten Zwillingsschwestern haben. Die von Waxahatchee setzt alle Hoffnung in den schönsten Emopop. Klar kennen Profis Allison Crutchfield nicht nur als perfekte Unterstützungssängerin ihrer Schwester Katie, sondern auch aus der gemeinsamen poppigen Punkband P.S. Eliot und ihrer eigenen, noch poppigeren Punkband Swearin’, aber vielleicht gibt es noch triste Menschen, die das alles verpasst haben. Für die vereint Tourist In This Town alles, was den Crutchfields so viel leichter zuzufliegen scheint als anderen Familien: Leidenschaftliche Gesangsmelodien, vorgetragen mit einer Mischung aus Traurigkeit und Optimismus wie direkt aus den 90ern, drumherum feierliches Sonnenuntergangsschlagzeug und aufgekratzte Gitarren, leises Zupfen und augenzwinkernde Punkstürme; mittendrin Texte, von denen man immer nur die einfachen Zeilen beim ersten Mal versteht: „I keep confusing love and nostalgia/ I don’t ever wanna leave California.“ Orte waren immer schon das Thema der Crutchfield-Zwillinge, und während Waxahatchee sich vor allem um die Melancholie zuhause kümmert, nimmt sich ihre Schwester auf ihrem ersten eigenen Album das Unterwegssein vor. Die Songs auf Tourist In This Town heißen etwa Expatriate und Sightseeing, und weil Hängenbleiben selbst im allerbesten Indierock nicht reicht, hat Crutchfield ihnen mehr Synthies verpasst als allem vorher. „I can’t enjoy Paris ’cause I can’t get away from you“, murmelt sie dazu, und das klingt bei aller Sehnsucht schon wieder so schön und wahr, dass Sofia Coppola einen ganzen Hotelfilm drüber drehen könnte. Wenn Crutchfield auf Tour kommt, sollte man sie bloß nicht in der eigenen Stadt sehen, sondern eine Reise draus machen.

9/12

Erschienen in Visions 287, 2017

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