Crowdfunding und Social Media haben die Entstehung von Trends elementar verändert. Eine Chance für kluge unabhängige Visionäre.

Innovation

Tech-Trends 2015

Die Entstehung von Trends hat sich geändert. Bis vor wenigen Jahren war es ausschließlich großen Lifestyle-Marken vorbehalten, die Megatrends kommender Jahre zu diktieren. Crowdfunding und Social Media haben diesen althergebrachten Innovationsprozess ins Wanken gebracht. Ein Überblick:

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5 min readMar 5, 2015

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Apples Smartwatch ist symptomatisch für die Schwierigkeiten von Technologietrends heutzutage: Vor zwei Jahren als Antwort auf das Crowdfunding der Pebble Watch eiligst als bessere SMS-Anzeige erdacht und 2014 als Uhr mit Fitness-Sensoren angekündigt, steht ihr 2015 ein Flop bevor. Denn selbst in den USA wollen sich nur wenige Menschen einen Fitness-Tracker kaufen. Schon gar nicht einen, der nach zwei Stunden keinen Akku mehr hat. Ob und wie man Apples Misserfolg in diesem Produktsegment bewertet bleibt der Schauplatz subjektiver Verschwörungstheorien. Viel spannender ist die normative Botschaft hinter dem Misserfolg: die Entstehung von Trends hat sich geändert. Bis vor wenigen Jahren war es ausschließlich großen Lifestyle-Marken vorbehalten die Megatrends kommender Jahre zu diktieren. Allerdings haben Crowdfunding und Social Media die Entstehung von Trends verändert. Mit weiteren Brüchen, Kurven und wegweisenden Erfolgen ist auch 2015 zu rechnen. Hier sind die sechs Trends, deren Erfolgsgeschichte sich zu Jahresbeginn am deutlichsten abzeichnet:

Augmented Reality
Google Glass wurde im Januar 2015 eingestellt. Im selben Monat veröffentlichte Microsoft HoloLens. Die Brille fokussiert eher den Heim- und Arbeitsbereich, während Google Glass die Computerbrille für unterwegs sein sollte. Beide Konzepte werden uns 2015 nicht sonderlich bewegen, weil es für sie noch keine technische und soziale Anwendung gibt. Was Augmented Reality 2015 aber entscheidend voranbringen könnte, sind Ergänzungssets für Mobilgeräte. Google hat das mit Cardboard als Prototyp erdacht (ein Pappkarton mit Linse, in den man sein Handy als Projektor einlegt). Samsung springt mit dem Projekt Samsung Gear VR auf diesen Trend. Diese Lösung könnte neugierige Nutzer und Entwickler zum Experimentieren bringen und Wegbereiter für Anwendungskonzepte werden.

Big Data und Künstliche Intelligenz
Zwei alte Bekannte in den Trendlisten der letzten Jahre: Big Data und das Internet der Dinge. Wer mehr Daten über seine Nutzer hat und clever analysiert, verschafft sich den entscheidenden Vorteil. Kommunen werden 2015 auf den Zug aufspringen. Hier geht es dann vor allem um Open Data. Neu wird sein, dass man vermehrt auf Künstliche Intelligenz setzt, um die Datenmengen zu analysieren. Einfachstes Beispiel: intelligente Ressourcenvorhersagen für Cloud-Computing und Website-Traffic anhand typischer Entwicklungsmuster. Komplexer ist das Erschließen der dunklen Daten (Video, Ton, Foto), die nur mit selbstlernenden Systemen wie AISight oder Google Brain verarbeitet werden können. 2015 werden wir aus diesem Bereich möglicherweise den automatischen Simultandolmetscher von Skype bestaunen. Gleichzeitig wird in diesem Bereich aber hart mit dem Nutzer gerungen werden: Datenschutz ist ebenfalls zum Wettbewerbsvorteil geworden. Wer nicht aufpasst, weiß alles über einen Kunden, außer dass dieser sein Geld in Zukunft dort ausgibt, wo er nicht durchanalysiert wird.

Datenschutz als Chance für deutsche Start-ups
Der NSA-Skandal hat in manchen Bereichen ordentliche Dämpfer gesetzt: 13 Prozent aller deutschen Unternehmen haben Cloud-Projekte 2014 wegen Datenschutzbedenken zurückgestellt, berichtete der Branchenverband Bitkom. Auch die privaten Nutzer sind in vielen Bereichen vorsichtiger, seit sie wissen, was mit ihren Daten passiert. Zumindest in Deutschland wird das Teilen privater Dinge bei Facebook ebenso zurückgehen wie die Social-Media-Kommunikation zwischen Konsument und Marke. Aber hier liegt die Chance für Neues: Verschlüsselung wird 2015 Pflichtprogramm für viele neue Anwendungen. Der US-amerikanische Journalist Jeff Jarvis sieht beim Datenschutz gerade für deutsche Start-ups eine internationale Chance, nachdem sie andere Trends wie Cloud-Computing verpasst hätten. Dabei muss Datenschutz nicht langweilig sein: Yik Yak, eine hyperlokale App zum anonymen Kommentieren, schaffte es Ende 2014 auf die vordersten Downloadplätze der App-Charts. Und Posteo macht seit Jahren vor, wie man mit kritischen Nutzern Marktnischen besetzen kann.

Sharing Economy
airbnb und Uber waren nur der Anfang — 2015 werden weitere Dienste die traditionellen Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Ressourcen vermischen. Spannend könnten die Ideen werden, die nicht wie Uber mit Gesetzen in Konflikt geraten. So versucht das deutsche Start-up Shippies, den städtischen Lieferdienst als Community-Leistung zu etablieren. Für Unternehmen besteht die Herausforderung darin, dass sie auf diesen Plattformen eine soziale und ethische Akzeptanz mit den Nutzern aushandeln müssen, weil ihnen die Ressourcen nur über die Community zu Verfügung stehen. Denn Uber (satte 20 Prozent Provision) wird letztlich nicht an Gesetzen, sondern an einer verärgerten Community scheitern.

WebRTC
2015 wird jeder Browser zur Telefonzelle. Der Standard für Sprach- und Videotelefonie ist ausgereift und in den meisten Browsern implementiert, nur Internet Explorer und Safari blockieren noch (dort benötigt man Plugins). Mit Firefox Hello kann man bereits von User zu User telefonieren — ohne Anmeldung und ohne zusätzliche Software. Bei so geringer Einstiegshürde auf Anwenderseite werden 2015 zahlreiche Unternehmen ausprobieren, was man damit alles anstellen kann: Von Customer Support und Dating über E-Learning und Konferenzen bis zum privaten Chat. Auch Microsoft hat Skype als WebRTC-Dienst in den Browser einziehen lassen.

Drohnen als Massenmarkt
Rückblickend stellen sich Erfindungen immer so dar, als wären sie für einen bestimmten Zweck erfunden worden. In Wahrheit ist es aber meist so, dass der Erfinder keine Ahnung hat, was die Menschen wirklich mit seiner Technik anstellen. 2015 wird dieser Vorgang mit der kulturellen Aneignung mit Drohnen voranschreiten: Die günstigen und vielseitigen Geräte eignen sich bisher fast nur zum sinnlosen Herumfliegen. Die Zeit ist gekommen, dass sich dazu zivile Anwendungen entwickeln. Bescheuert war sicher der Versuch, mit einer Drohne Drogen in ein Hamburger Gefängnis zu liefern. Genial war die Selfie-Drohne, die auf der CES zu sehen war. Massentauglich könnten autonome Verfolger-Drohnen mit Kamera für Trendsportler sein, der ganz große Markt wartet aber im Agrarbereich. Zu kulturellen Aneignung wird auch gehören, dass sich ethische Grenzen der Verwendung (z.B. bei Polizei und Journalisten) und in deren Folge Gesetze entwickeln.

Text: Matthias Eberl
Illustrationen:
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